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KAPITEL ACHT

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Sieben Stunden später war sie in der Luft und auf dem Weg nach Wyoming; unter ihr der Norden Nebraskas. Alles war so schnell gegangen, dass sie bisher weder die Zeit noch die Möglichkeit gehabt hatte, die Materialien auszudrucken, die McGrath ihr bezüglich des Falles im Grand Teton National Park geschickt hatte. Deshalb war sie nun gezwungen, sich die Informationen übers iPhone anzusehen.

Viel war es nicht. Die Polizeiberichte fielen spärlich aus, genau wie die forensischen Gutachten auch. Wenn ein Mensch so tief stürzt, steht die Todesursache normalerweise nicht zur Debatte. Sie las sich die Dokumente mehrere Male durch, fand aber nichts – das lag nicht an ihren mangelnden Fertigkeiten, sondern schlichtweg an den fehlenden Informationen. Selbst die Details, die sie zu den Opfern erhalten hatte, gaben nicht viel her. Zwei Menschen waren beim Klettern in den Tod gestürzt und es gab Beweise, dass es sich dabei nicht um Unfälle handelte. In einem der Fälle war ein abgetrenntes Seil involviert gewesen, im anderen passte eine Verletzung an der Leiche nicht zu denen, die bei einem Sturz zu erwarten sind.

Mackenzie machte sich auf dem Handy Notizen und fragte sich kurz, ob vielleicht der Vater mit dem Mord seines Sohns in Verbindung stand. Es war nicht viel, aber besser als nichts.

Als das Flieger sich im Landeanflug zum Jackson Hole Flughafen befand, bewunderte Mackenzie von ihrem Platz am Fenster die Bergspitzen des Grand Teton National Parks. Im klarblauen Licht des Morgens waren sie wunderschön und die Vorstellung eines Mörders, der in dieser Landschaft sein Unwesen trieb, war mehr als verstörend.

Bei dem Anblick musste sie auch an Kevin denken und ihr Herz schmerzte. Sie fühlte sich wie eine Versagerin, ihn zurückgelassen zu haben – eine herzlose Mutter, die schon jetzt andere Prioritäten hatte als ihr Baby. Doch sie hatte genügend Bücher verschlungen, um zu wissen, dass diese Gefühle für neue Eltern mehr als normal waren. Das machte diese aber nicht weniger real.

Als sie wenige Augenblicke später das Flugzeug verließ, hatte sie noch immer nicht ganz das Gefühl, sich inmitten eines Falles zu befinden. Sie trug bei ihrer Ankunft in Jackson Hole dieselbe Kleidung, die sie auch auf dem Polizeirevier bei ihrem Gespräch mit Nancy Yule getragen hatte. Schließlich hatte sie für den Besuch bei ihrer Mutter weder FBI-Uniform noch Dienstwaffe eingepackt. Das war etwas, was sie mit der örtlichen Polizeidienststelle regeln musste. Hoffentlich gab es keine Verzögerungen, weil es in Wyoming keine FBI-Filiale gab, da das Büro in Denver neben Colorado auch für Wyoming zuständig war.

Als ihr das klar wurde, hatte sie das Gefühl, sich am Ende der Welt zu befinden – ein Gefühl, das nur noch verstärkt wurde, als sie den Flughafen betrat. Sicher, es war ein hübsches Gebäude, aber im Vergleich zum chaotischen Gewimmel am Dulles-Flughafen in DC war der Menschenstrom hier dünn und fast schon ordentlich.

Aufgrund des mangelnden Menschenaufgebots in der Anlage entdeckte Mackenzie problemlos die Frau in der blauen Polizeiuniform, die am Gate auf sie wartete. Sie war um die vierzig und ihr blondes Haar, das zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden war, umrahmte ein hübsches, kantiges Gesicht. Sie schien sich jede Person genau anzusehen, die mit Mackenzie hinter der Absperrung erschien. Als sich ihre Blicke trafen, nickte die Polizistin höflich und traf sich dann in der Flughafenhalle mit Mackenzie.

„Agent White?“, fragte die Frau. Die silberne Marke über ihrer linken Brust identifizierte sie als Timbrook.

„Das bin ich.“

„Gut. Mein Name ist Shelly Timbrook. Ich dachte, es sei am besten, mich hier mit Ihnen zu treffen und Ihnen den Ärger zu ersparen, einen Mietwagen nehmen zu müssen. Außerdem – je eher ich Sie zum Tatort bringen kann, desto besser. Das zweite Opfer, der zweiundzwanzigjährige Bryce Evans, wurde am Fuß des Logan’s View gefunden. Da sich die Fundstelle innerhalb des Parks befindet, steht der Fall auch im Blickpunkt der Öffentlichkeit.“

„Wie weit ist es von hier bis zum Parkeingang?“, fragte Mackenzie.

„Nicht mal zehn Minuten. Dann nochmal fünf bis zum Logan’s View.“

„Dann los“, meinte Mackenzie.

Timbrook übernahm die Führung und bewegte sich auf den Ausgang des Flughafens zu. Mackenzie folgte und schrieb währenddessen Ellington eine Nachricht, um ihn wissen zu lassen, dass sie angekommen war und bereits mit der örtlichen Polizei in Verbindung stand. Als sie ihm von dem Anruf mit McGrath erzählt hatte, wusste er bereits Bescheid. McGrath hatte ihn scheinbar sofort nach seinem Telefonat mit Mackenzie kontaktiert. Ellington hatte aufgeregt geklungen und ebenfalls behauptet, dass sie eine Gelegenheit wie diese brauchte, um herauszufinden, wie ihre nächsten Schritte aussehen sollten.

Das Schlimme daran war, dass er recht hatte. Sie wünschte, er könnte hier bei ihr sein. Es war nicht nur die längste Zeit der Trennung von Kevin seit seiner Geburt – auch Ellington und sie waren seit ihrem Mutterschutz einen Monat vor Kevins Geburt nie länger als zehn Stunden voneinander getrennt gewesen.

Sie vermisste ihn. Und obwohl sie sich deshalb jung und unreif fühlte, war es die Wahrheit. Aber sie schaffte es, diese Gefühle fürs erste beiseite zu schieben. Sie würde ihn und Kevin per Videochat anrufen, sobald sie im Hotel war. Aber auf den furchtbar lückenhaften Polizeiberichten basierend, nahm sie an, dass ihr ein langer Nachmittag bevorstand.

***

„Um es sofort aus dem Weg zu räumen, muss ich Ihnen etwas gestehen“, sagte Timbrook. „Ich bin eine Art Fan von Ihnen. Ich weiß, dass das albern klingt, aber als Sie vor einigen Jahren den Vogelscheuchen-Mord aufgeklärt haben, war ich mehr als beeindruckt. Darf ich fragen … sind Sie dadurch beim FBI gelandet?“

„Mehr oder weniger.“

„Es war sehr erfrischend, Ihnen dabei zuzusehen, wie Sie – als junge Frau – die Leitung über eine Truppe übernommen haben, die hauptsächlich aus Männern bestand. Das war ein gutes Gefühl.“

Mackenzie wusste nicht, wie sie auf diese Art von Kompliment reagieren sollte, also ignorierte sie es ganz und ging sofort zum Geschäftlichen über.

„Ich habe die Berichte beider Opfer gelesen und leider nur wenig erfahren“, sagte sie. „Ich weiß, dass das zweite Opfer erst gestern gefunden wurde, aber warum die Verzögerung bezüglich der Informationen zum ersten Opfer?“

„Weil man für die ersten zwölf Stunden von einem tragischen Unfall ausgegangen ist. Oder sogar Selbstmord. Auch ich habe so etwas vermutet. Die Leiche wurde unterhalb der Exum Ridge gefunden und war dort vermutlich bereits mehrere Tage gelegen.“

„Wie weit sind der Logan’s View und die Exum Ridge voneinander entfernt?“

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