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Wahrnehmung in neuen Konturen

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Lange Zeit galt vor allem die Vulkaneifel als eintöniger bis öder Landstrich, der mit seinen ertragsarmen, kargen Böden und infolge erbärmlicher Armut im 19. Jahrhundert tatsächlich ganze Dorfschaften zur Auswanderung in die Neue Welt zwang. In einer Darstellung war sogar die Rede vom rheinischen Sibirien, weil es in den Höhengebieten der Zentraleifel nur zwei einigermaßen frostfreie Monate im Jahr geben soll. Noch um 1838 schreckten zudem die Nachrichten von einer angeblichen Wolfsplage die Bevölkerung im weiten Umkreis auf. Offenbar gab es hier keine Spur mehr von einem lieblichen Land mit blühendem Wohlstand und reicher Kultur, wie es Sebastian Münster (1488–1552) zuvor so eindrücklich in seiner berühmten Cosmographia aus dem Jahre 1544 geschildert hatte. Angesichts der vielen Schmähungen aus den umliegenden Teilregionen des Rheinlandes ist es wohl nur zu verständlich, dass sich die betroffenen Bewohner sämtlicher Teillandschaften vom Bitburger Gutland über die Pellenz bis zu den Lössbörden der nördlich benachbarten Niederrheinischen Bucht heftig dagegen wehrten, überhaupt als Eifeler bezeichnet zu werden. In der Eifel zu Hause zu sein, war seinerzeit wirklich ein Makel, jemanden einen Eifeler zu nennen, gar ein tief treffendes und mit Sicherheit beleidigendes Schimpfwort. Selbst eine Notiz im Merian-Heft 4/1954 bezeichnete die Eifel naserümpfend und betont verächtlich (wohl der etwas zu elitären Hamburger Redaktionsstube des Herausgebers gedankt) als „abgelegen, archaisch und wunderbar rückständig … eben als das seltsamste Gebirge Westdeutschlands“. Zugegeben: Auch in der Vulkaneifel duftet es fallweise mal nach Misthaufen und mal nach Weihrauch, dann aber wieder nach frisch gebackenem Brot, geräuchertem Speck oder leckerem Kräuterquark – und das alles wunderbar bodenständig und ganz weit weg von jeglicher Esoterik oder etwaigen Schickimicki-Trips. In der Eifel hat man üblicherweise Bodenhaftung.


Kasselburg bei Pelm

In einer 1820 erschienenen Beschreibung des autodidaktischen Mineralogen Christian Keferstein (1784–1866) heißt es: „Ich bin über einen bedeutenden Theil dieses traurigen Gebirges gekommen, aber die hier gesehene Einförmigkeit und Oede läßt sich kaum beschreiben: Halbe Tage wandert man, ohne ein Dorf zu sehen, auf kaum betretenen Wegen; meist trifft man nur Geniste und Heide.“

Während also auch der Vulkaneifel als bunte Teillandschaft des Rheinlandes fast bis in die jüngste Vergangenheit eine besondere Wertschätzung versagt blieb und sie durchweg als abweisender, eintöniger oder langweiliger Landstrich mit mageren Böden und enormer Armut galt, zeigt sich heute zunehmend eine deutlich veränderte und überaus positive Wertschätzung.

So ist die Eifel insgesamt und unstrittig auch ihr besonders erlebniswertes Kernstück Vulkaneifel in der jetzigen deutlich angemesseneren Wahrnehmung keineswegs ein spröder oder gar nur vom Mittelmaß gezeichneter Landstrich. Die Vulkaneifel im oben begründeten Umriss lässt sich auch keineswegs auf Durchschnittsempfinden oder ausgefallene Sonderwünsche reduzieren. Gewiss: Die Biker schätzen hier den Kurvenreichtum der Straßen, die in Serpentinen aus den Tälern auf die Hochflächen führen. Fernwanderer per Fahrrad oder zu Fuß mögen zwar manchmal die Eigenheiten des Reliefs verwünschen, aber nachdem die Kondition bei Bergaufetappen sichtlich strapaziert wurde, folgen auch wieder entspannende Strecken mit angenehmem Gefälle. Das Thema (Vulkan-)Eifel ist mitunter sicherlich ein wenig sperrig. Tatsächlich gilt aber gerade dieser Mittelgebirgsteil längst als das grüne Herz im westlichen Mitteleuropa, als ideales Wanderparadies, als Erholungslandschaft für den erlebnisreichen, stillen Naturgenuss, eine Gegend mit vielen hinreißenden Plätzen der Gelassenheit, in der eine ergreifende Natur so manche verbogene Seele therapieren könnte.


Fast tellereben dehnt sich die Hasborner Hochfläche aus. Am Horizont zeichnen sich die Berge der vulkanischen Hocheifel ab.

Unter Eifel versteht man überhaupt nicht mehr nur die früher vielfach belächelten, angeblich so unwirtlichen oder vom Regionalklima weithin vernachlässigten Hochlagen im Zentrum und im Westen des Schiefergebirges, sondern eine Landschaft mit viel Eigenwilligem, Schönem und geradezu Überwältigendem.

Immerhin ist die (Vulkan-)Eifel umringt von dicht besiedelten Industrieregionen und Großstädten an Rhein und Ruhr sowie in den Niederlanden, Belgien und Luxemburg, zu denen sie ein beachtliches Kontrastprogramm bieten kann. So spricht die Beliebtheit der Eifellandschaft im gesamten Umland für sich: Diese ungemein vielfältige und vielschichtige Landschaft ist alles andere als nur Mittelmaß. Sie ist auch nicht abweisend und schon gar nicht verschlossen, aber vielleicht ein wenig unaufdringlich und sicherlich in großen Teilen schweigsam. Lautlosigkeit kann enorm eindrucksvoll sein. Gewiss fehlen ihr hier und da die Lieblichkeit der angrenzenden Flusslandschaften oder die lärmend-lautstarke Fröhlichkeit der Städte des Umlandes. Aber: Hier duftet es überall nach faszinierender Historie. Hier kann man überdies hautnah erleben, welche Ereignisse und Vorgänge die Erde so formten, wie sie sich heute darstellt. Jedoch: Die Zuneigung zur verhaltenen Eifellandschaft entwickelt sich eventuell nur zögernd, aber auf jeden Fall zuverlässig schrittweise. Es kann aber auch Liebe auf den ersten Blick sein. Der mit Auflagen in Millionenhöhe beglückte Krimi-Autor Jacques Berndorf hat der (Vulkan-)Eifel außer reißerischen Storys viele tief empfundene Impressionen geschenkt. Fast könnte man meinen, er bewege sich damit linear auf den Spuren der bekannten Eifeldichterin Clara Viebig (1860–1952), eine der bedeutendsten Autorinnen des deutschen Naturalismus. Übrigens hat sie mit ihrem umfangreichen, seinerzeit gerne gelesenen und fallweise äußerst kontrovers aufgenommenen Werk die Eifel erstmals auch als Literaturlandschaft etabliert.


Aufschluss an der Schladter Brücke

Der erste Eindruck täuscht eventuell: Die Eifellandschaft ruht nur vermeintlich auf solidem Fundament. Größere Zeitskalen liefern dagegen immer wieder ansehnliche Schaustücke einer bewegten Landschaftsgeschichte. Die grob gebankten Schichtglieder, in die sich die Lieser zwischen Großlittgen und Schladt eingefräst hat, sind durch Hebung und Faltung sichtlich in Schieflage geraten. Sie gehören der Ems-Stufe im oberen Unterdevon an und sind etwa 360 Mio. Jahre alt.

Für den (senti)mentalen Hochgenuss muss man allerdings genauer hinsehen. Die Einzigartigkeit gerade der Vulkaneifel unter den rheinischen Teillandschaften erschließt sich nicht auf den ersten Blick und häufig nicht einmal nach dem einen oder anderen weiteren Rendezvous. So ist es eigenartigerweise auch Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) ergangen, der doch sonst für mancherlei Reize aus dem direkten Umfeld außerordentlich empfänglich war. Im Hochsommer des Jahres 1815 unternahm er mit dem befreundeten Reichsfreiherrn vom Stein (1757–1831) von Nassau an der Lahn aus eine Kutschpartie in die rheinnahe Osteifel an den Laacher See – und blieb von dieser faszinierenden Landschaft erstaunlicherweise gänzlich unbeeindruckt. Jedenfalls fand die Eifel in seinem umfangreichen Werk außer ein paar wirklich belanglosen Randbemerkungen keine weitere Erwähnung. Außerdem irrte der große Gelehrte hier ganz gewaltig, weil er sich in einem berühmten Lehrstreit der Geowissenschaftler des 19. Jahrhunderts (damals Geognosten genannt) fatalerweise für die falsche Seite entschieden hatte: Es war für ihn als überzeugtem Neptunisten schlicht unvorstellbar, dass Gesteine auch durch vulkanische Prozesse entstehen können. Ganz anders sah dies Alexander von Humboldt (1769–1859). Als er sein gewaltiges, mehr als 2500 Druckseiten in vier Bänden umfassendes Werk Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung (1845–1862) veröffentlichte, das ihn übrigens finanziell fast ruiniert hat, war diese Wissenschaftskontroverse längst ausgestanden. Gesteine entstehen eben fallweise im Wasser (als Absatzgesteine = Sedimentite) und manchmal auch unter feurigen Begleitumständen bei Vulkanausbrüchen (als Vulkanite). Humboldt befasst sich in seinem Hauptwerk an mehreren Stellen ausführlich mit der Geologie der Eifel und gibt hier erstmals auch eine zutreffende Definition des berühmten Maarvulkanismus (Kosmos, Bd. IV, 1858, S. 275): „Minder mit den Erhebungskratern verwandt als mit der oben geschilderten einfachsten Form vulkanischer Thätigkeit (der Wirkung aus bloßen Spalten) sind unter den erloschenen Vulkanen der Eifel die zahlreichen Maare: kesselförmige Einsenkungen in nicht vulkanisches Gestein (devonischer Schiefer) und von wenig erhabenen Rändern umgeben, die sie selbst gebildet. Es sind gleichsam Minen-Trichter, Zeugen minenartiger Ausbrüche“. Der letzte Satz entstammt einer ihm zugegangenen brieflichen Mitteilung von Heinrich von Dechen (1800–1889), der seinerzeit preußischer Berghauptmann in Bonn war.


Felsenwehr in Wittlich reguliert den Abfluss der Lieser

Auf Seite 519 von Band IV seines genialen Werkes Kosmos schreibt Humboldt: „Ich habe die Eifeler Vulkane zweimal, bei sehr verschiedenen Zuständen der Entwicklung der Geognosie: im Herbste 1794 und im August 1845, besucht: das erste Mal in der Umgegend des Laacher Sees und der, damals dort noch von Geistlichen bewohnten Abtei; das zweite Mal in der Umgegend von Bertrich, dem Mosenberge und den nahen Maaren. […] Da ich bei der letzten Excursion das Glück genoß meinen innigsten Freund, den Berghauptmann von Dechen, begleiten zu können, so habe ich […] die Beobachtungen dieses scharfsinnigen Geognosten frei benutzen dürfen.“

Humboldt hat die Vulkaneifel also erst im fortgeschrittenen Alter von 76 Jahren und fast ein halbes Jahrhundert nach der folgenreichen Erstbegegnung mit dem rheinischen Vulkanismus am Beispiel der tertiärzeitlichen Basalte von (Remagen-)Unkelbach am unteren Mittelrhein besucht. Dabei interessierte er sich hier bezeichnenderweise nicht nur für die bedeutsamen Vulkanreste. So berichten die Paläontologen Emma und Rudolf Richter die Anekdote, wonach Humboldt auf den Feldern von Gees bei Gerolstein („Geeser Trilobitenfelder“, Ahrdorf-Formation des Mitteldevons) so viele Fossilien, hauptsächlich Dreilappkrebse (Trilobiten), aufgelesen hatte, dass die Taschen seines Frackes schließlich hoffnungslos überfüllt waren und er tatsächlich den auf den benachbarten Feldern arbeitenden Bauersfrauen ihre langen Wollstrümpfe abhandelte. Diese füllte er ebenfalls mit interessanten Fundstücken und zog damit in sein Quartier in Gerolstein ein. Das berühmte Fundgebiet ist inzwischen unter Schutz gestellt worden. Eine Fossilsuche ist dort heute nicht mehr möglich.


Bachlauf am tertiärzeitlichen Eckfelder Maar


Mühsamer Weg: die Prüm bei Irrel

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