Читать книгу Das Wunder der Selbstliebe - Bärbel Mohr - Страница 5
ОглавлениеNo-Aging und
der Untergang der
Selbstliebe
Ein wichtiger Aspekt der Selbstliebe zeigt sich darin, wie wir mit unserem Äußeren umgehen. Ganz im Trend liegen die Model-Shows im TV, nach deren Anschauen sich so manche Zuschauerin noch älter und hässlicher fühlt als zuvor. Werden diese Shows möglicherweise vom Verband der Schönheitschirurgen gesponsert? Laut der Zeitschrift „Focus“ müsse man sich jedenfalls in Zukunft darauf einrichten, im sozialen Aus zu landen, wenn man beim Falten-Wegspritzen, bei Schönheits-OPs und Ähnlichem nicht mitmache. Anti-Aging sei out, No-Aging und Down-Aging dagegen der neue Trend, um sozial akzeptiert zu werden. Brrrr, mir wird schon kalt, wenn ich das nur so knapp wie möglich zusammenfasse. Und ich kann euch sagen, was ich zu tun gedenke: Ich färb mir jetzt die Haare grau – jawohl, jetzt erst recht (halb grau sind sie schon). Und ich gründe einen neuen Verein: „Alt und hässlich? Komm zu uns! Ab 35 Jahren kostenlose Mitgliedschaft mit Grufti-Status.“
Würde ein Mensch, der sich selbst liebt, Schönheitsoperationen vornehmen lassen? Mit Sicherheit zumindest deutlich seltener als ein von Selbstzweifeln und Selbstverurteilungen geplagter Mensch. Ich selbst möchte mich derzeit nicht für meine Schönheit unters Messer legen, unter anderem, weil ich zu eitel dafür bin, jawohl, zu eitel. So hässlich wie man nach multiplen Schönheits-OPs aus der Nähe aussieht, möchte ich einfach nicht aussehen. Auch nicht, wenn man dafür auf stark überbelichteten Fotos aus weiter Ferne ganz toll aussieht.
Vor über 20 Jahren war ich kurze Zeit als Fotoassistentin im Showbusiness tätig und lernte eine der Schwestern von Michael Jackson bei einem Fotoshooting kennen. Zu der Zeit war sie ja noch jung. Aber schon damals überkam einen der Ekel, wenn man näher als fünf Meter an sie rankam. Trotz zentimeterdicker Schminke sah man die Narben im Gesicht an vielen Stellen durchscheinen. Ich würde Alpträume von Dr. Frankenstein & Co. bekommen, wenn ich mich so im Spiegel ansehen müsste.
Eitelkeit ist also der eine Grund, warum ich mir das lieber erspare. Die Narben werden ja im Alter noch deutlicher, und manche ziehen zwangsläufig weitere OPs nach sich. Aber egal, sparen wir uns die Details. Der andere Grund ist die Angst, nicht mehr erkannt zu werden – in meinem Wesen nicht mehr erkannt zu werden, meine ich. Ich glaube an die gezielte Formgebung der Natur, an Physiognomie als Ausdruck der Seele und daran, dass sich Persönlichkeit und Charakter in den Gesichtszügen widerspiegeln. Wenn ich Menschen finden und anziehen möchte, die zu mir passen, so wie ich wirklich bin, dann muss ich auch aussehen wie ich.
Eichhörnchen oder Schwan?
Bildlich ausgedrückt: Wenn ein Eichhörnchen sich umoperieren lässt in einen Schwan, weil das gerade „in“ ist, dann zieht es damit zum einen echte Schwäne auf der Suche nach Artgenossen an und zum anderen Wesen, die gern mit einem Schwan in Kontakt sein möchten. Sämtliche Eichhörnchen dagegen werden sich von ihm abwenden. Ich als Eichhörnchen kann mich so richtig wohl und vertraut aber nur mit anderen Eichhörnchen fühlen. Also wäre ich doch blöd, mich als Schwan zu verkleiden oder umoperieren zu lassen. Außerdem kann ich als Eichhörnchen ja durchaus mit Schwänen befreundet sein, allerdings nicht, indem ich mir per OP den Hals länger ziehen lasse. Das geht ganz anders: Schwäne fühlen sich, wie alle anderen superschönen, normalen und hässlichen Wesen auch, von Eichhörnchen angezogen, die Selbstliebe, Herzlichkeit und ein fröhliches Selbstverständnis ausstrahlen.
Wer will schon Perfektion?
Zurück zu uns Menschen: Den Typus „Vom Mensch zum Zombie durch zu viele Schönheits-OPs und Botox“ kennt mittlerweile fast jeder – zumindest von Fotos. Diese Exemplare sehen so unnatürlich und schaurig aus, dass man unwillkürlich zusammenzuckt, wenn man einem von ihnen ins Gesicht sieht. Statt von mehr Menschen akzeptiert und bewundert zu werden, schrecken sie die anderen höchstens ab. Dabei kann man mit den heutigen Möglichkeiten der Fotobearbeitung auch ganz ohne OP so schummeln, dass man auf den Fotos toll aussieht und keine Narbe mehr im Gesicht zu sehen ist. Mein Stiefvater fragt bei meinen Pressefotos immer, welches 15 Jahre jüngere Mädel mich da gedoubelt hätte. Auf meiner Homepage (>) gibt es unter „Lebenslauf“ eine „Fotogalerie“. Ich fand es zu verlogen, nur Pressefotos zu verwenden und habe ein paar realistischere Fotos dazugestellt. Und ich habe selbst den größten Spaß daran, die realistischen (manchmal vielleicht etwas zu realistischen) Fotos anzusehen. Das ist viel unterhaltsamer, als nur die sterilen Pressefotos. Außerdem schafft Perfektion Aggression, denn Perfektion löst bei vielen Menschen das Gefühl aus, nicht mithalten zu können, viele Fehler zu haben und deshalb weniger wert zu sein. Der scheinbar Perfekte strahlt aus: „Schau, wie gut ich bin und wie schlecht du!“ Das stößt andere ab und macht sie aggressiv. Dabei sind es doch gerade die kleinen Fehler und menschlichen Schwächen, die uns liebenswert machen. Das Schiefe und Schräge ist doch meist viel lustiger und lebendiger.
Doch möchte ich auch betonen: Ich verurteile niemanden, der sich für Schönheits-OPs entscheidet. Es kommt auf die Situation und auf das Ausmaß an. Außerdem können alle Menschen, ob geliftet oder nicht, ihre Selbstzweifel in Selbstvertrauen verwandeln. Und wenn aus einem geglätteten Gesicht Liebe, Wärme und eine bedingungslose Selbstliebe strahlen, übersieht man schnell alles andere. Die folgende Übung hat schon Vielen dabei geholfen, sich selbst mehr und mehr zu akzeptieren und zu lieben.
ÜbungDas erste Mal habe ich diese Übung (in etwas anderer Form) in einem Buch Ende des letzten Jahrtausends vorgeschlagen. Ich hatte sie von einem amerikanischen Therapeuten. Inzwischen kennen sie sehr viele Menschen aus unterschiedlichen Quellen. Die Selbstliebe-Spiegel-Übung ist ein echter Klassiker, wenn es um Selbstliebe oder Probleme mit dem eigenen Aussehen geht.
Stell dich unbekleidet vor einen Ganzkörper- oder möglichst großen Spiegel und liebe dich so wie du bist. Zugegeben, das ist leichter gesagt als getan. Deshalb kannst du auch ganz klein anfangen und dich langsam vorarbeiten. Finde irgendein Körperteil, das du magst, irgendeines!
Ein typischer Übungsverlauf könnte am Anfang etwa so aussehen:
1. Tag: „Na du hässliche Kröte, dich soll ich lieben, wie soll ich das bloß anstellen …?“
2. Tag: „Ich mag meine strammen Waden. Die würden auch dem Anton aus Tirol gefallen. Okay, ihr krötigen Waden, ich werfe euch einen Handkuss zu.“
3. Tag: „Meine Ohren sind eigentlich auch nicht so schlecht, immerhin stehen sie nicht ab …“
4. Tag: „Der dritte Backenzahn links hinten sieht noch ganz gut aus: Junge, hörst du mich, ich liebe dich, Bussi, Bussi.“
5. Tag: „Wow, jetzt mag ich schon drei Sachen an mir: Waden, Ohren und einen Zahn. Wenn ich genau hingucke, sind eigentlich auch meine Arme ganz normal. Da gibt es hässlichere. Liebe Arme, ich liebe euch.“
6. Tag: „Mein großer Zeh sieht cool aus! He Kumpel, ich mag dich.“
7. Tag: „Hmmm, ich glaube, der Bauch fühlt sich vernachlässigt. Ich spür es genau, er ist beleidigt. Also schön: Lieber Wabbelbauch, ich liebe dich auch – ein bisschen. Du sollst ja nicht traurig sein …“
Und so machst du einfach immer weiter. Du wirst sehen, dein Körper liebt es. Steigere dich Stück für Stück. Eines schönen Tages gelingt es dir auch, dich bei jedem Körperteil dafür zu bedanken, dass es dir die Erfahrung eines menschlichen Lebens ermöglicht. Liebe jeden Teil deines Körpers so, wie er ist. So wie vermeintlich hässliche Menschen genauso viel Liebe brauchen wie alle anderen, brauchen auch vermeintlich hässliche Körperteile genauso viel Liebe wie alle anderen.
Egal ob du mit einem Körperteil oder dem ganzen Körper übst: Diese Übung stärkt dein Immunsystem, deine Intuition und deine Selbstliebe gleichzeitig. Nimm dir Zeit, um genau hinzusehen und jedem Körperteil warmherzige Liebe aus deinem Herzen zu senden.
Diese Übung kann man nicht oft genug machen. Du kannst dich auch jeden Morgen vor dem Zähneputzen als erstes mit Liebe begrüßen, wenn du schon ein bisschen Übung darin hast, dich selbst zu mögen. Schau dir danach tief in die Augen und halte Ausschau nach deiner inneren Schönheit. Je öfter du sie suchst, desto freudiger wird sie auftauchen aus der Tiefe deiner Seele.
Das Wunder der Selbstliebe
Was immer du tust, liebe dich dafür, liebe deine Individualität und deinen eigenen Stil. Auch wenn du schon 20 Schönheits-OPs hinter dir haben solltest: Es ist nie zu spät, innere Schönheit hinzuzufügen!
Und für den Rest von uns ist ganz klar: Innere Schönheit und die Selbstliebe zu stärken ist erstens billiger als eine OP und zweitens erhöht es die Anziehungskraft auf andere nette, herzliche Menschen auf wundersame Weise viel mehr, als es eine OP es je könnte!