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1.3 Diagnose und Verlauf

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Im frühen Stadium einer Demenz treten häufig folgende Symptome auf:

• Verlegen von Gegenständen

• Vergesslichkeit

• Lese-, Schreib- und Wortfindungsstörungen

• Orientierungs- und Zuordnungsstörungen

• Reduzierter Antrieb, Gemütsschwankungen, Depression

• Persönlichkeits- und Verhaltensänderungen

• Misstrauen, herausforderndes Verhalten

• Störungen der Affektkontrolle

• Störungen des Sozialverhaltens

• Angst, Zwangs- und Wahnvorstellungen

• Motorische Störungen, eingeschränkte Bewegung

• Verminderung der Alltagsbewältigung

• Schwierigkeiten bei komplexen Aufgaben

• Reduzierung des Urteilsvermögens

• Verminderung des logischen Denkens

Bestehen mehrere dieser Störungen über mindestens sechs Monate und sind sie so ausgeprägt, dass sie das tägliche Leben beeinträchtigen, sind das Anzeichen für eine beginnende Demenz. Treten Störungsmerkmale einzeln oder nur vorübergehend auf, so geben sie keinen Hinweis auf eine beginnende dementielle Veränderung. Auch junge Menschen vergessen, verlegen und haben Gemütsschwankungen.

Eine wertfreie Beobachtung seitens des Partners, der Angehörigen, der Freunde und Bekannten ist sinnvoll. Angst, Abwehr und Verdrängung helfen nicht weiter. Sich frühzeitig mit diesen Phänomenen auseinanderzusetzen führt zu Angstabbau und dient der Frühdiagnose. Erlebnisse mit besonderen Auffälligkeiten sollten mit Datum und Uhrzeit protokolliert werden, um die Diagnose zu erleichtern. Im Frühstadium der Demenz ist das Spektrum der Symptome noch unvollständig, deshalb leisten Beobachtungen und dokumentierte Situationen gute Dienste.

Bei Beginn einer Demenz sollten die Betroffenen mit den Angehörigen in Überlegungen und Entscheidungen bezüglich ihrer Veränderungen einbezogen werden, um ihre Bedürfnisse zu erfragen und verborgene Wünsche zu erfüllen. Eine frühzeitige Diagnose ermöglicht eine verantwortungsbewusste Lebensplanung, die testamentarische Erklärungen und Vollmachten beinhaltet.

Treten Unsicherheiten auf, so sollte vertrauensvolle Klärung durch professionelle Gesprächspartner gesucht werden. Sich beim Kaffeeklatsch über Sorgen und Ängste zu unterhalten oder von Bekannten Ratschläge entgegenzunehmen, bewirkt nur kurzfristige Entlastung.

Es braucht Mut, den Begriff »Demenz« in die eigenen Überlegungen aufzunehmen und sich damit auseinanderzusetzen. Ein möglicher erster Schritt ist, im Internet Informationen über den Verlauf einer Demenz zu recherchieren. Die Angebote im Internet sind unüberschaubar groß. Hilfreiche Informationen sind nur schwer von überflüssigen zu unterscheiden. Dies führt häufig zur Überforderung. Bedeutend mehr Mut verlangt es, Menschen in einer Beratungsstelle aufzusuchen oder sich über den Hausarzt für Tests in einer Memory-Klinik oder Gedächtnis-Sprechstunde anzumelden. Dieser entscheidende Schritt bringt oft schnelle und dauerhafte Entlastung und ist zu empfehlen.

Eine beginnende Demenz wird oft durch emotionale Spannungen und Konflikte belastet. Das Nicht-Wahrhaben-Wollen, die Weigerung, sich auf Veränderungen einzulassen, ist ein langwieriger, oft mit zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen besetzter Prozess.

Das gesunde Gegenüber sollte keine Zeit verlieren, sondern die gemeinsam verbleibende Lebenszeit einfühlsam gestalten und mit Leben erfüllen, Lebensqualität fördern und ungewöhnliche Grenzüberschreitungen wagen. Quälende Sinnfragen tauchen auf. Die Bereitschaft, sich auf die Seins-Ebene der Menschen mit Demenz zu begeben, kann Antworten auf solche Fragen bringen. Es liegt an uns, einen Blickrichtungswechsel vorzunehmen, der uns die schwierige Situation deutlich erleichtern kann. Aus einem halbleeren Glas wird aus unserer veränderten Perspektive ein halbvolles. Ich bin Gestalter meines Lebens und Herr über meine Gedanken, Gefühle und mein Tun.

– Krisen werden Chancen. –

Ronald Reagan hat 1994 in einem offenen Brief bekanntgegeben, dass bei ihm die Alzheimer-Krankheit festgestellt wurde. Er verabschiedete sich von der Öffentlichkeit mit den Worten: »Ich beginne nun die Reise in die Abenddämmerung meines Lebens.« Durch dieses Bekenntnis hat Reagan positiv und wesentlich dazu beigetragen, dem Thema »Alzheimer« in der Öffentlichkeit Raum zu geben.

Als Folge der Erkrankung distanzieren sich betroffene Familien häufig aus Scham von ihrem gesellschaftlichen Umfeld. Das ist kein guter Weg. Menschen mit Demenz gehören in unsere Mitte. Sie und ihre Angehörigen benötigen besondere Wertachtung, Integration und Gelegenheit, über die Erkrankung zu sprechen. Empathische Anteilnahme mildert den Schrecken vor der Persönlichkeitsveränderung.

»Gefahr erkannt, Gefahr gebannt«, lautet eine alte Volksweisheit. Nach diesem Prinzip versuchen Wissenschaftler zu handeln, wenn sie sich mit dem Problem der Demenz auseinandersetzen. Die Differenzialdiagnose ermöglicht frühzeitige Maßnahmen, um eine manifeste Demenz zu lindern oder die schwerwiegenden Folgen wie Pflegebedürftigkeit so lange wie möglich hinauszuzögern. Je früher und eindeutiger die Diagnose durch einen Facharzt oder die Memory-Klinik ist, umso gezielter kann eine individuelle Therapie ansetzen. Der Behandlungsansatz wird individuell ausgewählt und festgelegt. Sozialtherapeutisches Vorgehen statt medikamentöser Maßnahmen steigert die Lebensqualität der Betroffenen in ihrem Umfeld.

Häufig treten gravierende Beziehungsschwierigkeiten auf, bevor eine Demenz diagnostiziert wird. Ein gesunder Ehepartner wird vermeintlich als Patient mit psychischen Störungen angesehen und stationär aufgenommen. Erst der Blick auf die Familiensituation und Klärung der Verhaltensstörungen des vermeintlich gesunden Partners können zu einer Diagnose führen.

Die Tochter eines Pfarrers hat mir Folgendes anvertraut: Sie und ihre Geschwister erleben zwischen ihrem älter gewordenen Vater und ihrer Mutter zunehmende Beziehungsstörungen, die in unerklärlichen Streit münden. Gemeinsam entscheiden die erwachsenen Kinder, sich diesem schwierigen Thema nicht anzunehmen, weder nachzufragen, sich einzumischen noch zu intervenieren. Die Mutter benötigt nach einiger Zeit ärztliche Behandlung mit der Folge, dass sie in die Psychiatrie eingewiesen wird. Bei der Untersuchung wird festgestellt, später diagnostiziert, dass sich beim Ehemann eine Demenz schleichend entwickelt hat. Seine Erkrankung ist die Ursache der psychischen Störungen der Ehefrau, die nach einer kurzen Zeit der Behandlung gesund entlassen wird.

– Hinschauen, nicht weggucken! –

Immer wenn du meinst, es geht nicht mehr,

kommt von irgendwo ein Lichtlein her,

dass du es noch einmal wieder zwingst

und von Sonnenschein und Freude singst,

leichter trägst des Alltags harte Last

und wieder Kraft und Mut und Glauben hast.

Volksmund

Blickrichtungswechsel

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