Читать книгу Phineas - Bibbidy Bobbidy Booze - Blossom Rydell - Страница 10
ОглавлениеKapitel 8
Phineas öffnete den Reißverschluss, trat ins Kleid und zog es bis über seine Brust nach oben. Durch den figurbetonten Schnitt legte es sich auf einschmeichelnde Weise wie eine zweite Haut an seinen Körper, als er sich die Träger über die Schultern zog. Dabei hielt er die Augen geschlossen und öffnete sie erst in dem Moment, da die Ärmel seine Schultern erreichten und ihn der zarte Stoff der Vorderseite dort berührte, wo die beabsichtigte Trägerin ihre Brüste gehabt hätte.
Dennoch musste er sich eingestehen, dass ihm das Kleid ausgesprochen gut stand, denn ein Teil des Leerraums verschwand, als er mit seinen Armen hinter seinen Rücken griff, um den Reißverschluss nach oben zu ziehen. Doch schnell musste er feststellen, dass es ihm nicht bis ganz hinauf zum Nacken gelingen wollte, wenngleich er diesem sehr nahegekommen war, …
… und mit jedem einzelnen Zipper-Zähnchen fühlte sich sein Leben um einiges seltsamer an als zuvor.
Er wusste, dass die empfundene Wärme, eine rein biologische war. Fast völlig nackt in einem klimatisierten Raum zu stehen, ließ ihn etwas frösteln, weil das nach unten offene Kleid mit seinem Ausschnitt einen Großteil seiner Haut freiließ.
Irgendwie fühlt sich diese Hitze so an, als würde sie aus einem Inneren kommen?, fragte er sich unwillkürlich. Aber kam er nicht dazu der Sache auf den Grund zu gehen, denn jenseits der Tür konnte er Darleens einseitiges Gespräch verfolgen. Vermutlich spricht sie gerade mit jemandem, … oder sie ist schlicht durchgeknallt! Er ließ die Antwort darauf offen und wandte sich dem Schrank zu.
Accessoires, das war das Wort, welches sie benutzt hat, dachte er still. Der Schrank selbst zeigte viele leere Regalböden, abgesehen von einigen Kisten, die mit Hinweise wie ›Weihnachten‹ oder ›Brettspiele‹ versehen waren – Worte, die sie seitlich in großen Blockbuchstaben mit Filzschreibern in verschiedenen Farben daraufgeschrieben hatte.
Tief in sich hoffte er, dass er vielleicht einen Hausanzug oder ähnliches finden würde, den er als Alternative zum Kleid anziehen konnte. Aber er hatte kein Glück – denn auch daran schien sie im Vorfeld gedacht zu haben.
Seufzend legte er eine Hand auf die Kommode in der Ecke des Raumes und zog die oberste Schublade auf, worauf ihm Einiges an Schmuck entgegenkam, der im Licht kräftig funkelte. Er identifizierte zahlreiche Armreifen, Halsketten und Ohrringe, die alle hübsch sorgsam, in ihren unterteilenden Fächern lagen. Seine Hand ruckte bereits, als ob sie die Lade wieder schließen wollte, nur um sie dann doch geöffnet zu lassen …
Ich habe keine Angst vor Schmuck, dachte er sich und stöhnte innerlich darüber, wie scheußlich er sich verhalten hatte. Warum sollte ich auch, wo ich eh schon ein Kleid trage, nicht wahr? … Es stimmt ja irgendwie. Ich habe mich mit Darleens Therapie einverstanden erklärt, und jetzt liegt es an mir.
Dennoch fragte er sich, warum er sich umziehen sollte. Warum es ihr so wichtig war, dass er während eines Gesprächs mit ihr ein Kleid trug. Aber es gelang ihm nicht, der dahinter verborgenen Intention auf die Schliche zu kommen – konnte sich die Gründe immer noch nicht vorstellen, und auch nicht, warum sie die Accessoires überhaupt erwähnt hatte. Doch ihr dünnes kleines Grinsen war ihm gut in Erinnerung geblieben, so wie ein eigenwilliger, aber absichtlicher Kommentar eines geschäftlichen Mitbewerbers, der sich in seinem Kopf festgesetzt hatte.
Allerdings konnte und wollte er keine Ohrringe anziehen, zumal seine Ohrläppchen ja nicht einmal durchstochen waren. Und die Halsketten – einige mit Perlen und Anhängern versehen oder schlichte dünne aus Gold – erschienen ihm teils als zu protzig, sodass er sie ignorierte. Die Armreifen bildeten für ihn einen perfekten Mittelweg zwischen ›Ich trage auf keinen Fall femininen Schmuck‹ und ›Okay, den wird kaum jemand wirklich bemerken‹. Wenn ich mit einem davon in den Salon zurückkehre, wird es Darleen vielleicht für einen Moment irritieren und ich gewinne ausreichend Zeit, mir meinen nächsten Schritt zu überlegen, dachte er still.
Also nahm er ein Damenarmband in Sterlingsilber heraus und schob es sich über sein Handgelenk. Dann schloss er die Schublade wieder und ließ den restlichen Schmuck unbeachtet …
… vorläufig!
»Wann immer du bereit bist, Phineas«, ließ ihn Darleen wissen, begleitet von einem leichten Klopfen an die Schlafzimmertür.
Ihre Stimme schreckte ihn aus all seinen widersprüchlichen Gedanken auf, während er sich ruckartig der schicksalshaften Tür zuwandte und sich fragte, ob sie die Klinke nun drücken und eintreten würde. Als sie es nicht tat und er ihre sich entfernenden, sanften Schritte vernahm, atmete er unwillkürlich erleichtert auf. Er wagte einen letzten Scan der Kommode und des Schranks, betrachtete den Inhalt und schaute dabei auf seine Füße hinunter.
Die schwarzen Socken passten bemerkenswert zum Design seines Kleides. Soweit er das beurteilen konnte, trug keine Frau ein Midi-Kleid wie dieses mit Socken, die ihr bis zur Hälfte des Schienbeins reichten – denn das Kleid erreichte tatsächlich kaum seine Knie. Es erschien ihm also als unvermeidlich, dass seine Beine nackt bleiben würden. Frauen dürften das Ganze wohl mit ein paar High Heels kombinieren, überlegte er. Zumindest wenn sie Absätze lieben sind hohe Hacken die Regel, wenn nicht gar Gesetz.
Phineas hatte nie zuvor Absätze getragen und eine Demütigung beim ›Cross-Dressing‹ pro Tag schien ihm mehr als ausreichend zu sein. Anstelle von High Heels entschied er sich für ein Paar schwarzer ›Mary Janes‹ mit deutlich niedrigeren Absätzen, die zwischen zwei Paar roter und weißer High Heels standen. Und als er seine Socken auszog und seine kleinen Füße in die Mädchenschuhe steckte, während er auf der Kante des Gästebettes saß, fragte er sich, warum überhaupt Schuhe in seiner Größe im Schrank zu finden waren. »Die hat Darleen vermutlich ganz bewusst für mich dort hingestellt«, murmelte er, sich seine Frage selbst beantwortend, leise vor sich hin.
Als er in die eleganten Schuhe mit dem T-Steg auf dem Fußrücken geschlüpft war, bemerkte er, wie er mit seiner rechten Hand ungewollt an seinem Armreif herumfummelte – und spürte, dass es für ihn zu einer kleinen Spielerei werden würde, mit der er seine Anspannung etwas lindern konnte.
Er hob seine Füße vom Boden, streckte seine Beine aus und bemerkte, dass seine Socken, die er achtlos auf den Boden hatte fallen lassen, an seinem Schienbein einen horizontalen Abdruck hinterlassen hatten – genau dort, wo deren Gummizug gewesen war. Es war ein beklagenswerter Anblick, wenn er bedachte, wie schön seine schlanken, natürlich glatten Beine dem weichfließenden, rosafarbenen Stoff des Kleides entgegenkamen. So schlecht sieht meine untere Hälfte eigentlich gar nicht aus, dachte er still, ehe er sich erhob, um ins angrenzende Badezimmer zu huschen.
Die in Grüntönen gehaltenen maritimen Muschelfliesen bildeten mit den auf Regalen gefalteten Handtücher ein wundervolles Strandthema – gepaart mit dem beruhigenden Aroma des Diffusors. Aber er hatte das Bad nicht betreten, um dessen heimeliges Design zu genießen oder gar dessen Toilette zu benutzen. Alles was ihn interessierte war, einen Blick in den großen ovalen Spiegel zu werfen.
Um das glamouröse Design des Spiegels besser zum Ausdruck zu bringen, war er etwas tiefer an der Wand angebracht worden, sodass er sein Gesicht in der reflektierenden Oberfläche nicht gänzlich sehen konnte – beziehungsweise nur, wenn er dazu etwas in die Knie ging oder sich nach vorne neigte.
Aber wozu sollte ich das tun?, fragte er sich. Ich weiß ja, wie ich aussehe.
Es reichte ihm völlig aus, dass er vom Nacken abwärts den Körper einer Frau erkennen konnte – schlanke Arme neben einem taillierten Kleid, wobei der Armreif am tiefsten Punkt des Spiegels funkelte.
Mädchenhaft drehte er sich erst leicht nach links und dann nach rechts herum. Nichts dabei schrie wirklich: »Männlich!« Wenn das ein Foto wäre, so ging es ihm durch den Kopf, würde ich bezweifeln, dass mich irgendjemand als etwas Anderes und nicht als ›Mädchen‹ sehen würde … zumindest vom an Hals abwärts und natürlich nur von der Erscheinung her. Ungewollt musste er grinsen als ihm bewusstwurde, dass er sich in diesem Moment tatsächlich wie ein Mädchen fühlte …