Читать книгу Die unglaubliche Geschichte von Hein, Gerda und Henne Helmuth - Bonjacque Werner Leusch - Страница 9

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Die kommende Nacht - Jetzt weiß er’s

Der Wecker schrillte diesmal nicht. Bauer Hein hatte noch kein Auge zugetan. Ganz langsam schob sich Heins Kopf aus der warmen Bettdecke, unter die er sich verkrochen hatte, als er zu Bett ging.

Gerda schnarchte neben ihm ganz ruhig aber dafür umso lauter. „Chrpühhhhh, chchrrrr.“ dann folgte ein kurzes Schmatzen und dann wieder „Chrpühhhhh, chchrrrr“, kein Zweifel, Gerda schlief tief und fest. Ihr geschwollener linker Fuß lugte unter der Bettdecke hervor.

Sie hatten keinen Arzt gerufen. Der hätte eh nur gefragt, wie das denn passiert sei. Geglaubt hätte er die wahre Geschichte bestimmt nicht. Hein hätte Gerda anschließend wohl in die Nervenklinik bringen müssen. Ne, da haben sie den Fuß und besonders den dicken Zeh eben selber versorgt.

Nur Gerdas Po war noch ärger in Mitleidenschaft gezogen worden. Helmuth hatte ganze Arbeit geleistet. Das musste man dem alten Hahn lassen. Gerdas ganzer Po war bedeckt von blauen Flecken und Wunden von Helmuths raketengleichen Angriffen.

Langsam, ganz behutsam, schälte Hein sich schlaftrunken aus dem Bett. Seine Füße fanden sofort die Pantoffeln, die er nur unweit von seinem Nachttopf entfernt abgestellt hatte.

Diesmal ging Hein an der Küche vorbei direkt in den Hof. Kurt ließ nur ein unwilliges Knurren hören, rührte sich jedoch nicht von der Stelle. Neeee, Kurt wollte auf keinen Fall Bekanntschaft mit Raketen-Helmuth machen. Das war klar.

„Dann bleib eben liegen, du feiger Hund“, knurrte Hein.

Langsam, fast geräuschlos, schlich Hein zum Hühnerstall und schaute vorsichtig durch die Ritzen der Holzplanken der nur flüchtig zusammengezimmerten Stallwand.

Der Stall war schwach erleuchtet. Irgendwo in seiner Mitte gab es eine geheimnisvolle Lichtquelle, die den ganzen Stall in ein schimmerndes feuriges Rot tauchte.

Am Rand saß Hertha auf ihrem Gipsei und versuchte, es -wie in all den vergangenen Jahren zuvor- vergebens auszubrüten.

Vor ihr stand Helmuth und schaute Hertha kopfschüttelnd an. „Kannst du mal kurz aufhören mit Brüten, liebste Hertha? Wir brauchen jedes Huhn, sonst ist es bald aus mit uns und auch mit deinem Gipsei.“

Hertha schaute Helmuth böse an.

„Ich meine natürlich, - mit deinem Küken-“, verbesserte sich Helmuth. Hertha bestand darauf, dass irgendwann mal ein Küken aus ihrem Gipsei schlüpfen würde.

Helmuth zog Hertha mit in die Mitte des Hühnerstalls. Jetzt konnte Hein sehen, was den Raum in dieses rote Licht tauchte. In der Mitte vor den Nestern steckte ein Kristall fest im Boden. Von ihm ging ein gleißendes Licht aus, so dass man nicht direkt hinschauen konnte, ohne dass die Augen schmerzten.

Hein hörte, wie Helmuth seine Hühnerschar zum Zuhören aufforderte, denn alle Hühner gackerten wie wild aufgeregt durcheinander.

„Würdet ihr mal bitte aufhören mit dem Gegacker? Ihr benehmt euch ja wie dumme Hühner!“

Ein Aufgackern der Empörung wogte durch den Hühnerstall. Was dachte sich dieser neunmalkluge Hahn eigentlich.

„Meine lieben Hühner, wie wir alle wissen, befinden wir uns in großer Gefahr. Wir wissen das, seit wir denken können. Und denken können wir, seit dieser Kristall uns vor einigen Tagen die Erleuchtung gebracht hat.“

Einige Hühner wurden unruhig. Einige meinten sogar, man solle den Kristall zerstören.

„Wir sollten dieses Teufelsding zerschlagen und seine Splitter ganz tief einscharren im Boden. Er hat uns doch nur die Angst gebracht.“

Einige Hühner gackerten leise Beifall.

„Vorher war es doch viel schöner, als wir nicht wussten, was die Bäuerin mit dem Küchenbeil macht oder was mit unseren Eiern passiert. Lieber dumm sterben als gescheit vor Angst zittern.“

Obwohl einige jetzt noch lauter Beifall gackerten, war das Thema doch sehr schnell vom Tisch, Jetzt, da sie alle denken konnten, war ihnen auch schnell klar geworden, dass die Bedrohung nicht weg wäre, nur weil man aufhören würde zu denken. Und aufhören zu denken wollte eigentlich auch keiner mehr.

Denn mit dem Denken kam auch die Freude. So freute sich Hertha auf ihr Küken. Helmuth war jetzt Raketen-Helmuth und alle fanden ihn ganz besonders toll. Selbst die schüchterne Lisa gefiel sich sehr gut in der Rolle der Taekwondo-Henne.

Jeder hatte gesehen, wie sie ihre Hühnerkrallen gegen Gerda eingesetzt hatte. Gerda hatte jedes Mal besonders laut gekreischt, wenn Taekwondo-Lisa zugetreten hatte.

Und so konnte jede Henne irgendetwas nennen, das sie jetzt besonders stolz und glücklich machte.

„Also, was schlägst du vor?“, meldete sich Rebecca zu Wort.

„Ja, wie soll das denn jetzt weitergehen?“, stimmten die anderen Hühner mit ein.

„Wir müssen hier weg“, sagte Helmuth etwas schwermütig.

„Und wohin sollen wir gehen?“, gab ein eher schüchternes Huhn aus der hintersten Reihe zu bedenken.

„Und wie bitteschön soll das alles gehen?“, fragte Josephine mit schriller Stimme.

Helmuth starrte Josephine tief in die Augen. Schweigen breitete sich aus im Hühnerstall. Sein rechter Flügel zeigte auf etwas im dunklen Eck des Stalls, das Bauer Hein nicht sehen konnte, auch wenn er sich noch so anstrengte.

„Wie das gehen soll? Indem wir das da wieder flott machen!“

Ein ehrfürchtiges Raunen erhob sich, und alle Hühneraugen schauten neugierig auf den Platz im Hühnerstall, der im Dunklen lag und somit verborgen vor den Blicken Heins.

„Und bis dahin, liebe Mithühner“, ergriff Helmuth wieder das Wort. „müssen wir an unserer Verteidigung arbeiten. Denn es ist doch jedem noch so blödem Huhn klar, dass kein Hühnerauge trocken bleiben wird, wenn uns die Bäuerin in den Suppentopf stopft. Schaut nur …!“

Und damit lenkte Helmuth die Blicke auf das Küchenbeil, das noch immer in der Nähe der Stalltür auf dem Boden lag.

Der Anblick ließ die Hühner erschaudern. Nur knapp und unter Einsatz alle Kräfte war es ihnen vor einigen Stunden gelungen, Gerda in die Flucht zu schlagen. Und sie befürchteten, dass Gerda nicht aufgeben würde.

„Denkt an Louise, liebe Hühner! Was ist mit ihr passiert?“

„Sie landete auf dem Grill“, gab jemand aus der zweiten Reihe zur Antwort.

„Und was passierte mit unserem tapferen Rudi, als er die Eier seiner Grete verteidigen wollte?“

„Grill“, kam wieder die Antwort.

„Und die Eier?“

„Pfanne“

„Liebe Hühner, lasst uns kämpfen, damit uns nicht das gleiche Schicksal ereilt wie unsere Freunden.“

Die Hühner jubelten ihrem Superchicken Raketen-Helmuth zu und frenetischer Beifall brach aus. Erst jetzt sah Hein, dass Helmuth einen tiefblauen Umhang trug auf dem in großen Lettern „RH“ (Raketen-Helmuth) geschrieben stand. Die schwarze Maske auf Helmuths Schnabel, die lediglich die zwei roten Hühneraugen freiließ, verlieh Helmuth ein respekteinflößendes Aussehen.

Jetzt war Hein klar, hier ging etwas Sonderbares, ja nahezu Furchtbares vor. Was bedeutete der Kristall? Was wartete im Verborgenen darauf, wieder flott gemacht zu werden, und was war mit seinen lieben dummen Hühnern geschehen? Warum konnten die nicht weiter nach Würmern scharren, wie alle anderen normalen Hühner auch? Fragen über Fragen.

Nervös kroch Hein aus seinem Versteck. Voller Angst, entdeckt zu werden, schlich er zurück ins Haus. Erst als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, war ihm wohler. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals.

Hein konnte erst nicht einschlafen. Er konnte nicht glauben, was er gesehen und gehört hatte, aber irgendwann überwältigte ihn doch der Schlaf und der Traum kam. Ein Traum, so klar und deutlich, als wäre er dabei. Der Kristall: er sah ihn vor sich, hell strahlend, wie er sich den Weg in den Hühnerstall bahnte von weit jenseits der Wolken, jenseits aller bisher bekannten Welten, entsprungen aus dem schwarzen Eierloch, dem Zentrum einer fernen Galaxie.

Die unglaubliche Geschichte von Hein, Gerda und Henne Helmuth

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