Читать книгу Der Mord in Harpsund - Bo Balderson - Страница 8
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ОглавлениеDoktor Tomander, ein sympathischer, grauhaariger Mann, traf nur wenige Minuten später unter liebenswürdigem Räuspern ein, untersuchte seinen Patienten ein letztes Mal und verschwand unter zunehmend nervöserem Räuspern, nachdem er konstatiert hatte, daß es sich hier vermutlich um einen Fall für die Polizei handelte.
»Ist im Verlauf der vergangenen Nacht gestorben, möchte ich vermuten. Seltsam, sehr seltsam, ich habe immer geglaubt, er würde neunzig werden. Sonst immer gesund wie ein Fisch, ährrm, im Wasser. Habe ihn dreißig Jahre lang als Patienten gehabt, habe ihn erst letzten Donnerstag gründlich untersucht. Kern-, ährrm, gesund. Leichter, zarter Körperbau, wunderbarer Blutdruck, prima Herz. Das Arzneiglas? Ja, seit vielen Jahren hat er die Angewohnheit, zur Nacht zwei Kapseln Schlafmittel zu nehmen. Ganz, ährrm, ungefährliche Angewohnheit in seinem Alter. Gewohnheitsmensch von Natur aus. Die Todesursache, ährrm?«
Doktor Tomander hatte sich vorgebeugt und schnupperte oberhalb des verfärbten, fleckigen Halsbündchens.
»Zwiebel, ährrm, es riecht nach Zwiebel ... Hat er gestern Hackbraten oder etwas anderes mit Zwiebel gegessen? Nein, ährrm? Und das hier ist Blut? Nein, er ist bestimmt im Schlaf gestorben, an Erbrochenem erstickt, ganz sicher. Möglich, daß ihm etwas, ährrm, Unbekömmliches verabreicht wurde, etwas, ährrm, sehr Unbekömmliches. Möchte fast Arsen vermuten ...«
Dann hielten Kommissar Svensson und alle seine Mitarbeiter Einzug ins Haus.
Ich selbst hatte mich hinauf aufs Zimmer verzogen, doch der Staatsminister blieb noch unten. Nach einer Stunde kam er indessen hereingestürmt und setzte vor Aufregung glühend zu einem verworrenen Vortrag an.
»Der Gerichtsmediziner sagt auch, es kann eine Arsenvergiftung sein! Aber um sicher zu gehen, müssen sie natürlich die Leiche obduzieren. Sie schneiden ihn auf und untersuchen den Inhalt von Magen und Darm und ...«
Ich hatte ihn mit einer matten Handbewegung um Mäßigung gebeten.
»Sollte es sich tatsächlich um Arsen handeln, dann muß er es gestern abend sehr spät zu sich genommen haben oder vor Mitternacht, und es kann ein Unfall oder Selbstmord oder Mord sein«, fuhr der Staatsminister begeistert fort. »Ich hoffe ... glaube, es ist Mord! Wie sollte es ein Unfall sein? Es gibt keine Spur von Arsen oder eines anderen Giftes im Zimmer des alten Knaben oder in seiner Toilette, das halten wir für bereits erwiesen. Wir arbeiten ... ja, als Justizminister bin ich doch der Polizeichef, das meiste ist Papierkram und Organisation und so etwas Langweiliges, du weißt schon, da ist Feldforschung einmal ganz angen ... nützlich. Ich habe übrigens einige Beobachtungen gemacht, die ihrer Meinung nach sehr bemerkenswert sind, haben sie gesagt.«
In Gedanken galt mein Mitleid der einheimischen Polizei. Läuft einem der höchste Chef – und was für ein höchster Chef – zwischen den Beinen herum, ist es verständlich und sehr menschlich, wenn ein junger Polizeianwärter versucht, ihm ein paar freundliche Worte zukommen zu lassen, auch wenn er keine andere Entdeckung gemacht hatte als die, daß die Leiche tot ist.
»Und Selbstmord?« überlegte der Staatsminister laut weiter. »Warum hätte er sich das Leben nehmen sollen? Gestern abend hat er schließlich mit einer solchen Begeisterung von seinem Geburtstag gesprochen und daß sein Sohn kommt und war so unglaublich munter und ausgelassen, finde ich. Nein, es muß Mord sein.«
Ich schüttelte eine Herztablette aus meiner Pillendose und schluckte sie. Der Staatsminister schaute interessiert zu, als hoffe er auf einen neuen spannenden Leichnam.
»Und der Mörder muß sich hier im Haus aufhalten. Fenster und Türen sind abgeschlossen und verriegelt gewesen, und wir haben keine fremden Fußabdrücke im Garten gefunden. Und nach dem Regen müßten welche zu finden sein. Ganz ausgezeichnetes Wetter mit Blick auf die Ermittlung.«
Der Staatsminister schaute anerkennend hinaus auf den leichten Nebel vor dem Fenster.
»Meine Theorie ist, jemand von uns hat gestern abend den Inhalt der Kapseln mit dem Schlafmittel gegen Arsen ausgetauscht.«
Ich ertappte mich dabei, wie ich mich heftig fort aus meinem gemütlichen Zimmer sehnte, zurück ins Hotel und zum heiligen Sebastian.
»Sie sind aus Gelatine, diese Dinger, bestehen aus zwei Hülsen, die ineinander geschoben werden. Zieht man sie auseinander, kommt das Schlafpulver zum Vorschein. Man kann es ganz einfach ausschütten und zum Beispiel statt dessen Arsen hineinfüllen und dann die beiden Hälften wieder zu einer Kapsel zusammenschieben, die genauso aussieht wie vorher. Und dann, spät am gestrigen Abend, hat der alte Knabe wie immer seine zwei Kapseln eingenommen. Doch wenigstens eine davon war mit Arsen gefüllt. Er ist eingeschlummert – das Arsen wirkt bestimmt ganz langsam – und ist dann ein paar Stunden später im Schlaf gestorben, vielleicht an Erbrochenem erstickt.«
»Wer war gestern abend hier?« fuhr der Staatsminister in seinem makaberen Monolog fort. »Von dir und mir abgesehen – haben sie dich übrigens verhört? – und Mommy, dann waren da noch der General, der Botschafter und der Apotheker. Der Apotheker ist gegen elf Uhr nach Hause gegangen, und wir anderen haben uns noch bis halb zwölf unterhalten, als der alte Knabe sich noch immer gesund und gut in Form zurückgezogen hat und wir nach oben auf unsere Zimmer gegangen sind. Im Lauf des Abends kann sich jeder von uns ins Schlafzimmer des Fabrikdirektors geschlichen und eine seiner Kapseln geleert und mit Gift wieder gefüllt haben. Wenn mich mein Gedächtnis nicht ganz täuscht, dann hat jeder von uns gestern abend die Gesellschaft einmal verlassen, wenigstens für einige Minuten. Und mehr dürfte wohl ein einigermaßen geschickter Mensch nicht brauchen. Nach Mitternacht ist aus Stockholm der Sohn mit seiner Frau gekommen, Olivia heißt sie, der Name paßt übrigens gut zu ihrer Haut. Scheint verdächtig, laut Plan hätten sie erst heute zur Aufwartung eintreffen sollen. Waren bestimmt noch drinnen bei dem alten Knaben, nachdem er zu Bett gegangen war. Das Gläschen mit dem Schlafmittel auf dem Nachttisch war ganz neu, war gestern von der Apotheke angefertigt worden, und der alte Knabe hatte es gestern nach dem Mittagessen persönlich abgeholt. Warte mal, das bedeutet doch, daß der Mörder nicht unbedingt gestern abend hier im Haus gewesen sein und das Gift gemischt haben muß. Es reicht, wenn er oder sie irgendwann im Lauf des gestrigen Tages Zutritt zum Haus und dem Schlafzimmer gehabt hat ...«
Der Staatsminister kritzelte etwas mit gewichtiger Miene in sein Notizbuch.
»Nimmst du Arsen für Herz oder Gedärme oder so? Ja, ich frage doch bloß, wir müssen schließlich herausfinden, wem das Gift zur Verfügung gestanden hat.«
Um die Aufmerksamkeit von meiner Person abzulenken, erwähnte ich, daß ich vor der Aufwartung auf der Treppe der Schriftstellerin Carlsson begegnet sei. Der Staatsminister machte ein interessiertes Gesicht.
»Ach, wirklich, streunt frei umher? Beweist, daß sie sich hier zu Hause fühlt und ungeniert bewegt. Das müssen wir näher untersuchen.«
»Und wer war das Mädchen, das nach Mommy aus dem Schlafzimmer gelaufen ist?« ergänzte ich.
»Lotta. Hilft Mommy während des Sommers im Haushalt. Liebes, kleines Ding – erst siebzehn Jahre alt. Nein, jetzt muß ich gehen! Finde im Lauf des Tages so viel wie möglich heraus, sprich mit den Verdächtigen und überprüfe Umfeld und Stimmung und so! Vernichte aber keine Spuren!«
Damit zog er seiner Wege, um sich mit den anderen Mitgliedern der Harpsundsliga zu vereinigen, und ich wurde einem sanften Verhör durch einen freundlichen Kommissar unterzogen, der keinen Verdacht gegen mich zu hegen schien.
Die nächste Besucherin war Olivia Lindberg, die sich erkundigte, ob ich nicht mit Tante Mommy und ihr unten zu Mittag essen wolle.
»Wir sind nur zu dritt, mein Mann mußte zur Bank und zum Anwalt und hat in der Küche ein paar belegte Brote gegessen.«
Sie schien ein wenig bedrückt, die Augen flackerten ein bißchen in ihren mandelförmigen Höhlungen, und ich fragte mich, wie ihr Mädchenname sein mochte und ob ich sie vielleicht einmal unterrichtet hatte. Schüler bilden sich oft ein, man würde sich noch nach Jahren an ihre dürftigen Leistungen und mehr oder weniger gemeinen Streiche erinnern, einige glauben sogar, man entsinne sich mit Wut und Rachegelüsten ihrer, und die Stimmung ist in solchen Fällen selten ganz ungezwungen. Mal sehen, ob sie fünfunddreißig ist, dann wäre es Ende der fünfziger Jahre gewesen ... Aber nein, diese Augen hätte ich wiedererkannt! Und dieses Zusammenspiel von Geschmeidigkeit und Kraft in den Bewegungen, dachte ich mir, wie ich so die Treppe hinter ihr hinunterging.
Mommy wartete im Eßzimmer.
Die Tränen und die Aufregung des Morgens hatten sich gelegt; sie schien ruhig und gefaßt. Das Gesicht jedoch, dessen Blässe mich schon am Abend zuvor fasziniert hatte, war weiß wie die Spitzenkrause am Hals.
Wir setzten uns zu Tisch.
Wenn der Tod einen alten Menschen ereilt, kommt er häufig wie ein Freund, und nach den richtigen Worten braucht man nicht lange zu suchen. Ein altes, verbrauchtes Herz versagt, und der gequälte Körper und der gepeinigte Geist kommen zur Ruhe – darin gibt es kein Vertun. Doch hat jemand den Tod gerufen, wurde der Greis des Nachts mit Gift von Menschen, die er geliebt hatte, aus einem Leben ohne Qualen, aus einem Zuhause, das sich auf ein Fest vorbereitete, herausgerissen – dann muß man seine Zunge hüten.
Und die Stille war nicht gerade eine Erleichterung.
Olivia Lindberg fragte mich rasch hintereinander, ob ich Bier oder Wasser wünsche, ob ich vielleicht lieber mit Blick auf den Garten sitzen wolle und ob ich Kasseler äße und als ich ihr geantwortet hatte und von neuem Stille eintrat, erzählte sie, sie habe soeben Tante Mommy berichtet, daß sie und ihr Mann rein zufällig schon am gestrigen Abend in Ädelsta eingetroffen seien.
»Es war schließlich abgemacht, daß wir erst heute kommen.«
Sie hatte eine sonore, angenehme Stimme, doch die Worte strömten ihr schnell, fast beschleunigt aus dem Mund.
»Aber wir sind zum Abendessen in Saltsjöbaden eingeladen gewesen und konnten schon gegen elf los, und da haben wir gedacht, tja, eigentlich war es Ejnars Idee, daß wir genausogut gleich herfahren konnten, dann würden wir bei der morgendlichen Aufwartung dabeisein und hier noch den ganzen Tag vor uns haben. Für Ejnar steht ... für uns steht schließlich oben immer ein Zimmer bereit. Ich bin schnell gefahren, tja, ich bin immer so nervös, wenn ich tatenlos neben Ejnar sitzen muß, und außerdem hatte er einige Gläser getrunken, aber wir sind erst nach zwölf hier angekommen, da waren alle schon im Bett. Wir haben mit Ejnars Schlüssel aufgeschlossen und sind auf leisen Sohlen hineingegangen, um Onkel Adolf nicht aufzuwecken, aber er hat im Bett noch gelesen und uns zu sich gerufen. Er hat sich so gefreut, Ejnar zu sehen. In der Gesellschaft war ich dann wie üblich recht überflüssig, deshalb habe ich ihm nur von der Tür aus zugewinkt und ihn begrüßt, anschließend bin ich hinauf und zu Bett gegangen. Ejnar ist auch nicht so lange geblieben, es war schließlich schon spät, und Onkel Adolf hatte einen anstrengenden Tag vor sich ... Er war bestimmt gesund ... Ejnar konnte ja nicht wissen ...«
Hier verstummte sie, als seien ihr alle Wege versperrt.
Im Verlauf der restlichen Mahlzeit bemühte ich mich, belanglose und neutrale Gesprächsthemen zu finden, doch es glückte mir nie, Olivia ins Gespräch einzubeziehen. Und wenn Mommy angelegentlich Fragen direkt an sie richtete, bekam sie kurze, fast einsilbige Antworten.
In dem Augenblick, da ich Messer und Gabel aus der Hand legte – Mommy hatte nur ein paar Kekse gegessen –, schaute Olivia Lindberg auf ihre Uhr und rief aus: »Ich hätte ja Ejnar vor zehn Minuten an der Bank treffen sollen!«
Dann hauchte sie Mommy einen Kuß auf die Wange, schnell, flüchtig, wie ein Mensch mit Bazillenphobie einen unausweichlichen Hund streichelt, und murmelte ein »Verzeih, liebe Tante« und fehlte bei Kaffee und weiterer Geselligkeit.
Als wir dann allein im dunklen, aber gemütlichen Wohnzimmer saßen und Mommy den Kaffee eingeschenkt hatte, war scheinbar etwas von der angespannten und bedrückenden Atmosphäre verflogen, und sie begann, von sich und den ihren zu erzählen, und ich stellte fest, daß es für sie eine Erleichterung war, darüber sprechen zu können.
»Hätten Sie, Herr Persson, vielleicht lieber eine Tasse Tee gehabt? Ja, aber von Kaffee wird man doch etwas munterer. Wie schade, daß Olivia keine Tasse getrunken hat! Ich frage mich, warum sie so ... Ich bin so traurig, wissen Sie, Herr Persson, ich werde so schwer warm mit ihr. Manchmal scheint sie mir so unnahbar und so ... hart. Aber ich komme ihr bestimmt schrecklich alt vor, und das bin ich ja auch, bald fünfundsiebzig. Und wir haben nicht so oft die Gelegenheit, uns etwas näher kennenzulernen. Es ist erst zwei Jahre her, daß sie und Ejnar geheiratet haben. Nein, sie ist ein Stockholmer Mädchen. Sie haben sich kennengelernt, als Ejnar sich ein Bein gebrochen hatte und in das Krankenhaus eingeliefert wurde, in dem Olivia Krankenschwester war. Und wir, Adolf und ich, haben uns so gefreut und ich, daß Ejnar endlich jemanden gefunden hat, den er liebgewinnen konnte. Aber jetzt finden Sie bestimmt, ich bin eine gemeine, alte Frau, wenn Sie mich so reden hören, aber ich kann nicht finden, daß sie die richtige Ehefrau für Ejnar ist. Über das Verhältnis zwischen Eheleuten können sich Außenstehende kein Urteil erlauben, aber sie ist so ironisch und ... ja, manchmal richtig höhnisch ihm gegenüber und verunsichert ihn, und das ist nicht gut, ganz und gar nicht gut. Wissen Sie, Ejnar ist schon immer ein verunsicherter Mensch gewesen, schon seit seiner frühesten Kindheit. Seine Mutter ist gestorben, als er erst fünfzehn Jahre alt war, und Adolf hat so große Ansprüche an ihn gestellt. Immerzu sollte er der Beste und Fleißigste sein. Manchmal denke ich, er ist Bankdirektor geworden, nur um sich selbst und seinem Vater zu beweisen, daß er tatsächlich etwas leisten kann. Doch im Grunde seines Herzens ist er nach wie vor ein unsicherer und recht schwacher Junge, das ist oft ganz deutlich zu spüren. Aber das hat Adolf ja nie eingesehen. Er hat geglaubt, er sei so, wie er nach außen wirkt: sicher, ruhig und geschäftsmäßig. Olivia ist viel stärker, und sie könnte ihm durchaus das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit geben, das er braucht. Aber sie treibt ihn an, will, daß er eine glänzende Figur macht, sich Auszeichnungen erwirbt und Geld verdient. Und gelingt es ihm nicht immer, dann ist sie gemein und nörgelt an ihm herum, wenn andere es hören, und das finde ich so abscheulich.«
Mommy ließ die große, graue Katze auf ihren Schoß springen, wo sie sich zusammenrollte und einschlief.
»Olivia ist stark«, murmelte sie. »Aber heute war sie nicht wie sonst. Aber das ist wohl niemand von uns, nehme ich an ...«
Ich fragte, ob ihr Bruder jener mittellose Handwerkersohn sei, der im Alter von achtzehn Jahren mit einer bescheidenen Produktion von Wäscheklammern begonnen hatte, die er durch Fleiß und Begabung ausgebaut und in einen geradezu industriellen Betrieb verwandelt hatte, der auf seinem Gebiet zum führendsten im Lande gezählt hatte, als er ihn vor zehn Jahren verkaufte.
Es schien ihr alles andere als schwerzufallen, über ihren Bruder zu sprechen; die Augen strahlten vor Stolz und Bewunderung, und in die Stimme legte sie Gefühl und Lebendigkeit. Sie war wieder glücklich, in der Welt der Vergangenheit.
Doch dann holten sie die Ereignisse des Morgens ein und damit die Tränen.
»Ja, es ist dumm von mir, daß ich weine, aber er war der einzige, den ich hatte, und ich hatte ihn so gern. Ich selbst habe ja nie die Gelegenheit gehabt, zu heiraten und Kinder zu bekommen, dazu ist nie Zeit, wenn man sich um anderer Leute Kinder kümmert, und als Adolf nach Ellas Tod Witwer war und ich hierher gekommen bin, um ihm den Haushalt zu führen, da war ich zu alt, um hier noch richtige Freunde zu finden. Und Ejnar und Olivia haben so viel zu tun und wohnen so weit fort. Und andere nahe Verwandte habe ich nicht. Natürlich konnte Adolf zu anderen unfreundlich und ... hart sein, er war schließlich Geschäftsmann, aber zu mir war er immer so lieb und aufmerksam. Nicht, daß ich ihm in tieferem Sinn so viel bedeutet hätte, er hat schließlich seinen geliebten Ejnar gehabt, aber er war es gewohnt, daß ich da war, und es war ihm sehr recht, daß ich mich um die praktischen Dinge kümmerte. Als ich hier eingezogen bin, ja, das ist nun schon dreißig Jahre her, da hat er gesagt, ich solle das Haus hier als mein eigenes Heim betrachten und in allem nach meinem Gutdünken schalten und walten. Und das habe ich während all der Jahre auch getan. Und heute abend hätte ich wie immer als Gastgeberin am Tisch gesessen, ja, damit hat es mein Bruder ganz genau genommen. Nicht, daß wir so oft Abendessen geben würden, Adolf und ich haben einige Bekannte, und wir machen es gern.«
Sie streichelte den glänzend grauen Pelz.
»Aber was sitzt Frauchen hier rum und redet, und du hast dein Futter noch nicht bekommen, meine keine Missan! Und Pelleman, der Ärmste, liegt natürlich in der Küche und wartet vor dem Freßnapf. Ja, ja, es kommt jetzt viel Arbeit auf uns zu. Aber trotz allem ist es ein Trost zu wissen, daß ich alle Hände voll zu tun haben werde, bis ... bis die Beerdigung vorbei ist. Und verzeihen Sie mir, lieber Herr Persson, daß ich so viele Dinge erzählt habe, die Sie bestimmt nicht interessieren, aber es ist eine solche Erleichterung, sich an so einem Tag die Dinge von der Seele reden zu dürfen.«
Sie war aufgestanden und begann die Tassen zusammenzustellen.
»Ja, mein Junge war so lieb und hat sich angeboten, noch ein paar Tage hier zu wohnen, und ich hoffe natürlich, Sie auch. Ejnar und Olivia fahren schon morgen nach Stockholm zurück, er hat so viele Geschäfte zu tätigen, dafür muß man Verständnis haben, dennoch wird es schwer werden, diese Tage ganz allein hier zu sein. Ich habe natürlich Lotta, das Mädchen, das mir im Haushalt hilft, aber sie ist ja noch ein Kind.«
Mit gemischten Gefühlen versprach ich zu bleiben.