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Eine mysteriöse Kiste

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Alle drei waren aufgestanden und versuchten, über den Felsrand zu schauen. Am schwierigsten war es für Andy. Nicht nur, weil er der kürzeste war, sondern weil er keine geeignete Stelle für seine Füße fand.

Der hagere Mann mit der Schirmmütze ging die zehn Meter zum Turm. Er holte einen riesigen Schlüsselbund heraus und fing an, die verschiedenen Schlüssel systematisch am Türschloß auszuprobieren. Es dauerte etwas. Plötzlich fiel der Schlüsselbund zu Boden, und der Mann fluchte: „Mist!“

Er mußte wieder von vorne anfangen. Schließlich gelang es ihm, die Tür vorsichtig zu öffnen. Man sah ihm an, daß er mit dem Ort nicht vertraut war und daß er wahrscheinlich nie vorher in dem Turm gewesen war. Der Rothaarige ging zu seinem Freund. Der Mann mit der Schirmmütze drehte sich zu ihm um:

„Morgen werde ich uns einen eigenen Schlüssel anfertigen lassen, damit wir diese Schererei los sind.“

Er steckte den Schlüsselbund ein.

„Dann tragen wir jetzt die Kiste hinein.“

Der Rothaarige ergriff zum ersten Mal das Wort:

„Den Rest bringe ich morgen.“

Der Mann mit der Schirmmütze ging zum Auto zurück und holte eine Holzkiste, die einen halben Meter lang und fast genau so breit war. Dazu noch eine Taschenlampe. Er machte sie an und ließ den Lichtkegel herumschweifen. Als er sich den Drei Assen näherte, zogen sie schnell ihre Köpfe ein. Der Lichtstrahl flatterte weiter und fand die Turmtür. Mit festen Schritten trugen die Männer die Holzkiste in den Turm und machten die Tür hinter sich zu.

„Alle lernen die Autonummer auswendig“, befahl Alex. „HH FZ 162.“ Nach einigen Minuten kamen die Männer wieder heraus. Der mit der Schirmmütze sperrte ab und probierte ein paar Mal, ob die Tür auch verschlossen war. Dann gingen die zwei Männer auf das Auto zu, bogen aber ab und näherten sich dem Versteck der Drei Asse. Die Drei Asse kauerten sich zusammen und hielten die Luft an.

Genau über ihnen blieben die Männer stehen. Assemann konnte die Schuhspitze des hageren Mannes sehen, und durch die Dunkelheit leuchtete die goldgelbe Glut seiner Zigarette. Er drehte sich zu dem Rothaarigen.

„Der Turm war eine gute Idee für einen sicheren Platz. Hierher kommt abends bestimmt kein Mensch. Du lieferst morgen abend den Rest, und ich bringe das Geld mit. Kannst du mich morgen abend um zehn am Sheraton-Hotel abholen?“

„Klar“, antwortete der Rothaarige. „Da nehme ich mein Auto.“

Der Rothaarige machte eine Pause und schien etwas zu zögern. „Du mußt schon entschuldigen, aber ich bin etwas unruhig. Man wird mich doch nicht hereinlegen, Bremer?“

„Wenn man hunderttausend Kronen verdienen will, muß man es schon in Kauf nehmen, etwas unruhig zu sein“, schnitt ihm der Mann mit der Schirmmütze das Wort ab. Er warf seine Kippe weg, die auf dem Felsblock direkt neben Alex landete.

Die Männer stiegen ins Auto und fuhren rückwärts vom Felsrand weg. Diesmal fuhr der Mann mit der Schirmmütze. Der gelbe Mercedes verschwand in zügigem Tempo den Hang hinunter.

Die Drei Asse krabbelten auf dem Kiesweg zum Turm hinauf. Assemann ging hin und probierte die Tür. Verschlossen. Alex hatte die Kippe gefunden. HB stand in Rot drauf. Es mußte wohl eine ausländische Marke sein. Die Drei Asse verstanden, daß sie auf etwas Mysteriöses und wahrscheinlich Gesetzwidriges gestoßen waren. Sollten sie zur Polizei gehen? Eigentlich hatten sie ja nicht viel vorzubringen. Eine Kippe einer ausländischen Zigarettenmarke und die Autonummer eines deutschen Autos waren alles, womit sie ihren Verdacht begründen konnten. Welchen Verdacht übrigens? Es dürfte ja nicht besonders gesetzwidrig sein, eine Holzkiste in einen alten Wasserturm zu stellen. Eine Sache war allerdings klar wie Kloßbrühe: Am nächsten Abend würden die Drei Asse zur Stelle sein, wenn der Rothaarige und der Mann mit der Schirmmütze wieder aufkreuzten. Denn dann würden sie angeblich noch mehr Kisten und Geld dabeihaben.

„Bremer hieß er“, erinnerte sich Alex. „Dem Auto und dem Akzent nach ist Bremer ein Deutscher und wohnt im Sheraton-Hotel.“

Der Rothaarige hatte nicht allzuviel gesagt, aber er schien Schwede zu sein. Und er hatte etwas zu verkaufen, was ein Vermögen wert war. Etwas, das in eine oder mehrere Holzkisten hineinpaßte. Nun war die Holzkiste im Wasserturm eingesperrt. Würde man in den Turm eindringen und das Geheimnis der Kiste erfahren können? Was war bloß da drin?

„Gold und Juwelen“, schlug Andy vor.

„Vielleicht ein Kunstwerk“, riet Assemann.

Alex sagte nichts, sondern schwieg nur verbissen.

„Ich würde mein Taschengeld von einem ganzen Jahr hergeben, um zu erfahren, was in der Kiste ist“, meinte Andy.

„Tu das bloß nicht“, bat Alex. „Dann kommst du nur zu mir und bettelst.“

Schweigend und in Gedanken vertieft radelten die drei durch die Sommernacht nach Hause.

An der Ampel bei Ör verabschiedeten sich die Jungen von Assemann, fuhren den Radweg weiter und erreichten Ursvik.

Als Andy rechts abbiegen mußte, rief Alex:

„Vergiß nicht, daß die Drei Asse sich morgen früh gegen neun bei mir treffen.“

Andy war wirklich müde, als er sich auszog und die Kleider wie immer auf einen Haufen neben dem Bett fallen ließ. Als er die Tagesdecke zurückzog, rasselten die vielen Metallteile, die über dem Bett verstreut lagen. Er wollte daraus einen Ölturm bauen, aber er hatte noch viel daran zu arbeiten.

Die Eltern waren anscheinend schon ins Bett gegangen. Er beschloß deshalb, das Zähneputzen zu überspringen, und sank ins Bett. Die Hitze und die Erlebnisse des Abends machten es ihm schwer einzuschlafen. Die Gedanken wirbelten durch seinen Kopf: HH FZ 162, Sheraton, die Holzkiste, ein gelber Mercedes, Bremer und zehn Uhr morgen abend. In was für eine Sache waren die Drei Asse da bloß hineingeschlittert?

In Ör, im sechsten Stock eines Hochhauses, war Assemann schon schlafen gegangen. Sie streichelte den Kater Malte, der zu ihr ins Bett gesprungen war und nun dankbar spann.

„Du bist ein feiner Kerl, Malte. Etwas, was man bestimmt nicht von dem Deutschen und dem Rothaarigen behaupten kann.“

Das Abenteuer am Wasserturm

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