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Kiwi

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Noch zwei Wochen bis zu meinem 50. Geburtstag. Eine gute Gelegenheit, über die vergangenen Jahre zu resümieren und über die Zukunft nachzudenken.

Das Resümieren geht schnell: Unverheiratet, keine Kinder. Briefkastentante bei einer Frauenzeitschrift.

Die ewig gleichen Fragen der Leserinnen ermüden mich; Soll ich mich trennen? Was kann ich gegen den aufmüpfigen Nachwuchs tun? Kann ich meiner Freundin noch vertrauen?Und am Ende kommt regelmäßig die dringende Bitte: Helfen Sie mir! Ich bin verzweifelt!

Tja, meine Damen, das bin ich auch. Denn wenn ich mich nicht um Ihre Probleme kümmere, dann um die Frau, die mir das Leben geschenkt hat.

Das ist mein Leben.

Klingt nicht aufregend, was? Ist es auch nicht. Ganz im Gegenteil – es ist bodenlos langweilig und äußerst frustrierend.

Meine Mutter ist herzkrank solange ich denken kann. Mit den Jahren wurde ihr Herz immer schwächer, wie die Batterie in einer Taschenlampe.

Inzwischen ist sie permanent bettlägerig. Und anstrengend. Sie hasst es, wenn ich einkaufe oder meinem Job nachgehe. Sie hasst es, allein zu sein. Sie hasst das Pflegepersonal, das nachmittags vorbeikommt. Sie hasst das Fernsehprogramm und Bücher, deren Schrift für ihre Augen zu klein ist. Sie hasst das Essen, das ich für sie koche.

Und ich hasse sie.

Ja, sie hat mir das Leben geschenkt. Doch was für ein Leben ist das? Ich habe keine Freunde, weil ich sowieso keine Zeit für sie hätte.

Ich habe keinen Partner, weil – siehe oben. Abgesehen davon sieht mich auch schon lange kein Mann mehr an. Ich bin zu dünn, zu grau, zu nichtssagend.

Ich wünschte, ich hätte ein Leben, das sich zu leben lohnt.

Ich wünschte, ich hätte Kinder, die mich brauchen, einen Mann, der mich liebt.

Für Kinder ist es zu spät. Und für einen Mann?

Die Fünfzig hängt über mir wie ein Damoklesschwert. Wenn ich jetzt nicht etwas ändere, wann dann?

In den nächsten Tagen gebe ich meiner Mutter ein leichtes Schlafmittel in den Morgentee und nutze die gewonnene Zeit für den Friseur und den Kosmetiksalon. Außerdem klappere ich mehrere Boutiquen ab. Geld habe ich genug, seit Jahren habe ich mir nicht mehr gegönnt als hin und wieder ein Paar Schuhe. Mittags, wenn Mutter aufwacht, wundert sie sich über meine neue Frisur, das ungewohnte Make-up und darüber, dass sie immer so müde ist. Ich beruhige sie und lese ihr aus den neuesten Klatschzeitschriften vor. Das mag sie und es stimmt sie milde.

Noch eine Woche bis zu meinem Geburtstag. Die Vorbereitungen sind so gut wie abgeschlossen und wenn Mutter schläft, stehe ich vor meinem Schrank und freue mich: Über die vielen neuen Sachen und über mein Spiegelbild. Langsam sehe ich wieder wie ein Mensch aus, nicht wie eine leblose, graue Hülle. Bald wird man mich wieder ansehen, sehr bald. Und zwar anerkennend. Ich kann es kaum erwarten.

Mein Geburtstag. Mutter schenkt mir einen wunderschönen Brillantring, der bereits ihrer Großmutter gehörte. Ich habe ihn noch nie an ihr gesehen.

Artig bedanke ich mich und probiere den Ring an. Er passt. Gerührt küsse ich die pergamentartige Haut von Mutters Stirn und nehme langsam eines der Kissen, die auf ihrem Bett liegen.

Es dauert nicht lange. Sie ist schwach, alt und zart. Ich dagegen bin gesund, deutlich jünger und obendrein fest entschlossen. Als sie sich nicht mehr rührt, wähle ich die Nummer ihres Hausarztes. Er kommt sofort und stellt ohne zu zögern den Totenschein aus. Wie ich gehofft hatte ist er nicht überrascht, sondern kondoliert mir nur betroffen.

Dann kümmert er sich darum, dass alles seinen Gang geht.

Die Kirche ist fast leer. Ich trage ein neues schwarzes Kleid und fühle mich leicht und befreit. Ja, meine Mutter hat mir das Leben geschenkt. Doch sie hat es mir auch wieder ausgesaugt. Bis auf einen kläglichen Rest.

Eine Woche nach meinem Geburtstag besteige ich das riesige Schiff, auf dem ich per Internet eine Kabine gebucht habe. Ich schenke mir zu meinem Fünfzigsten die Möglichkeit, mir die Welt anzusehen. Bisher bestand sie nur aus unserer Wohnung und deren näherer Umgebung.

Beim Abendessen trage ich ein neues, farbenfrohes Kleid. Ich sitze an einem Tisch mit einem älteren Ehepaar und einem allein reisenden, sympathischen Herrn.

Ich gefalle ihm. Er lächelt mir zu, macht mir ein Kompliment und hebt sein Glas in meine Richtung. Ich stoße mit ihm an. Der Ring funkelt an meiner Hand.

Auf ein schönes, neues Leben, denke ich und genieße den köstlichen fruchtigen Aperitif, der meine Kehle hinunterläuft.

Plötzlich kann ich nicht mehr atmen, bekomme keine Luft. Ich spüre, dass mich jemand hinlegt, höre aufgeregte Stimmen und das Wort ‚Kiwi‘.

Meine Allergie! denke ich noch. Diese verfluchte Allergie macht mir meine Träume kaputt.

Dann denke ich nichts mehr.

ENDE

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