Читать книгу Phineas - Bibbidy Bobbidy Booze - Blossom Rydell - Страница 6
ОглавлениеKapitel 4
Im Grunde genommen hatte Phineas mit dem Aufsichtsrat Probleme, seit er die erste E-Mail gesendet hatte – spätestens aber seit dem Samstag, an dem alle mit einem alarmierenden Ping auf ihren Smartphones und einem heftigen Stich in ihren Herzen aufgewacht waren. Der Aktienkurs hatte sich erholt und wieder dem Preis vor dem Crash genähert, was ihm ein wenig Zeit und Luft zum Atmen verschaffte.
Die fünf Mitglieder des Vorstandes wussten, dass er über die Fähigkeiten verfügte, dieses Unternehmen zu leiten und auch um sein gutes Netzwerk in der Schifffahrtsbranche – Verbindungen, die, ganz unabhängig davon, welches Start-Up oder welches Unternehmen mit ihnen zusammenarbeitete, sicherstellten, wie ihre Produktion und somit der Umsatz gesteigert werden konnte. Ihm war klar, dass die Suche nach einem neuen CEO Monate andauern würde – ein Zeitraum, in dem sein Nachfolger das ganze Unternehmen lahmlegen konnte, ja, es vermutlich sogar würde.
Er hatte alles dazu getan, um seine Position zu halten. Inzwischen räumten sogar die Vorstandsmitglieder, die ihn lieber seines Postens enthoben sehen wollten, ein, dass sie ihn dringend brauchten. So dumm die E-Mail auch gewesen sein mochte, in Bezug auf seine Entscheidungen hatte er immer noch eine hervorragende Erfolgsbilanz vorzuweisen – ein regelmäßiger Gewinnzuwachs seit seinem Amtsantritt und absolut keine Beschwerden über sein Verhalten gegenüber weiblichen Mitarbeiterinnen …
… Zumindest nicht bis zum Zeitpunkt dieser verheerenden E-Mail.
Die Firma zu führen war zu seinem Lebensinhalt geworden. Nie hatte er sich Zeit für ein Date genommen und auch nicht gefragt, wie sein persönliches Leben in zehn, zwanzig oder gar dreißig Jahren aussehen könnte. Immerzu gab es irgendwelche Meetings und neue Probleme, die nach einer Lösung verlangten sowie Herausforderungen, die von ihm angegangen sein wollten. Mit Haut und Haar hatte er sich der Company verschrieben, immer sein Bestes gegeben, und alles Sonstige darüber hintenangestellt.
Und jetzt werden sie alles daransetzen, mich zu feuern, ging es ihm wehmütig durch den Kopf. Es sei denn, ich kann sie eines anderen überzeugen.
Er erwartete, dass ihm ein konzentrierter, heftiger Windstoß entgegenwehen würde, sobald er durch die breite Doppeltür in den Konferenzsaal trat. Doch es kam anders und blieb windstill – ja, die Luft stand förmlich im Raum, vom Licht erwärmt, das durch die raumhohen Fenster am Ende des Saals fiel.
Nicholas Clearwater saß den Fenstern am nächsten, während sich die drei weiblichen Mitglieder des Vorstands etwas abseits von ihm niedergelassen hatten.
Nicholas' stählerner Gesichtsausdruck war weniger Besorgnis erregend. Aber die kurzen Blicke der Frauen zeigten ihm mehr als deutlich, wen er gleich von sich überzeugen musste. Denn er wusste: wären allein sie ausschlaggebend, hätten sie ihm den dünnen Ast auf dem er bereits saß direkt abgesägt und er wäre weg vom Fenster gewesen. Seine Position war bislang nur dank Christopher Davenports Intervention ungefährdet geblieben.
»Schön Sie zu sehen, Phineas«, begrüßte ihn dieser. »Bitte nehmen Sie Platz.«
Wie er es erwartet hatte, war für ihn im Voraus eine Sitzgelegenheit vorbereitet worden – ein schlichter, metallener Klappstuhl, der einen krassen Gegensatz zu den robusten, super bequemen ›Made in Germany‹ gefertigten Bürostühlen stand, die den anderen vorbehalten waren.
»Ist es wohl möglich, die Klimaanlagen einzuschalten?«, erkundigte er sich mit einem höflichen Grinsen. Trotz seiner Erfahrung in Sitzungssälen war er ein wenig nervös, als er sich dem Schiedsgericht über sein Schicksal gegenüber niederließ, wobei er nicht noch mehr ins Schwitzen geraten wollte als er es ohnehin bereits tat.
»Die Raumtemperatur ist gut«, bemerkte Maddison Huntington darauf – die neueste Ergänzung im Vorstandsteam – eine attraktive Frau mit viel Branchenerfahrung und einer ausgesprochenen Vorliebe für ärmellose Blusen. Sie trug einen knielangen Rock, der sie kaum vor der Kälte schützte und hatte ihre Knöchel unter dem Tisch gekreuzt.
Nicholas und Christopher trugen Anzüge wie er selbst und schafften es cool zu bleiben, während er sich mit dem Ärmel schnell das Gesicht abwischte, indessen er mit ernstem Ausdruck solange auf seinem Platz umherrutschte, bis er meinte eine bequeme Position gefunden zu haben.
»Lasst mich direkt festhalten«, begann Nicholas, »dass ich schon immer gegen jedwede Form der Diskriminierung gegen leitende Mitarbeiter unseres Unternehmens gewesen und es auch heute noch bin.« Mit einem festen Nicken seines weißen, bärtigen Kinns ließ er seinen anodynen Kommentar auf alle wirken und sah, in Erwartung ihrer Zustimmung, zu den Frauen hinüber. Als er diese nicht bekam, streckte er seinen Rücken und starrte Phineas an.
Du solltest dich nicht darüber wundern, alter Mann, dachte Phineas bei sich und behielt den beschämten Gesichtsausdruck bei. Sie wissen doch alle, dass du ein Arschloch bist. Während er selbst Nicholas wegen seiner vierzig Jahre im ›Business-to-Business‹-Geschäft anerkannte, hielten ihm die anderen einige seiner inzwischen recht veralteten Vorstellungen vor, an denen er immer noch festhielt.
Phineas erinnerte sich noch gut daran, wie er Nicholas auf behutsame Weise erklärt hatte, warum seine Amtszeit als CEO keine Erweiterung der bereits mehr als ausreichend vorhandenen Fax-Geräte im gesamten Bürokomplex beinhalten würde und sich sagen lassen musste, er solle sich nicht allzu sehr auf die neuen ›unbekannten Technologien‹ verlassen – und dabei unter anderem E-Mails meinte.
Für Phineas waren Männer wie Nicholas wertvolle Berater, auch wenn sie sich mit der Zeit oft hinter neuen Strömungen zurückfielen – wozu für ihn auch neue Bürostrukturen gehörten. Während Nicholas seine Popularität zu steigern versuchte, indem er ihn im Wesentlichen bereits entlassen hatte, hatte sich seine tatsächliche Einstellung gegenüber Frauen und deren Rechte am Arbeitsplatz kein bisschen verändert. Und die Frauen, die mit ihm im Vorstand saßen, wussten deshalb nur zu genau, dass seine Kommentare reine Lippenbekenntnisse waren, und behandelten diese daher auch als solche.
»Christopher?« Maddison sah zu dem im Schatten des Tisches sitzenden Mann hinüber, der sich daraufhin nach vorne neigte und die goldenen Manschettenknöpfe seines ›Button-Down‹-Hemdes im Sonnenlicht funkeln ließ.
»Wenn die Mitglieder des Vorstandes gestatten«, setzte er mit leiser, sonorer Stimme an, »möchte ich eine Alternative zur Entlassung vorschlagen.«
»Angenommen«, erwiderte Ashley Billings, die rothaarige Erbin, die dem Vorstand beigetreten war, nachdem ihr Vater eine große Beteiligung an der Firma übernommen hatte. »Sprechen Sie nur weiter, Christopher.«
Gleich darauf durchschnitt dessen feste, unbeschwerte Stimme den Dunst von Phineas Geist. Er hatte sich bereits überlegt, wie er jedes einzelne Mitglied des Vorstandes auf seine Seite bringen konnte, da sowohl Nicholas, Maddison, Ashley als auch Stephanie ihre individuellen Wünsche hatten. Alle hatten Wünsche, er selbst ja auch, und es war an ihm diese herauszufinden – zumindest einen davon. Nur bot Christopher diesbezüglich kein leichtes Ziel, denn soweit er es beurteilen konnte, besaß der Mann bereits alles. Seine Kaffeefirma ›One-More-Cup‹ hatte enorm an Popularität gewonnen und mit Hilfe der Company schnell eine globale Kundschaft erreicht. Im Gegenzug hatte ihnen Christopher einen erstklassigen Zugang zur Londoner Prominenz und deren bevorzugten Anliegen verschafft, was der Firma eine großartige Option für gezielte Direktwerbung bedeutete.
Christopher führte ein erfolgreiches Geschäft, verkehrte mit der ›High Society‹ und nannte eine umwerfende, wunderschöne Frau sein eigen. Wenn er ihn nicht gerade mit etwas erpressen konnte, besaß er nichts, was er ihm anbieten konnte. Also war alles was ihm in diesem Fall blieb abwarten und sehen welche ›Alternative‹ der Mann dem Vorstand anzubieten hatte. »Ich bin ganz Ohr«, ließ er ihn wissen.
Christopher nickte einmal kurz und faltete auf dem Tisch seine Hände. »Was Sie getan haben, war eine ernste Beleidigung. Ich glaube auch nicht, dass hier jemand anwesend ist, der das anders sieht. Wir akzeptieren Ihre Entschuldigung zwar als aufrichtig, aber …«
An dieser Stelle hüstelte Maddison verhalten.
»… wir glauben nicht, dass Sie genau verstanden haben, warum sich unsere Mitarbeiter so betroffen fühlen. Ohne dieses Verständnis hat der Vorstand jedoch nicht das Gefühl, dass wir noch an der alten Vereinbarung festhalten können.«
Na, großartig, dachte Phineas. Läuft das jetzt auf eine weitere Entschuldigungstour hinaus? »Was soll ich darauf sagen?«, setzte er in bereuendem Tonfall an. »Ich habe mein aufrichtiges Bedauern bereits mit Worten zum Ausdruck gebracht.« Er versuchte nicht zu seufzen, angesichts seiner Lage, sich quasi erneut dafür verantworten zu müssen. »Wie ich bereits durch meine Buchhalterin bestätigt habe, werde ich eine nicht unerhebliche Spende an den ›Women-in-Workplace-Fund‹ und neue Verhaltens-Richtlinien einführen ...«
»Das alles sei unbenommen …«, unterbrach ihn Maddison einwerfend.
Phineas war es egal, ja, sogar ganz recht, denn so würde er die Litanei darüber, was er getan hatte oder nun zu tun gedachte, deutlich schneller hinter sich bringen.
»… es macht aber nicht wett, worauf Christopher gerade hingewiesen hat. Mir scheint, dass es Sie nicht wirklich interessiert, was uns anbelangt.«
»Ich war dem Vorstand gegenüber immer offen und für jede Anfrage verfügbar«, erwiderte Phineas.
»Maddison meinte das Uns nicht in Bezug auf den Vorstand«, erklärte Stephanie korrigierend.
»Sie meinte uns Frauen«, ergänzte Ashley.
»Korrekt«, bestätigte Maddison nickend.
»Das stimmt«, fügte Nicholas hinzu, »und obgleich auch ich ein Mann bin, sympathisiere ich sehr mit der weiblichen Belegschaft, die …«
»Geschenkt, Nicholas. Das wurde längst deutlich und zur Kenntnis genommen«, fiel ihm Maddison ins Wort.
An seiner Stelle setzte Christopher ein: »Ich habe dies Problematik bereits eingehend mit meiner Frau, meiner vertrauenswürdigsten Beraterin besprochen. Und wir sind darüber einig geworden, dass dieser Mangel an Verständnis und Vertrauen in der Tat mit einem geeigneten Rehabilitationsprogramm behoben werden könnte.«
Phineas blinzelte. »Sie wollen, dass ich an einer Reha-Maßnahme teilnehme?«
»So kann man es in gewissem Sinne umschreiben, Phineas«, erklärte Christopher mit einem versteckten, aber seltsam süffisanten Grinsen in den Mundwinkeln. »Allerdings spreche ich in diesem Fall nicht von einem erholsamen ›Spa‹-Wochenende oder einigen Stunden auf der bequemen Couch irgendeines Psychiaters. Wir beabsichtigen, diese Arbeit selbst zu übernehmen, auch wenn die Therapie ein wenig experimentell sein dürfte.«
Phineas musste über die Bemerkung eines ›Spa-Wochenendes‹ innerlich lachen. In London war die Art von Reha-Zentren, auf die sich Christopher bezog, tatsächlich eher Orte der Erholung für Prominente mit schlechter Presse, die sich reinzuwaschen suchten, indem sie die eine oder andere Sucht vortäuschten. Er hatte aber weder getrunken noch irgendwelche Drogen zu sich genommen, so dass diesbezüglich zumindest für ihn keine Chance bestand. »Ich bin bereit, alles zu tun, was nötig ist«, räumte er leichthin ein und lächelte, trotz Maddisons und Stephanies skeptischen Blicken.
»Wenn Christopher der Auffassung ist«, Ashley wandte sich Nicholas zu, der neben ihr saß, »dass diese Therapie funktioniert, bin ich geneigt, seinen Plan zu befürworten.«
»Wenngleich ich anmerke möchte, dass ich meine Vorbehalte habe, werde ich mich dem anschließen«, erklärte Maddison.
»Einverstanden«, nickte Ashley, indessen Nicholas nur ein leises Grunzen von sich gab.
»Nun, dann liegt es an Ihnen, Christopher«, stellte Ashley im Namen aller fest. »Wenn Sie wirklich bereit sind, sich der Sache anzunehmen, sich anzustrengen und tatsächlich eine Verhaltensänderung herbeiführen können … Nun, dann werde ich Ihnen die Finanzierung für einen dreimonatigen Aufenthalt in der ›Nova Attitude Foundation‹ zur Verfügung stellen.«
Phineas hatte noch nie von der ›Nova Attitude Foundation‹ gehört. Aber das überraschte ihn nicht wirklich, denn in London hatten so einige Unternehmer ihre privaten Projekte oder Stiftungen. Er vermutete, dass die Einrichtung etwas mit seinen Freunden in der ›High Society‹ zu tun hatte – und dass es, trotz seiner Worte eher einem ›Spa-Wochende‹ glich.
Ein Vierteljahr erschien ihm keine allzu lange Zeit zu sein, um leckere Smoothies zu trinken und in einer Therme zu meditieren. In gewisser Weise macht es sogar Sinn, ging es ihm durch den Kopf. Ich werde von ihnen für eine Weile aus dem Rampenlicht gehalten und wenn sich alles beruhigt hat, setzen sie mich wieder hinter meinen CEO-Schreibtisch … Alles in allem nichts wofür ich mich freiwillig gemeldet hätte, aber deutlich besser als alles zu verlieren. »Was soll ich sagen? … Ich bin einverstanden« Er schlug leicht mit den Händen auf seine Schenkel. »Was auch immer es verlangt. Ich bin bereit, an der Maßnahme teilzunehmen.«
Die Frauen des Vorstandes sahen Christopher an, der mit nachdenklichem Blick über Phineas‘ direkte Zustimmung nachdachte. »Ich bin sicher, meine Frau wird Ihnen gerne dabei behilflich sein, die Dinge einmal aus der Perspektive einer Frau zu sehen«, ließ er ihn nach einer gefühlten Ewigkeit wissen.
Die kryptischen Worte waren für Phineas schwer zu deuten, weshalb für ihn weiterhin unklar blieb, was genau Christopher meinte und sich für ihn nun ändern würde …