Читать книгу Eine neutrale Tüte bitte! Menschen im Sexshop - Bukowski Candy - Страница 10
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Von Porno-Ping-Pong, Sex-Shop-Bingo und anderen Wirrungen
Wer würde sich besser für einen ersten Gang durch den Sexshop anbieten als die wahrhaftig Verwegenen, die ungebundenen Super-Tinder-Singles, die totalen Hoffnungsträger für den künftigen Beziehungsmarkt schlechthin?
Die einen suchen, die anderen lassen sich lieber finden, manche grasen die gesamte, weite Wiese der ungebundenen Möglichkeiten ab und finden dennoch kaum ein grünes Blatt, das ihnen lecker genug erscheint, um nicht schon wieder paralysiert auf die andere Seite des Zauns zu starren. Eines verbindet Singles auf jeden Fall: Testosteron- oder Östrogenspiegel sind enorm hoch und verlangen nach Befriedigung. Nach kurzfristigem Durchatmen bevor der Zeiger der unerschöpflichen Geilheits-Skala schon wieder nach oben schnellt.
Kein Mensch wird sich wundern, engagierte Singles in einem Sexshop vorzufinden. Weit fehlt allerdings derjenige, der sie vorwiegend beim Kauf von Pornos vermutet, diese streamt sich Generation-Y zur entspannenden, rechtshändigen Nutzung lieber direkt aus dem Internet.
In der Pornoabteilung ist der jung-dynamische Single allerdings dennoch zu finden. Wir zumindest finden ihn genau dort, oft in der Gruppe, immer lauter als es uns lieb ist und zwar bei einer der beknacktesten Freizeitbeschäftigungen seit es Sexshop-Wirrungen gibt: beim Porno-Ping-Pong.
Dahinter steckt die faszinierende Idee, sich gegenseitig die rückseitigen Covertexte der Porno-DVDs so lange ernsthaft vorzulesen, bis der erste lachend zusammenbricht und somit dieses Spiel verliert. Und verloren wird schnell und zuverlässig. Zugegebenermaßen entbehren diese Beschreibungstexte jeglichen intellektuellen Anspruchs: Schneeflittchen und die 7 Rammler, Buschige Bären, König der Mösen oder auch Der Fensterputzer mit dem harten Leder entspringen nicht meiner schmutzigen Fantasie, sondern der, der zielgruppen-affinen Marketing-Strategen. Aber man muss – um es mit dem Jugendslang meiner Tochter zu formulieren – schon sehr „hobbylos“ sein, um sich für ein solches Highlight bahnbrechender Abendgestaltung mit seinen Kumpels in einem Sexshop zu verabreden.
Wir Angestellten haben übrigens ein weitaus größeres Vergnügen dabei, uns an solch eine grölende Gruppe anzuschleichen, dem Wortführer von hinten lächelnd auf die Schulter zu tippen und ihm nach seinem erschrockenen Blick von unserem absoluten Lieblingsspiel zu berichten:
„Kennst du nicht? Das ist Sexshop-Bingo. Wer als nächster sagt ‚aber ich wollte doch nur‘, muss leider gehen.“
„Äh, aber ich wollte doch nur …“
„Bingo!“
Das wirkt immer und sorgt für ein Überraschungsmoment. Ganz wichtig ist es natürlich, dann unbedingt das Lächeln zu halten, mit einer sympathischen Kopfbewegung Richtung Tür zu weisen und dabei wortlos zu nicken, auch wenn natürlich kein Rauswurf erfolgt. Sexshop-Bingo ist unser aller Lieblingsspiel und es lässt sich in jeder Abteilung, zugeschnitten auf Sortimentskategorien, fabelhaft umsetzen. Besonders im Fetisch-Bereich könnten wir in den Wochenendnächten alle zehn Minuten einen Bingo-Gong schlagen. Denn irgendeine saubere Viererreihe ergibt sich jederzeit aus den allseits beliebten Rufen:
1 „Alter Falter! Das hast du noch nicht gesehen!“
2 „Hilfe, ich brauche jetzt erstmal eine Therapie!“
3 „Hey man, Fifty Shades of Grey, man!”
4 „Das ist doch echt pervers!“
5 „Schuhe! Da gibt es Schuhe!“
6 „Aua, das muss doch wehtun!“
7 „Boah ist das krank, eh!“
8 „Also wenn ich so weit bin, Alter, dann erschieß mich!“
Ja, der gerade erwachsen gewordene Single im Gruppenmodus gehört unbestritten zu den rundum reflektierten Überfliegern der frisch eroberten Erotik-Galaxie. Wobei er an anderer Stelle, also fernab der Fetisch-Abteilung, interessanterweise oft eine recht aufgeschlossene Affinität zu Dingen an den Tag legt, die er laut Mutter Natur noch lange nicht nötig hätte.
Insbesondere junge Rumänen und Araber – von uns aufgrund des Produktwunsches liebevoll Goldmäxchen genannt – haben ein bevorzugtes Interesse an Pillen und Tinkturen.
„Hast du Cobra? Hast du Kamagra? Hast du Supergold? Was kostet? Dreizehnfuchzig? Machst du Neun!“
So lautet eine weniger geflügelte, als offensive Aufforderung, die wir täglich mehrfach hören. Gewünscht sind dann rezeptfreie und freiverkäufliche Pendants zur blauen Pille Viagra, die den Blutfluss im Penis erhöhen und somit für Männer mit Erektionsproblemen wirklich eine gute Hilfe darstellen. Völlig überflüssig für Testosteronbolzen, denen bereits die Aussicht auf eine willige Frau fast die Hose sprengt, aber die Vorstellung einer stundenlangen Master-Erektion scheint hier ein wenig die Sinne zu vernebeln. Außerdem sind viele Goldmäxchen überzeugt davon, ihr Penis würde durch die dauerhafte Einnahme von Kamagra noch etwas wachsen. Aber Männern und ihrem besten Stück war noch selten mit Logik beizukommen.
Es könnte sich bei den hoffnungsvollen Singles aber auch um Exemplare der verspielten, menschlichen Welpen handeln, die besondere Produkte testweise in die Hand nehmen, die wir nicht explizit gesichert, festgebunden oder hinter Glas gesperrt haben. Besonders große Dildos eignen sich ganz hervorragend, um sie sich gegenseitig als Mikrofon vor den Mund zu halten, um dann ein spontanes, unglaublich witziges Interview mit dem Smartphone aufzunehmen und das Video pronto ins Netz zu stellen.
Über die kleinen Fauxpas, die besonders uns Verkäufer amüsieren, gibt es leider selten Beweise für die Nachwelt. Was sehr schade ist, denn sie wären wirklich sehenswert.
Doch kein Mensch filmt mit, wenn in einer bestimmten Ecke des Ladens erst sehr lautes Lachen, dann mehrfaches metallenes Klicken und schließlich raumfüllendes Schweigen zu hören ist. Diese Stille, die nach kurzer Zeit in schuldbewusstes, leises Wimmern mit der Bitte um Hilfe übergeht. Dann, wenn einer aus der Superhelden-Gruppe sein Handgelenk unbedingt in ein Paar der vielen, von der Wand baumelnden Handschellen stecken musste und clever genug war, anschließend die Arretierung komplett zu schließen. Dann hängen sie da und schauen schuldbewusst.
Zum Glück gibt es dann ziemlich nettes Personal, das den passenden Schlüssel aus der Schublade zaubert und ihn bei jedem der unterschiedlichen Modelle auch einzusetzen weiß. Fast schon wieder liebhaben muss man diese wilden Jungs allerdings, wenn sie mit erlebter Befreiung unverlangt charmante Einsicht zeigen.
„’Tschuldigung, der Alkohol hat uns ein bisschen böse gemacht“, war das netteste Statement, das ich von einer Gruppe junger Dänen einmal hören durfte.
„Alles gut, Jungs, Hauptsache ihr habt Spaß. Zuhause wäre das mit einem Schlüsseldienst teuer geworden.“
Was will man auch anderes sagen? Sie spielen halt so gern.