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Chef, 7 Buchstaben: MEISTER

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Nachdem ich diesen chaotischen Tag bis zum Nachmittag problemlos überstanden habe, höre ich plötzlich die Stimme meines Chefs: »Frau Oswald, in mein Büro!«

Ich hatte vor lauter Stress gar nicht gehört, wann er gekommen war. Oha. Jetzt will er wissen, warum ich Logiernächte verschenke, denke ich und bereite mich innerlich auf einen verbalen Schlagabtausch vor. »Bitte erklären Sie mir, was da heute vorgefallen ist«, befiehlt er und lässt mich vor seinem Schreibtisch stehen, als wäre ich ein Schulmädchen im Rektorat. Dafür, dass seine linke Hand vor kurzer Zeit noch genauso frech war wie seine rechte, führt er sich ganz schön autoritär auf. Ich entscheide mich dafür, selbstbewusst aufzutreten, und bitte zunächst darum, Platz nehmen zu dürfen. In wenigen Worten schildere ich die Situation von heute Morgen und erkläre die Gründe für meine Entscheidungen. Ich versuche, ganz ruhig zu bleiben, und schaue ihm dabei direkt in die Augen, was ihn immer nervös macht, wie ich herausgefunden habe.

»Sie haben die Lage genau richtig gemeistert. Das fällt mir bei Ihnen immer wieder auf: In Krisensituationen reagieren Sie kompetent und souverän. Danke schön!« Neumann lächelt mich freundlich an. Er reicht mir die Hand und schüttelt sie heftig.

»Oh, Sie können sich gern revanchieren«, antworte ich und nutze meine Chance. »Ich möchte Ende Juli, Anfang August Urlaub in der Schweiz machen. Sie müssten das noch absegnen, aber von den Arbeitsplänen her sieht es sehr gut aus.«

»Wenn das so ist, dann gehen Sie ruhig. Die Schweiz. Aha. Ein teures Pflaster. Ich werde Ihnen eine Prämie von 150 Euro mit auf den Weg geben. Und nach dem Urlaub werden wir gemeinsam Ihre Position in unserem Hause neu bewerten und überdenken. Sie haben mich in letzter Zeit des Öfteren sehr positiv überrascht, und inzwischen fange ich an, mich auf Sie zu verlassen. Das erleichtert meine Arbeit enorm.«

Mir bleibt glatt die Spucke weg. Ich bin selten sprachlos, aber jetzt weiß ich nicht, was ich sagen soll. Er will doch nicht irgendwas von mir und versucht bloß, sich einzuschleimen? Die Prämie nehme ich gerne, aber ich werde auf der Hut sein.

Somit ist es wohl beschlossene Sache: Ich fliege in die Schweiz. Als ich Neumanns Büro verlasse, ziehen sich meine Mundwinkel automatisch nach oben, aber ich bin nicht sicher, ob das Vorfreude ist oder ob ich mich selber auslache.

»Und, hat es sich gelohnt, sich begrapschen zu lassen?«, fragt Ute mich kurz vor Dienstschluss. Meine Kollegin hat mein Lächeln beim Verlassen des Chefbüros bemerkt und wohl nach Belieben gedeutet. Ute hat einen Knall. Sie möchte Karriere machen um jeden Preis, kommt aber nicht vom Fleck mit ihren Bemühungen. Die Verbissenheit steht ihr ins Gesicht geschrieben. Sie würde sich notfalls auch hochschlafen, aber keiner hat an ihr Interesse. Daher spuckt sie immer mal wieder Gift und Galle. Zwischendurch arbeiten wir meist recht gut zusammen. Was soll ich ihr also antworten? »Ute, du liegst mal wieder völlig falsch. Ich habe eine Reise gewonnen!«

»Oh«, meint sie und zieht die zu einem hauchdünnen Strich gezupften Augenbrauen hoch. Mehr fällt ihr dazu nicht ein. Mitfreuen ist nicht so ihr Ding.

»In die Schweiz«, füge ich noch hinzu. Dann lasse ich sie einfach stehen und gehe ins Büro, wo ich noch schnell ein paar Gästeanfragen beantworte. Ein Mann möchte mit Schäferhund anreisen. Gut, das wäre an sich kein Problem. Aber er schreibt, dass er den ganzen Tag geschäftliche Termine habe und sich nicht um das Tier kümmern könne. Nein, da hört der Spaß auf! Gut, dass Neumann das auch so sieht. Dann will ein Verlag aus Berlin Zimmer für die Buchmesse reservieren, die im Oktober stattfindet. Gerade noch rechtzeitig. Während der Messe ist Frankfurt immer im Ausnahmezustand und die Hotelpreise genauso. Daher informiere ich den kleinen Verlag vorsichtshalber über unsere Messepreise, bevor ich die Reservierung akzeptiere.

Dazwischen kommen Gäste an, reisen ab oder reklamieren wegen diesem und jenem. Ich verbinde Telefongespräche von da nach dort. Alltag.

Am Abend auf dem Heimweg fährt es mir erst so richtig ein: Ich fliege in die Schweiz.

Mit der Schweiz als Urlaubsland habe ich mich schon angefreundet. Warum auch nicht? Wer in der Großstadt lebt, hat automatisch ab und zu Sehnsucht nach Wiesen und Wäldern. Ein ruhiges Bergdorf ist völlig okay. Dieser Teil meiner Reise bereitet mir kein Kopfzerbrechen mehr. Aber Wandern? Männer? Fasten?

Ich schlafe schlecht in dieser Nacht und träume wirres Zeug von Berggipfeln und bärtigen Kerlen. Wenn ich wach liege, versuche ich mir den Verlauf meiner Reise auszumalen, und dabei wird mir angst und bange.

Wandern ist doof

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