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Musikdarbietung im Turmpark

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Gegen halb sieben am Abend hatten Alex und Andy ihren Eltern Tschüs gesagt, die mit vollen Weingläsern in den Händen in Andys Garten standen, umgeben vom dicken Rauch des Grills. Ein bißchen weiter weg kniete Andys Vater, fluchte und widmete sich den ziemlich angebrannten Fleischstücken. „Erwachsene und ihre Umgangsformen sind eine Sache für sich“, dachte Alex.

Die Jungen waren nach Ör geradelt, um Assemann abzuholen. Sie wohnte im sechsten Stock eines Hochhauses. Als sie aus der Haustür trat, rief Alex: „Hallo, Assemann! Hast du Geld dabei?“

„Zwanzig Kronen. Das reicht für eine Limo und ein Würstchen.“ Assemann schwang sich auf ihr knallgrünes BMX-Rad. Ihre Mutter war letztes Jahr ganz verzweifelt gewesen, als Assemann beim Fahrradhändler ihr neues, schönes Mädchenrad gegen dieses gebrauchte BMX-Rad umgetauscht hatte.

Jetzt ging es zu den Festivitäten im Turmpark. Der Park hieß so, weil in dessen Mitte auf einer Anhöhe ein fünfundzwanzig Meter hoher Wasserturm stand. Der Turm hatte seit langem seine eigentliche Bedeutung verloren, aber er blieb stehen und war ein Teil des Stadtbildes geworden. Unterhalb des Berges lag ein Spielplatz mit einem Fußballplatz, Schaukeln, Rutschen, Sandkästen und einem Planschbecken. Dort gab es auch eine Bühne und ein kleines Parkcafé, das nur während der Darbietungen geöffnet hatte. Die Drei Asse radelten in vollem Tempo an dem Golfplatz vorbei. Andy führte das Feld an, wurde aber langsamer, als es bergauf ging. Da übernahm Assemann die Führung, und die Clique sauste im Höchsttempo an der Kirche vorbei und den Berg hinauf zum Turmpark. Sie sperrten ihre Räder ab und erreichten die Bühne, gerade als die Darbietungen anfingen.

Es war Wahljahr, und das war vielleicht der Grund, warum der Stadtrat persönlich die Begrüßung übernommen hatte. Er versprach zuerst den obligatorischen gemeinsamen Gesang, dann ein Operetten-Potpourri und zum Schluß eine Popgruppe, eine der Gruppen, der die Stadt ein Lokal für ihre Proben zur Verfügung gestellt hatte. Nun sollte die Gruppe zum ersten Mal vor einem größeren Publikum auftreten. Der Stadtrat Rosenberg war mit dem Rednerpult vertraut und hatte Spaß daran, seine eigene Stimme zu hören, so daß es etwas dauerte, bis das Singen anfangen konnte. Singen gehörte nicht gerade zu Alex’ und Assemanns Lieblingsbeschäftigungen, aber Andy war selbstverständlich Feuer und Flamme und setzte sich in eine der vordersten Reihen. Er bekam auch sofort ein Liederheft vom Kulturassistenten der Stadt, der zufrieden feststellen konnte, daß es sich an diesem ersten Donnerstagskonzert wohl um einen Publikumsrekord handelte.

Das Durchschnittsalter der Zuschauer war ziemlich hoch, und mehr als die Hälfte waren sicherlich Rentner. Außer Andy natürlich. Alex und Assemann gingen zum Ausschank, kauften sich eine Limo und schauten über das Publikum. Vorne rechts sahen sie einen kurzgeschorenen Schädel, der kaum über die Rückenlehne reichte.

„Aber hören kann man ihn bis hierher“, seufzte Assemann.

„Unglaublich!“

„Du hättest ihn heute in der Schule hören sollen“, sagte Alex.

„Man hörte ihn sogar bis zu unserer Schule in Ör“, log Assemann kichernd.

Vorne auf der Bühne stand der Stimmungsmacher, der vor vielen Jahren einmal in einer Rundfunksendung aufgetreten war und seitdem nie vergaß, sich als Star zu bezeichnen. Jahraus, jahrein bemühte er sich, die neuesten Hits anzustimmen und das Publikum bei Laune zu halten. „Stell dir vor, eines Tages, wenn wir so alt sind, sitzen wir vielleicht jeden Donnerstag hier und jodeln irgendwelche Schunkellieder“, sagte Assemann.

„So tief werden wir nie sinken“, meinte Alex. „Aber es soll natürlich tragische Fälle geben, bei denen es schon in jungen Jahren so weit ist.“ Er nickte in Richtung Andy, der sich jetzt bei zwei alten Damen eingehängt hatte und vergnügt hin und her schaukelte.

„Wir müssen ein Ausschlußverfahren gegen ihn einleiten“, stöhnte Assemann.

„Nein, aber wir werden mit ihm einen Arzt aufsuchen. Er muß eine schwere Kindheit gehabt haben, der Arme. Es ist vielleicht auch ganz natürlich, wenn man seit dem Sandkasten nur mit uns beiden zusammengewesen ist.“

„Vielleicht hast du ihn mit der Schaufel gehauen?“

„Und du hast ihn wohl mit Sand beworfen, den Armen.“

„Deshalb sitzt er jetzt hier und lallt, es ist tragisch.“

Sie gingen zu ein paar Birken, die gleich neben dem Ausschank wuchsen und kletterten hinauf. Von dort oben hatten sie eine herrliche Aussicht und konnten das Gedränge der Sundbybergbewohner in ihrer Sommerkleidung betrachten.

Der Gesang war zu Ende, aber auch der folgende Beitrag traf nicht Alex’ und Assemanns Geschmack. Eine kräftig geschminkte Primadonna sang eine Melodie nach der anderen aus Operetten wie der Fledermaus, der Schönen Helena, der Fröhlichen Witwe und wie sie nun alle hießen.

„Wenn sie so gesungen hat, als ihr Alter noch lebte, ist mir schon klar, warum sie Witwe wurde“, seufzte Alex. Das Publikum teilte aber nicht Alex Svenssons Meinung. Man ging mit und stimmte in den Refrain ein. So auch Andy, das konnten seine Freunde deutlich hören.

„Wir tun so, als würden wir ihn nicht kennen, bis die ganzen Leute weg sind“, versprachen sie einander.

Der größte Teil der Zuschauer brach auf, als die Popgruppe die Bühne betrat. Als der Sänger zu dem Mikrophon lief und rief: „Hallo, Hallo, eins, zwei, drei!“ und zwei Gitarristen gleichzeitig die Lautsprecher testeten, begriffen viele der Rentner, was die Uhr geschlagen hatte, und machten sich davon. Die Jüngeren blieben erwartungsvoll sitzen.

Der Stadtrat Rosenberg kam nochmals auf die Bühne und hieß die Gruppe herzlich willkommen. Er fragte, ob sie einen Namen hätte. Ein Mädchen in schwarzer Lederkleidung mit einer Unmenge Metallnieten und mit wilder Frisur trat ans Mikrophon.

„Hallo! Wir nennen uns ‚Katja Kocht die Katze‘.“

Der Stadtrat geriet völlig aus der Fassung und zog sich bleich und still zurück. Gleichzeitig brach das große Geheule los. Die Vibrationen reichten bis zu Alex und Assemann in den Birken. Andy kam herbeigeschlendert, und auch er fand eine Birke, die er hochklettern konnte.

„Wollen wir ihn runterschütteln?“ fragte Assemann.

„Nein, er hat Süßigkeiten gekauft.“

Es war eine imposante Tüte Süßigkeiten, die Andy besorgt hatte, und er warf den beiden anderen ein paar Lakritzmäuschen zu.

„Er hat ja auch seine guten Seiten.“

„Ja, er hat wohl begriffen, daß er uns bestechen muß, um nicht von den Drei Assen ausgeschlossen zu werden.“

‚Katja Kocht die Katze‘ spielte ganz gut, aber schon nach einer halben Stunde gingen der Band die Lieder aus. Die Musiker bedankten sich für den Beifall und fingen an, ihre sieben Sachen zusammenzusuchen. Von dem Stadtrat fehlte jede Spur. Die letzten Zuschauer begaben sich nach Hause.

„Und was machen wir jetzt?“ fragte Andy, während sie von den Birken runterrutschten.

„Wir klettern den Berg zum Wasserturm hoch. Von dort aus hat man eine tolle Aussicht. Man kann sogar den Flugplatz von Bromma sehen.“

Das Abenteuer am Wasserturm

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