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KAPITEL NEUN

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Sie fuhren zurück auf die Polizeiwache Fellsburgs, wo im Großraumbüro gerade Schichtwechsel war. Es war fast zwanzig Uhr an einem Samstagabend – eine geschäftige Zeit für jedes Polizeirevier, egal wo. Burke war nirgendwo aufzufinden, also begaben sie sich zu ihrem Arbeitsplatz im hinteren Teil des Gebäudes. Es war verlockend, einfach ein Motel zu suchen und dort weiter zu arbeiten, aber beide wussten, besseren Zugang zu Akten und Informationen zu haben, solange sie im Revier waren.

Zuerst durchsuchten sie die Polizeidatenbank nach Informationen bezüglich Amy Campbell. Ihre Akte war sauber; nicht einmal ein Strafzettel war zu finden. Da sie sich von der Datenbank keine weitere Unterstützung versprachen, rief Ellington im Büro in DC an, um Amy Campbell aus Fellsburg, Utah gründlich durchleuchten zu lassen.

Anschließend richteten sie ihre Aufmerksamkeit auf die mysteriöse, religiöse Kommune, die als Gemeinschaft bekannt war. Es war nicht schwer, Informationen zu finden – eine einfache Googlesuche reichte aus. Das einzige Problem war, dass die vielen Treffer sich ständig wiederholten. Sie erfuhren lediglich, dass es sich um eine religiöse Gemeinschaft in den Wäldern zwischen Fellsburg und der Kleinstadt Hoyt handelte.

Man ging davon aus, dass zwischen 1200 und 1500 Menschen dort lebten. Sie besetzten ein kleines Stück Land in den Wäldern, das aus kleinen, hüttenartigen Gebäuden und Fußwegen bestand, welche die Häuser mit der Kirche und anderen Gemeinschaftsgebäuden verbanden.

„Sieh dir das an“, sagte Ellington und klopfte auf seinen Laptop.

Er hatte die Polizeidatenbank befragt und zwei Fotos gefunden. Bei einem handelte es sich um eine Luftaufnahme, die aus einem tieffliegenden Flugzeug fotografiert worden war. Das gesamte Gelände der Gemeinschaft war darauf sichtbar. Es erinnerte Mackenzie an amische oder mennonitische Gruppen. Einige Maisfelder befanden sich auf der rechten Seite des Gebiets, links war eine Weide, die vermutlich von Ziegen bewohnt wurde. Allerdings war das aus der Entfernung schwer zu erkennen.

Das zweite Bild war schwarz-weiß und ziemlich verschwommen. Es war offensichtlich aus einem Versteck am Waldboden aufgenommen worden. Das Bild zeigte zwei Gebäude, von denen Mackenzie annahm, dass es Wohnhäuser waren. Außerdem waren vier Personen sichtbar – zwei Kinder und zwei Frauen. Die Frauen trugen einfache Kleider, ihr Haar war zu zusammengebunden.

Mackenzie suchte nach weiteren Informationen zu dem Gebiet, fand aber nicht viel. Die Gemeinschaft existierte seit den späten 1970ern und hielt sich bedeckt. Bis auf ein paar Schlagzeilen in örtlichen Zeitungen hatten sie nie auf sich aufmerksam gemacht. Außer ihren eher übereifrigen, religiösen Ansichten schien es sich um eine gewöhnliche, religiöse Gruppe zu handeln, die sich von der Außenwelt isolierte. Die Tatsache, dass Polygamie praktiziert wurde, warf einen Schatten auf die Gemeinschaft. Doch dies war für Mackenzie kein Grund zur automatischen Annahme, die Gruppe untersuchen zu müssen. Fähigere und erfahrenere Agenten waren bereits in diese Falle getappt.

Während sie nach weiteren Informationen suchte, vibrierte ihr Handy auf dem Tisch neben ihr. Sie erkannte die Vorwahl DCs, aber nicht die Nummer. „Agent White“, antwortete sie.

„Agent White, hier spricht Assistant Chief Manning vom Büro der Marshals. Wir haben das Foto untersucht und durchs System laufen lassen. Die linke Gesichtsseite war relativ klar zu erkennen gewesen. Allerdings hat die Datenbank des Zeugenschutzprogramms nichts ausgespuckt. Es besteht eine neunundneunzigprozentige Chance, dass die Frau nicht im Zeugenschutz war.“

Die Enttäuschung war groß, aber verging schnell. Sie war sich ohnehin nicht wirklich sicher gewesen, auf der richtigen Spur zu sein. Aber wenn sich ihre Idee als korrekt herausgestellt hätte, wäre der Fall um einiges einfacher gewesen.

„Trotzdem danke“, sagte Mackenzie und legte auf. Sie wandte sich Ellington zu und sagte: „Unsere mysteriöse Frau war nicht im Zeugenschutzprogramm.“

„Das macht die Sache ein bisschen komplizierter.“

Mackenzie nickte und schloss ihren Laptop. Sie hatte etwa fünfundzwanzig Artikel über die Gemeinschaft gelesen und die Informationen begannen, sich zu wiederholen. Sie sah zu Ellington und sagte: „Hat es im Zusammenhang mit der Gemeinschaft keine einzige Verhaftung oder Störung der öffentlichen Ordnung gegeben?“

„Zumindest steht in der Datenbank der letzten zwanzig Jahre nichts davon.“

„Ich frage mich, ob Burke Geschichten oder Gerückte kennt.“

Bevor sie ihre Unterhaltung fortsetzen konnten, vibrierte ihr Handy erneut. Dieses Mal allerdings kürzer – eine Nachricht und kein Anruf. Sie nahm es in die Hand und rauchte sofort, als sie sah, dass es sich beim Absender um ihre Mutter handelte.

War mir nicht sicher, ob es schon zu spät für euch ist, stand in der Nachricht. Kannst du anrufen?

„E … ich werde meine Mutter umbringen.“

„Wenn jemand fragt – ich habe versucht, es dir auszureden. Aber … wann?“

Sie verdrehte die Augen, um ihn wissen zu lassen, dass es nicht der richtige Zeitpunkt war, um Witze zu machen. Fast entschied sie, die Nachricht zu ignorieren, schließlich hatte sie schon genug, um das sie sich Sorgen machen musste. Aber sie wusste, dass ihre Mutter ihr so lange schreiben würde, bis Mackenzie schließlich nachgab. Außerdem bestand die geringe Chance, dass sie eine legitime Frage zu Kevins Bedürfnissen hatte.

Sie rief ihre Mutter an und drückte ihren Stuhl vom Schreibtisch weg. Selbst der geringe Abstand zwischen Arbeit und Zuhause half ihr dabei, in ihre Mutterrolle zu schlüpfen.

Sie war nicht überrascht, dass Patricia White sofort abnahm. Ihre Stimme klang gedämpft. Mackenzie malte sich aus, wie sie sich in Ellingtons Arbeitszimmer oder das Gästezimmer verkrochen hatte, damit Frances sie nicht hören konnte.

„Danke, dass du anrufst“, sagte Patricia.

„Ist mit Kevin alles in Ordnung?“

„Ja.“

„Ist die Wohnung intakt?“

„Na … natürlich. Mackenzie …“

„Was ist es dann, Mom?“

Am anderen Ende der Leitung blieb es kurz still, dann wurde das Schweigen vom verletzten Ton ihrer Mutter gebrochen. „Ich verstehe es einfach nicht. Wir hatten gestern einen so schönen Nachmittag. Wir haben uns gut verstanden, lecker gegessen und ich hatte das Gefühl, dass wir beide uns irgendwie wiedergefunden haben.“

„Das dachte ich auch. Aber es ist das zweite Mal, dass du mich anrufst, während ich arbeite. Und ich schwöre, wenn du wieder lediglich über Frances ablästern willst, dann …“

„Na, was soll ich denn machen? Sie untergräbt mich die ganze Zeit. Und es ist ja schon schlimm genug, dass Kevin sie bevorzugt …“

„Er bevorzugt sie, weil sie ihm vertraut ist. Mom, bist du sicher, dass sie dich untergräbt oder gibt sie dir lediglich ein paar Anhaltspunkte, wie man ein Kind zufriedenstellen kann, das sie besser kennt?“

„Vielleicht war das ein Fehler.“

„Was? Dein Enkelkind kennen zu lernen?“

„Teilweise. Aber nicht nur. Es ist einfach …“

Mackenzie hatte kein Mitleid mit ihrer Mutter. Überhaupt nicht. Aber sie wusste auch, dass es möglicherweise kein Zurück mehr geben würde, sollte ihre Mutter erneut an den dunkeln Ort der schlechten Entscheidungen zurückkehren, der ihr Leben seit einem Jahrzehnt kontrolliert hatte. Sie befand sich in einem Dilemma: Sollte sie ihrer Mutter sagen, was sie hören musste? Oder sollte sie sie befriedigen?

So sehr Mackenzie es auch verabscheute, nahm sie an, sie wohl befriedigen zu müssen.

„Mom. Ich werde dich um einen Gefallen bitten. Bitte bleibe und halte durch, bis wir zurück sind. Weißt du was? Tu es nicht für mich, sondern für Kevin. Willst du, dass er dich kennenlernt? Dann bleibe in seine Nähe. Gib ihm einen Grund, sich an dich zu erinnern.“

Ein nervöses Kichern ertönte am anderen Ende der Leitung. „Du hast recht“, sagte sie. „Es wäre dumm von mir, herzufliegen und wegen einer Kleinigkeit aufzugeben und ins Hotel zurückzukehren.“

„Das hast du gesagt, nicht ich.“

Vorher Schadet Er

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