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Letzter Schultag

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Es war Juli geworden und Zeit für die Sommerferien. Wie so oft am letzten Schultag schien die Sonne, und an dem frühsommerblauen Himmel war kaum ein Wölkchen zu entdecken. In dem kleinen Schulgebäude in Ursvik, einem Ortsteil der Stadt Sundbyberg in der Nähe von Stockholm, stand die Klasse neben dem Lehrerpult aufgereiht und sang den stolzen Eltern vor. Andy in der ersten Reihe, einer der kleinsten der Klasse, schaute zu den Eltern hinten im Klassenzimmer. Die Mütter und die Väter waren gut angezogen und hatten wahrscheinlich, genau wie Andys Eltern auch, den ganzen Morgen damit gekämpft, ihre Kleider genauso ordentlich herzurichten, wie man es schon mit ihnen vor dreißig Jahren gemacht hatte. Andy sah sie dort an der hinteren Wand stehen, wie sie in ihren hübschen, aber unbequemen Kleidern litten. Die Wimperntusche lief den Müttern die Wange runter, die Väter hatten die Jacketts ausgezogen und standen nun hemdsärmelig da und versuchten, die Schweißflecken zu verbergen.

Alex stand in der Reihe hinter Andy. Seine neugierigen blauen Augen versuchten, gleichzeitig die Eltern und seine Klassenkameraden zu mustern. Er ließ den Blick auf seinem Vater ruhen und sah, wie er mit einem Finger den Krawattenknoten lockerte, während die anderen Finger den obersten Kragenknopf öffneten, in einem verzweifelten Versuch, in der Hitze nicht einzugehen. Alex ließ den Blick weiter über die Elternschar schweifen, bis er seine Mutter fand. Sie schaute ihn mit zusammengekniffenem Mund eindringlich an. Stolz vielleicht und sicherlich auch ängstlich, ob er irgend etwas anstellen würde. Er nahm sich wohl am besten zusammen! Nach diesem Schultag gab es ja zwei Monate Ferien, um den Schaden wettzumachen. Während Alex’ Augen sich mit den Erwachsenen beschäftigten, waren die Ohren voll dabei, auf das Lied zu lauschen, das die Klasse gerade sang. „Das Sommerlied“ aus „Michel von Lönneberga“. Am lautesten und am schlimmsten war Andys Stimme herauszuhören. Alex schaute seinen Freund mit den kurzgeschorenen Haaren und dem fröhlichen, kugelrunden Gesicht an. Andy war so aufs Singen konzentriert, daß sich sein ganzer Oberkörper nach vorne beugte. Die Lehrerin Anna-Lisa hatte schon einige Male versucht, ihn bezüglich der Lautstärke etwas zu bremsen, aber niemand konnte Andy Berg zurückhalten, wenn es ums Singen ging. Er sang wirklich gern und genoß es, auch wenn er ab und zu den falschen Ton erwischte. Alex und Andy machten zwei Drittel der Drei Asse aus, eines Trios, das füreinander durch dick und dünn ging. Das dritte Mitglied der Bande war Katharina, die in einem angrenzenden Ortsteil wohnte und in ihrer Schule zur gleichen Zeit ebenfalls den letzten Schultag beging. Katharina war Alex’ Kusine, aber das war nicht der Grund, warum sie den drei Assen angehören durfte. Nein, ausschlaggebend dafür war ihre Fähigkeit schneller zu laufen, weiter zu springen und höher zu klettern als irgendein Gleichaltriger, egal ob Junge oder Mädchen. Katharina war gelenkig wie ein Affe, und das machte auch auf die Jungen Eindruck, die sonst Mädchen mit einer Mischung aus Neugier und Mißtrauen anschauten. Der Name Katharina war ihr lange schon eine Belastung gewesen; gehörte man nun einmal zu den Drei Assen, müßte der Name auch mit „A“ anfangen. Ihr Nachname wurde jedoch die Rettung, – sie hieß nämlich Assemann. Die Clique hatte einfach den Namen Katharina abgeschafft, und sie lief seitdem unter der Bezeichnung Assemann. Sie hatte sogar ihren Lehrer dazugebracht, sie mit Assemann anzureden, indem sie sich einen ganzen Monat lang weigerte zu antworten, wenn er sie Katharina nannte.

Alex, Andy und Assemann, das waren die Drei Asse.

Der Gesang war zu Ende, und Andy sah seine Lehrerin Anna-Lisa hervortreten, um sich für ein wunderschönes Schuljahr zu bedanken. Die Kinder in der Klasse seien fantastisch gewesen, meinte sie. Anscheinend hatte sie vergessen, daß Andy einen großen Schneeball auf die Lampe über dem Lehrerpult gelegt hatte, der langsam schmolz und tropfte. Sie mußte auch die große Kröte verdrängt haben, die er in ihre Tasche hineingeschmuggelt hatte und die sie an der Bushaltestelle fast zu Tode erschreckt hatte.

Alex dachte an die Ferien. Die Drei Asse würden nur zwei Wochen zusammensein dürfen, dann mußten sie sich trennen. Er selbst würde den Sommer in dem Ferienhaus bei Södertälje verbringen, wo es kaum Kinder gab, geschweige denn Abenteuer. Stattdessen würde er Woche um Woche mit seinem Vater fischen müssen. Alex schaute zu seinem Vater. „Vom Fischen kriegt er wohl nie genug“, dachte der Sohn. Krebse fangen war ja spannend, aber der Rest, alle diese Hechte, Brachsen, Barsche, Rohrkarpfen, Plötzen und Schleien, die nach und nach herausgeholt werden sollten. Erwachsene sind doch recht einseitig, man könnte sie sogar kindisch nennen. Alex mußte lächeln, als er sich seinen Vater so vorstellte. Eines Sommers wird er vielleicht den ganzen See leergefischt haben. Dann würde es vielleicht mit dem Interesse vorbei sein, und Alex könnte etwas mehr Zeit mit den Drei Assen verbringen.

„Und jetzt singen wir zum Abschied noch ein Kirchenlied, und ich hoffe, daß die Eltern auch mitsingen.“

Die Lehrerin setzte sich an die alte und ziemlich wacklige Orgel. Das Klassenzimmer wurde von Musik erfüllt, die Töne strömten durch das offene Fenster in das kleine Villenviertel, über die Hecken von prangendem Flieder.

Die meisten Eltern stimmten in das Lied ein. Aber Andy Bergs Stimme, lauter und schlimmer denn je, übertönte alle. Macht er das mit Fleiß? Nein, Alex konnte keinen Schalk in den wachen Augen seines Freundes entdecken, nur die Freude an seinem Gesang und über die bevorstehenden Ferien.

Andys Vater schaute entschuldigend herum, und viele verschwitzte Eltern lächelten ihm zu. Alex’ fischbegeisterter Vater konnte sich das Lachen kaum verkneifen. Alex dachte an den Abend. Die Drei Asse wollten zum Turmpark radeln und sich ein Open-air-Konzert anhören. Ihre Eltern wollten grillen, und den Drei Assen war versprochen worden, daß sie an diesem ersten Ferienabend lange aufbleiben dürfen. Spät und spaßig sollte es werden.

Das Abenteuer am Wasserturm

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