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Kapitel 5

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Als Gertrud Leander an ihrem Büro ankam, klebte an der Tür ein Zettel. Sie runzelte die Stirn, riss ihn ab und las: Bitte um 8:30 im Büro der neuen Abteilungsleiterin erscheinen. Rennrock

„Auch das noch!“, dachte sie, schloss schnell die Tür auf, eilte zu ihrem Schreibtisch, riss ein Schubfach auf, verstaute darin ihre Handtasche, zog ihre Jacke aus, warf sie über die Stuhllehne, sah auf ihre Armbanduhr: Fünf nach halb neun schon. Aber trotzdem: Sie musste noch zur Toilette.

Dorthin rannte sie den Flur lang und begab sich danach sofort zum Büro der neuen Abteilungsleiterin. Auf dem Weg dorthin hörte sie plötzlich Schritte. Hinter ihr rannte jemand. Als sie sich umdrehte, erkannte sie ihre Kollegin, Eva Nachtnebel.

„Du bist also heute auch so spät dran“, stellte Gertrud Leander fest.

„Ja. Ich stand heute Morgen dermaßen im Stau, aber die paar Minuten wären gar nicht aufgefallen, wenn wir nicht jetzt schon zur Besprechung kommen müssten.“

Sie waren am Sekretariat angelangt, holten beide tief Luft, und dann öffnete Gertrud die Tür, trat mit ihrer Kollegin ein, grüßte Frau Rennrock mit einem Kopfnicken und ging sofort weiter durch die offen stehende Tür in das Büro der neuen Abteilungsleiterin.

Ingelotte Blatter sah sie mit Zornesfalten in der Stirn an. Nichts hasste sie so sehr wie Unpünktlichkeit von Mitarbeitern. Daraus schloss sie auf Respektlosigkeit ihr gegenüber, und die konnte sie auf keinen Fall dulden, denn damit drohte ihr Verlust an Autorität.

Gertrud Leander, gefolgt von Eva Nachtnebel, betrat den Raum, lächelte freundlich, aber als sie zu einer Entschuldigung für ihr spätes Kommen ansetzen wollte, wurde sie abrupt von Ingelotte gestoppt, die mit schmalen Lippen zischte: „Ich bitte mir in Zukunft Pünktlichkeit aus, setzen Sie sich bitte.“

Im nächsten Augenblick schoben sich hintereinander zwei jüngere Männer in den Raum und sahen die neue Abteilungsleiterin dabei neugierig an. Beide murmelten ein leises: „Guten Morgen.“

„Guten Morgen, meine Herren, haben Sie keine Uhr?“ herrschte Ingelotte sie an.

Die Männer zuckten zusammen, schauten einander verlegen an. Der Rothaarige zupfte an seinem Schnauzbärtchen, der Dunkelhaarige griff sich mit dem Zeigefinger in den Hemdkragen seines blau-weiß karierten Hemds, als sei er ihm zu eng. Beide schwiegen und standen wie angewurzelt im Raum.

„Setzen Sie sich“, fuhr Ingelotte fort. Die Männer murmelten: „Entschuldigung“ und zogen die Stühle unter dem runden Tisch hervor, setzten sich mit erschrockenem Gesichtsausdruck hin. Gertrud Leander schüttelte kaum merklich den Kopf.

„Stellen Sie sich kurz vor, Name und welches Aufgabengebiet Sie betreuen“, forderte Ingelotte sie auf.

Die beiden Frauen bestimmten über Blickkontakt, wer anfange sollte.

„Ich heiße Gertrud Leander und bin für die Dekoration von Schaufenstern und Verkaufsräumen sowie die Werbemaßnahmen für unsere Produkte zuständig.“

„Und ich bin Eva Nachtnebel“, erklärte die andere Frau. „Ich bin für die Beschaffung des Dekorationsmaterials verantwortlich, das Frau Leander benötigt.“

Danach erklärte der Dunkelhaarige, er sei Kurt Hals, führe das Team Statistik, das die Verkaufserfolge im Zusammenhang mit der Dekoration erfasse und auswerte.

Ingelotte hätte zu gern gewusst, wie das vonstattenging, hütete sich aber zu fragen. Stattdessen gab sie dem Rothaarigen mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass er nun an der Reihe war.

„Mein Name ist Gregor Blau. Ich leite das Team Rechnungsprüfung Dekorationseinkauf, und wenn der Kollege Hals nicht funktioniert wie er soll, gehe ich ihm an denselben“, fügte er scherzend hinzu, woraufhin sein Kollege lachend mit der Faust eine Drohgebärde machte.

„So etwas will ich nicht noch einmal hören“, empörte sich Ingelotte. „Ich erwarte einen respektvollen Umgang miteinander, meine Herren – das gilt natürlich auch für die Damen. Solche Bemerkungen haben zukünftig zu unterbleiben!“

Die Vier blickten einander erschrocken an.

„Ab sofort“, fuhr Ingelotte fort, „treffen wir uns jeden Morgen pünktlich um neun Uhr zu einer Besprechung in meinem Büro. Spätestens übermorgen bringen Sie mir eine Liste mit der Urlaubsplanung der Mitarbeiter Ihrer Teams für dieses Jahr, und eine Liste mit den Arbeitszeiten Ihrer Teilzeitkräfte und Aushilfen bringen Sie morgen mit.“

„Ja, äh, das liegt doch aber alles im Sekretariat vor“, wandte Gertrud Leander ein.

„Wenn ich Sie auffordere, diese Auflistungen mitzubringen, erwarte ich die Listen und keinen Widerspruch“, zischte Ingelotte. „Ach ja“, fuhr sie fort: „Mich sprechen Sie zukünftig mit Frau Pape an. Sie können jetzt in Ihre Büros zurückgehen. Die Besprechung ist beendet.“

Die Vier warfen einander erstaunte Blicke zu, standen auf und verließen das Büro mit einem förmlichen: „Auf Wiedersehen.“

Kaum waren die Teamleiter ein Stück von Ingelottes Büro entfernt, blieben sie auf dem Flur stehen, um ihrem Ärger und ihrer Verblüffung Luft zu machen.

„Was war das denn? Dieser Android scheint ganz anders programmiert zu sein, als die anderen, die wir bisher kennengelernt haben“, meinte Gregor Blau.

„Ja, den Eindruck habe ich auch“, stimmte Gertrud Leander zu. Sie hatte ganz rote Ohren. „Bisher war ich recht angetan von der Zusammenarbeit mit einem Roboter, aber das hier ist ja einer, der uns anblafft, wie das normalerweise nur Menschen tun. Ich bin gar nicht dazu gekommen, mich für mein Zuspätkommen zu entschuldigen, geschweige denn es zu erklären. Und das wäre das Mindeste gewesen, was die Fairness geboten hätte.“

„Diese Androidin wirkt irgendwie aggressiv, finde ich“, warf Gregor Blau ein. „Sie scheint aus überbordenden Emotionen zu bestehen. Das gibt es ja bei Menschen, die unzufrieden und unausgeglichen sind, aber bei einer Maschine? Merkwürdig. Sie kommt mir vor, als wenn sie kurz vor der Explosion steht.“

„Mal den Teufel nicht an die Wand“, meinte Eva Nachtnebel daraufhin. „Wir werden nämlich dann die Ersten sein, die es trifft.“

„Wieso das denn?“

„Na, mit uns hält sie Besprechungen ab. Die Kollegen sind in ihren Büros und hören dann nur den Knall.“

„Kommt, Leute, lasst uns an unsere Arbeitsplätze gehen. Die Kollegen müssen nicht gleich heute schon mitbekommen, dass wir uns eine Androidin der unfreundlichen Art eingefangen haben. Vielleicht haben wir Frau Pape, wie sie genannt werden will, ja nur auf dem falschen Fuß erwischt“, ließ sich Kurt Hals vernehmen.

Eva Nachtnebel zog die Augenbrauen hoch: „Roboter können keine sogenannten falschen Füße haben.“

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