Читать книгу Grundlagen des Krankenhausmanagements - Boris Rapp - Страница 7
1.2 Aktuelle und zukünftige Entwicklungen im Krankenhausmarkt
ОглавлениеDie zunehmende Zahl älterer Menschen in Deutschland führt in Zukunft zu steigenden Fallzahlen. Krankenhäuser müssen sich darauf einstellen, künftig im Schnitt ältere und oftmals in einem schlechteren Gesundheitszustand befindliche Patienten zu behandeln. Für die Krankenhauslandschaft bedeutet dies, dass insbesondere in der Versorgung älterer Bevölkerungsteile Wachstumschancen vorhanden sind (z. B. Geriatrie). Zudem muss die Leistungserstellung inhaltlich auf die Anforderungen der älteren, teils multimorbiden Patienten angepasst werden. Vermehrt müssen unterschiedliche Fachdisziplinen koordiniert werden und die pflegerischen Anforderungen steigen.
Der medizinische und medizinisch-technische Fortschritt führt zu einem teils schnellen Veraltern von Wissen und Technik. Gezielte Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen helfen, die Fachkenntnisse der Mitarbeiter auf dem aktuellen Stand zu halten. Technische Entwicklungen verursachen Investitionserfordernisse. Grundsätzlich erhalten Krankenhäuser zwar Investitionszuschüsse durch die Länder, diese sind jedoch oftmals nicht ausreichend, um alle notwendigen Investitionen tätigen zu können.
Kliniken müssen daher einen Teil ihrer Investitionen aus sich heraus finanzieren. Dies ist nur möglich, wenn Krankenhäuser konsequent ihre Produktivität erhöhen. Erschwert wird dieser Umstand dadurch, dass steigende Löhne und wachsender Personalbedarf einen Teil des Produktivitätsfortschritts aufzehren. Unterbleibt eine ausreichende Investition in Wissen und Technik, so entstehen unweigerlich Wettbewerbsnachteile gegenüber Konkurrenten, welche Patientenabwanderungen zur Folge haben.
Krankenhäuser agieren in einem dynamischen Umfeld, in dem sich die Marktbedingungen und der gesetzliche Rahmen stetig ändern. Als Beispiel seien die zahlreichen Gesundheitsreformen der vergangenen Jahre angeführt, die teils zu fundamentalen Änderungen im Krankenhausbereich geführt haben (z. B. Einführung des diagnosebezogenen Fallpauschalensystems). Krankenhäuser haben sich in der Vergangenheit oftmals nur als reaktive Anpasser verhalten, die Änderungen begegnen. Die Dynamik im Umfeld macht es jedoch erforderlich, sich aktiv und vorausschauend strategisch zu positionieren. Die Rahmenbedingungen der Vergangenheit, wie beispielsweise das Selbstkostendeckungsprinzip, welches seit den 1970er Jahren bis Ende 1992 galt, führten im Krankenhauswesen zu einer starken Unterausprägung der an sich notwendigen strategischen Ausrichtung. Selbstkostendeckung bedeutete, dass die Selbstkosten eines sparsam wirtschaftenden Krankenhauses durch die Pflegesätze und die Investitionsfinanzierung der Länder vollständig gedeckt wurden. Anreize zur Kostenoptimierung oder gar zu einer Hinterfragung der gesamten strategischen Grundausrichtung wurden folglich kaum gegeben. Für das Krankenhaus der Zukunft ist die strategische Positionierung der zentrale Erfolgsfaktor. So werden kleine Krankenhäuser nur dann überlebensfähig sein, wenn sie sich auf wenige Leistungen fokussieren und dort als Qualitätsanbieter eine ausreichend große Fallzahl erbringen. Ferner kann die Bildung von regionalen Zentren zur Schwerpunktversorgung bestimmter spezieller Erkrankungen einen Beitrag dazu leisten, diese besser und wirtschaftlicher behandeln zu können.
Zur Bedarfsermittlung, welche die Grundlage eines strategischen Konzepts bildet, müssen Krankenhäuser ihre Patienten, Einweiser, Kostenträger sowie Konkurrenten kennen. Die Analyse des Einzugsgebiets sowie der dort tätigen Akteure gibt Hinweise, bei welchen Leistungen Potenziale für die zukünftige Ausgestaltung des eigenen Leistungsprofils bestehen.
Ein Teil der stationären Leistungen wird perspektivisch durch ambulante Maßnahmen ersetzt werden, sodass ein Teil des Nachfragezuwachses infolge des demografischen Wandels durch die Ambulantisierung kompensiert wird. Krankenhäuser stehen daher vor der Überlegung, wie sie durch einen Einstieg in den ambulanten Bereich diese Verluste ausgleichen können. Medizinische Versorgungszentren und das ambulante Operieren seien an dieser Stelle als Möglichkeiten genannt, ambulant tätig zu werden.
Sektorenübergreifende Versorgungsformen werden weiter an Bedeutung gewinnen. Die Integration der ambulanten und der stationären Versorgung bis hin zur Rehabilitation können zur Kostenreduktion und Qualitätssteigerung führen. Umfangreichere Verhandlungsmöglichkeiten als bisher zwischen den Kostenträgern und den Leistungserbringern können diesen Prozess durch Selektivverträge unterstützen.
Der Faktor »Personal« stellt eine weitere Herausforderung für Krankenhäuser dar. Bereits heute ist es schwierig, qualifiziertes Personal, insbesondere im medizinischen Bereich, zu finden. In der Pflege verschärft sich diese Problematik zusehends. Krankenhäuser stehen im Wettbewerb um die fähigen aktuellen und künftigen Mitarbeiter und müssen sich als attraktiver Arbeitgeber positionieren. Nur so können Mitarbeiter rekrutiert und gebunden werden. Aufgrund des Mangels an qualifiziertem Personal ist davon auszugehen, dass die Löhne vor allem im medizinischen Bereich weiter überproportional steigen. Neben einer angemessenen Bezahlung spielen jedoch auch flexible Arbeitszeiten, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder ein gutes Arbeitsklima eine wichtige Rolle bei der Gewinnung und Bindung von Personal. Ferner gilt es die Problematik der Integration ausländischer Mitarbeiter in den Betrieb zu lösen. Bereits heute sind hauptsächlich im Ärztlichen Dienst Mitarbeiter aus anderen Ländern tätig, bei denen teils Sprachbarrieren bestehen. Folgen sind Kommunikationsschwierigkeiten mit den Patienten oder auch innerhalb der Mitarbeiterschaft. Sprachkurse helfen, diesem Defizit entgegenzuwirken.
Neue Formen der Arbeitsteilung helfen den Mangel an Fachkräften in bestimmten Bereichen teils zu kompensieren. Krankenhäuser müssen sich die Frage stellen, welche Tätigkeiten beispielsweise von Ärzten auf Pflegekräfte delegiert werden sollten oder welche Aufgaben nichtexaminierte Kräfte von examinierten Pflegekräften übernehmen können.
Patienten haben inzwischen eine deutlich höhere Anspruchshaltung als in der Vergangenheit. Ablaufmängel werden nicht mehr klaglos hingenommen, vielmehr erwartet der Patient moderne Technik, hochqualifiziertes Personal und in seinem Sinne organisierte Prozesse. Zu erkennen ist, dass Patienten oder deren Angehörige vor einem Aufenthalt vermehrt gezielt nach Informationen über Leistungsanbieter suchen. Politische Aktivitäten wie beispielsweise die Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Qualitätsberichts, aber auch die umfassenden Informationsmöglichkeiten des Internets, unterstützen sie dabei. Krankenhäuser sollten daher aktiv (z. B. Internet) die gesuchten Informationen anbieten. Signalwirkung hat dem Patienten gegenüber auch eine Zertifizierung, die aus Sicht des Patienten ein Indikator für eine angemessene Leistungserstellung sein kann.
Eine besondere Aufgabe, denen Krankenhäuser sich künftig stellen müssen, ist die Digitalisierung. Die Mitarbeiter erwarten auch in den Kliniken ein zeitgemäßes Arbeitsumfeld. Viele sind inzwischen aus ihrem Privatleben gewohnt, dass Kommunikationsprozesse digitalisiert vonstattengehen und erwarten diese als Vereinfachung empfundenen Abläufe auch im Krankenhaus. Zudem kann etwa durch Kooperationen mit anderen Leistungserbringern in digitalen Konferenzen und Konsilen die Gesamtversorgung verbessert und ein modernes Image aufgebaut werden. Auch Patienten erwarten mehr und mehr ein digitales Umfeld. Ein problemloser Zugang zum Internet oder auch ein elektronischer Arztbrief und digitale Befunde werden künftig vermehrt verlangt. Neben der Kostenfrage, die wegen der erforderlichen Investitionen in die IT-Infrastruktur und den laufenden Betrieb zu beantworten sein wird, stellt auch der Datenschutz diesbezüglich eine Problematik dar, mit der sich die Kliniken auseinandersetzen müssen. Werden Anforderungen der Datensicherheit nicht erfüllt, kann in große Schwierigkeiten geraten. Neben direkten haftungsrechtlichen Folgen können Defizite zu immensen Imageschäden führen.
Erst über den Einsatz von Informationstechnik lassen sich zukunftsfähige Versorgungskonzepte realisieren, die eine wohnortnahe Unterbringung mit der Hinzuziehung von Fachexperten verbinden. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund des Mangels an Medizinern von Bedeutung.
Im Jahr 2004 wurden Fallpauschalen als verpflichtende Abrechnungsgrundlage für die Mehrheit von Krankenhausleistungen eingeführt. Nachdem das System über viele Jahre zwar immer wieder an aktuelle Entwicklungen angepasst wurde – so wurde etwa die Anzahl der DRGs gegenüber den Anfangszeit deutlich erhöht – blieb es bis Ende 2019 im Wesenskern jedoch unverändert. Ab dem Jahr 2020 wurden die Pflegepersonalkosten der Krankenhäuser aus den DRG-Fallpauschalen ausgegliedert. Sie werden nun parallel zu den DRG-Fallpauschalen über ein krankenhausindividuelles Pflegebudget nach dem Selbstkostendeckungsprinzip finanziert. Die Ausgestaltung des neuen Finanzierungsrahmens ab 2020 war durch die gesetzlichen Änderungen im Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) notwendig geworden. Sie ist die zentrale Veränderung des DRG-Systems seit seiner Einführung. Nach schwierigen Verhandlungen wurden der Fallpauschalen-Katalog und erstmalig der Pflegeerlöskatalog für das Jahr 2020 sowie die dazugehörigen Abrechnungsbestimmungen vereinbart. Die DRGs ohne Pflegepersonalkosten firmieren unter »aG-DRG« (»a« steht für »ausgegliedert«). Nach Ausgliederung der Pflegepersonalkosten wird das G-DRG-System jetzt als aG-DRG-System bezeichnet.