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Mein Sibirier in Berlin

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In Berlin ist Hochsommer. Es ist warm, ungewöhnlich warm. Die letzte Woche war tropisch heiß und heute soll das Thermometer sogar auf neununddreißig Grad steigen. Die Stadt kocht.

Ich mache mich auf den Weg nach Schönefeld. Auf unserem Regionalbahnhof schenkt mir ein freundlicher Herr drei Tagesfahrscheine. Einen gebe ich weiter, zwei behalte ich. Geldersparnis zehn Euro. Wie cool ist das denn.

Ich komme pünktlich am Flughafen an und geselle mich zu den Wartenden. Ein sehr junger Mann hat eine einzelne kleine Rose in der Hand, die er nervös zwischen den Fingern dreht. Hoffentlich bleibt der Blütenkopf solange am Stängel, bis seine Geliebte durch diese Tür tritt. Der etwas ältere Herr neben mir hält ganz ruhig einen riesigen Strauß roter Rosen im Arm. Richtig freudig wirkt er nicht. Aber vielleicht täuscht es. Ich werde ihn beobachten, wenn er jemanden in die Arme schließt. Dort ein junges Mädchen mit einem Schild. Sicherlich eine Praktikantin, die dazu verdonnert wurde, einen Geschäftsreisenden vom Flughafen abzuholen. Ich habe Zeit, mir für jeden Wartenden eine eigene Geschichte auszudenken. Doch dann verpasse ich die Übergabe des großen Rosenstraußes doch. Denn ständig muss ich Nachrichten auf meinem Handy beantworten. Toljas Schwestern bombardieren mich mit Anrufen, Mails und Nachrichten. „Ist er schon bei dir?“ „Wie geht es ihm?“ „Was macht das Wetter?“, usw. Alles berechtigte Fragen. Aber er ist noch nicht da und bei insgesamt sieben Schwestern, die scheinbar gerade alle Angst um den kleinen Bruder haben, ist es ein regelrechter Telefonmarathon.

Endlich landet die Maschine aus Moskau. Durch die sich immer wieder automatisch öffnende Tür kommen die Fluggäste. Ich schaue den Passagieren ins Gesicht. Sind das schon Russen? Nein, diese Menschen sehen irgendwie anders aus. Sie könnten zum Flieger aus Paris passen. Oder die? Nein, auch nicht. Lustiges Nationalitätenraten. Plötzlich werde ich nervös. Mit einem Mal bin ich aufgeregt wie eine Sechzehnjährige beim ersten Date. Erstes Date, erstes Mal mit sechzehn? Mir wird bewusst, wie altmodisch ich bin. Heute haben die jungen Menschen ihr erstes Mal vermutlich viel, viel früher. Merkwürdig, was mir so im Kopf rumgeht. Oh Gott, bin ich nervös.

Dann gehen die ersten Russisch sprechenden Fluggäste an mir vorbei. Und dann kommt er.

Ein kleines Reisetäschchen in der Hand, den Geburtstagsrucksack leer auf dem Rücken, kurze Sporthose und Plastiksandalen mit Socken.

Er sieht aus, als ob er mal eben einen kleinen Ausflug macht, aber keine Reise von achttausend Kilometern.

Wir liegen uns in den Armen, halten uns fest. Kein stürmischer Kuss, nur eine ganz feste, starke Umarmung. Wir halten uns aneinander fest.

Ich kann es nicht glauben. Nie hatten wir es für möglich gehalten. Immer war da nur der Traum, dass ich ihm meine Welt zeigen kann. Jetzt wird aus dem Traum Wirklichkeit. Es wird sich zeigen, ob Wunsch und Realität irgendwie zusammenpassen.

Und der Schamane lacht …

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