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KAPITEL VIER

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Was sich zuerst paradiesisch angefühlt hatte, wurde immer mehr zu einer Art Gefängnis. Während sie ihren Sohn mehr liebte, als sie es je in Worte fassen könnte, fiel Mackenzie langsam die Decke auf den Kopf. Gelegentlich durch die Nachbarschaft zu spazieren reichte ihr einfach nicht mehr. Als der Arzt ihr die Erlaubnis gab, leichte Sport-Übungen zu absolvieren und sie damit begann, ihren Schritt bei ihren Spaziergängen zu beschleunigen, dachte sie sofort daran, joggen zu gehen oder auch leichte Gewichte zu heben. Sie war, zum ersten Mal in über fünf Jahren, nicht in Form. Die Bauchmuskeln, auf die sie einmal so stolz gewesen war, waren unter Narbengewebe und einem ungewohnten Fettpolster verschwunden.

In einem Moment der Schwäche, als sie eines Abends die Dusche verließ, begann sie unkontrolliert zu schluchzen. Als pflichtbewusster und liebender Ehemann kam Ellington natürlich sofort angerannt und fand sie im Badezimmer, wo sie gegen das Waschbecken gelehnt stand.

„Mac, was ist los? Bist du okay?“

„Nein. Ich heule. Ich bin nicht okay. Ich heule wegen albernem Scheiß.“

„Zum Beispiel?“

„Zum Beispiel wegen dem Körper, den ich gerade im Spiegel gesehen habe.“

„Oh, Mac … hey, erinnerst du dich daran, mir vor einigen Wochen vorgelesen zu haben, dass du bald damit anfangen würdest, wegen willkürlichen Dingen zu weinen? Ich denke, dieser Moment gehört dazu.“

„Die Kaiserschnittnarbe wird für den Rest meines Lebens zu sehen sein. Und das Gewicht … es wird nicht leicht, das wieder loszuwerden.“

„Und warum stört dich das?“, fragte er. Er war nicht streng oder hart, verhätschelte sie aber auch nicht. Ihr wurde wieder einmal klar, wie gut er sie kannte.

„Es sollte mich nicht stören. Und ehrlich gesagt denke ich, dass meine Heulerei einen anderen Grund hat. Der Anblick meines Köpers war lediglich ein Auslöser.“

„Mit deiner Körper ist alles in Ordnung.“

„Das musst du sagen.“

„Nein, das tue ich nicht.“

„Wie kannst du diesen Anblick wollen?“

Er lächelte sie an. „Oh, das ist kein Problem. Hör zu … Ich weiß, dass der Arzt dir ein leichtes Sportprogramm erlaubt hat. Und wenn du mich einfach die ganze Arbeit machen lässt …“

Er blickte anspielend durch die Badezimmertür ins Schlafzimmer hinüber.

„Was ist mit Kevin?“

„Mittagsschlaf“, antwortete er. „Er wird aber vermutlich in ein oder zwei Minuten aufwachen. Aber da unser letztes Mal schon über drei Monate her ist, glaube ich nicht, dass ich allzu lange brauchen werde.“

„Idiot.“

Er antwortete mit einem Kuss. Nicht nur, um ihr das Wort abzuschneiden, sondern auch, um ihre Komplexe in Luft aufzulösen. Er küsste sie langsam und innig und sie konnte die drei Monate spüren, die sich in ihm aufgestaut hatten. Er führte sie zärtlich ins Schlafzimmer und übernahm, wie versprochen, die ganze Arbeit. Vorsichtig und gekonnt.

Kevins Timing war perfekt, drei Minuten später wachte er auf. Als sie gemeinsam ins Babyzimmer gingen, kniff Mackenzie ihm in den Po. „Ich glaube, das war mehr als ein leichtes Sportprogramm.“

„Fühlst du dich okay?“

„Ich fühle mich außergewöhnlich gut“, sagte sie. „So gut, dass ich vorhabe, heute Abend ins Fitnessstudio zu gehen. Kannst du auf den kleinen Mann aufpassen, wenn ich für eine Weile verschwinde?“

„Natürlich. Aber übertreibe es nicht.“

Das reichte, um Mackenzie zu motivieren. Sie machte nie nur halbe Sachen und dazu gehörte für sie sowohl Sport als auch das Muttersein. Vielleicht fühlte sie sich deshalb, drei Monate nach der Geburt Kevins, etwas schuldig, ihn zum ersten Mal alleine zu lassen. Natürlich war sie auch zuvor schon zum Supermarkt oder Arzt gegangen. Aber zum ersten Mal verließ sie das Haus mit der Absicht, länger als eine Stunde weg zu sein.

Kurz nach acht machte sie sich auf den Weg zum Fitnessstudio, das sich bereits sichtlich geleert hatte. Es war dasselbe Studio, das sie besucht hatte, als sie beim FBI anfing und sich noch nicht auf die eigenen Einrichtungen ihrer Arbeitsstelle verlassen hatte. Es fühlte sich gut an, zurück zu sein. Wie jeder andere Bürger der Stadt auch benutzte sie das Laufband, kämpfte sich mit den überholten Elastikbändern ab und trainierte einfach nur, um aktiv zu bleiben.

Nach nur einer halben Stunde begann ihr Bauch zu schmerzen. Sie hatte außerdem einen starken Krampf in ihrem rechten Bein, den sie nicht loswerden konnte. Nach einer kurzen Pause versuchte sie sich erneut am Laufband und entschied sich dann dazu, für heute Schluss zu machen.

Denk nicht mal daran, hart mit dir ins Gericht zu gehen, dachte sie. Aber es war Ellingtons Stimme, die sie in ihrem Kopf hörte. Du hast einen Menschen in dir beherbergt, der dann aus dir herausgeschnitten wurde. Du kannst nicht wie Superwoman einfach weitermachen, wo du aufgehört hast. Gib dir Zeit.

Sie hatte geschwitzt und das reichte ihr. Also ging sie zurück nach Hause, duschte und fütterte Kevin. Er war so zufrieden, dass er während dem Stillen einschlief. Die Ärzte hatten zwar davon abgeraten, aber sie erlaubte es ihm und hielt ihn an sich gedrückt bis auch sie müde wurde. Als sie ihn hinlegte, saß Ellington am Küchentisch und arbeitete an einer Fallrecherche.

„Alles okay?“, fragte er, als sie zurück ins Wohnzimmer ging.

„Ja. Ich glaube, ich habe es im Studio ein bisschen übertrieben und mir tut alles weh. Müde bin ich auch.“

„Kann ich etwas tun?“

„Nein. Aber vielleicht kannst du mir morgen früh wieder mit einem leichten Sportprogramm aushelfen?“

„Sehr gerne, Ma’am“, sagte er lächelnd über seinen Laptopbildschirm hinweg.

Auch sie lächelte, als sie zu Bett ging. Ihr Leben war erfüllt und ihre Beine schmerzten – ihre Muskeln erinnerten sich daran, wozu sie einst gebraucht wurden. Eine Minute späte döste sie erschöpft ein,

Sie hatte nicht erwartet, wieder von dem riesigen Maisfeld, ihrer Mutter und dem Baby zu träumen.

Ebenso wenig hatte sie nicht damit gerechnet, wie sehr es sie dieses Mal mitnehmen würde.

***

Der Albtraum weckte sie auf und dieses Mal schrie sie. Sie setzte sich so abrupt auf, dass sie fast von der Matratze fiel. Neben ihr wachte auch Ellington besorgt auf.

„Mackenzie … was ist los? Bist du okay?“

„Nur ein Albtraum, das ist alles.“

„Es klang furchtbar. Möchtest du darüber reden?“

Mit klopfendem Herzen ließ sie sich wieder zurückfallen. Für einen Moment hatte sie das Gefühl, den Dreck des Albtraums in ihrem Mund schmecken zu können. „Nicht unbedingt. Es ist nur … ich glaube, ich muss meine Mutter sehen. Ich muss ihr von Kevin erzählen.“

„Macht Sinn, denke ich“, sagte Ellington und war sichtlich erstaunt, welchen Einfluss der Traum auf sie gehabt hatte.

„Wir können später darüber sprechen“, sagte sie, als der Schlaf wieder an ihr riss. Die Bilder des Traums waren noch immer da, aber sie wusste, dass ihr eine lange Nacht bevorstand, wenn sie nicht bald wieder einschlief.

Mehrere Stunden später weckte Kevins Weinen sie auf. Ellington wollte gerade aufstehen, als sie ihre Hand auf seine Brust legte. „Ich mach schon“, sagte sie.

Ellington wehrte sich nicht. Sie waren dabei, langsam einen relativ normalen Schlaf-Rhythmus zu finden und keiner von ihnen hatte vor, diesen auf die Probe zu stellen. Außerdem hatte er ein Meeting am Morgen – es ging um einen neuen Fall, den er mit einem Überwachungsteam anführen sollte. Er hatte ihr beim Abendessen davon erzählt, aber sie war mit ihren Gedanken woanders gewesen. In letzter Zeit war ihr Fokus zerstreut und es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren, vor allem, wenn Ellington von der Arbeit sprach. Sie vermisste es, selbst zu arbeiten und war eifersüchtig, konnte es aber noch nicht ganz übers Herz bringen, Kevin alleine zu lassen. Egal, wie gut die Kita auch sein mochte.

Mackenzie ging ins Babyzimmer und nahm Kevin aus seiner Krippe. Er war mittlerweile soweit, meistens sofort mit dem Weinen aufzuhören, sobald ein Elternteil ihn hochnahm. Er wusste, dass er bekommen würde, was er brauchte und hatte bereits gelernt, seinen eigenen kleinen Instinkten zu vertrauen. Mackenzie wickelte ihn, setzte sich dann auf den Schaukelstuhl und stillte ihn.

Ihre Gedanken wanderten zu ihren eigenen Eltern. Sie konnte sich selbstverständlich nicht daran erinnern, selbst gefüttert zu werden. Aber der bloße Gedanke, dass ihre Mutter sie einst gestillt hatte, war unvorstellbar. Doch sie wusste auch, dass Mutterschaft einen ganz neuen Filter mit sich brachte, der die Perspektive auf das Leben veränderte. Vielleicht war der Filter ihrer Mutter verzerrt gewesen und mit dem Tod ihres Ehemanns vollkommen zerstört worden.

War ich ihr gegenüber zu streng?

Während Mackenzie Kevin stillte, dachte sie lange und angestrengt über ihre Zukunft nach. Nicht nur die der nächsten Woche, wenn ihr Mutterschutz zu Ende ging, sondern auch die der nächsten Monate und Jahre und wie sie diese verbringen wollte.

Vorher Neidet Er

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