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Das wichtigste Organ sitzt zwischen den Ohren

Ein Gastbeitrag von Lilo Wanders

„Die besten Dinge im Leben sind ja oft unten, und deshalb gehen wir jetzt ins Tiefparterre.“ Mit dieser Ansage führe ich meine Besuchergruppe vorbei am freundlich grüßenden Türsteher in die hell erleuchtete Boutique Bizarre. Seit etlichen Jahren schon zeige ich an manchen Sommersamstagen Touristen, und allen anderen, die ihn kennenlernen wollen, meinen Kiez von St. Pauli.

Ein Höhepunkt des Rundgangs ist der Abstecher in Europas größten Sexshop an der Reeperbahn. Hier findet sich auf zwei Etagen alles, was der Lust zuträglich sein kann: von der aufreizenden Corsage bis zur elektronischen Masturbationshilfe in vielerlei Formen, Farben und Größen; von Accessoires für die Fantasie von einer Nonne in Latex oder Leder, wechselnde Kunstausstellungen, von denen manche so deftig geraten, dass selbst ich erröte, bis zu Unterricht in Bondage-Techniken. Alles ist denkbar, alles ist möglich – jedem Tierchen sein Pläsierchen. Was total in Ordnung ist, solange alle Beteiligten bei klarem Verstand sind und wissen, was sie tun.

Im Basement hat mein Tourbegleiter Harry inzwischen mein Köfferchen mit ausgesuchten Sexspielzeugen auf einem Bistrotisch platziert, und ich präsentiere den Besuchern die mehr oder weniger ausgefallenen Toys, die dann von Hand zu Hand wandern dürfen. Von andächtigem Schweigen bis zu schrillen Juchzern („Den hab ich auch!“) – keine Reaktion der Gäste ist vorhersehbar und ergibt sich immer aus der Zusammensetzung der Gruppe. Schön war die Begeisterung der 86-jährigen Pastorenwitwe über ein von Batterien betriebenes Rad mit zehn Silikonzungen, die mit drei Geschwindigkeiten vorwärts, rückwärts und sogar mit Intervallschaltung rotierend die Richtung wechseln: „Jetzt zeig mir mal einen Menschen, der das alles kann!“

Harry und ich warten, bis alle Produkte wieder bei mir angelangt sind und für die nächste „Tour de Wanders“ im Koffer verstaut werden können. Jetzt noch ein paar Fotos zur Erinnerung, einige Worte gewechselt mit den ausnehmend netten Verkaufskräften, und weiter geht es in die Nacht von St. Pauli …

So ist das mit meinem persönlichen Köfferchen in der Boutique Bizarre. Aber was viel wichtiger ist und was ich geradezu missionarisch gerne verbreite: Das wichtigste Organ sitzt zwischen den Ohren. Ich meine das Hirn, gekoppelt mit dem Mund. Sie müssen im Bett reden, reden, reden. Sagen, was gefällt, sagen, was nicht gefällt. Wünsche, Gefühle. Das ist wichtig.

„Wenn wir lieben, glauben wir entweder, wir werden nie wieder traurig sein, oder wir sind so wund, dass wir keinen Schritt mehr laufen können. Bei mir ist es immer beides. Von Sex ist die Rede, meine Lieben, mein Name ist Lilo Wanders“ – mit diesem frechen Satz habe ich 1994 die erste Sendung von „Wa(h)re Liebe“ im TV eröffnet und meine Überzeugung hat sich seitdem nicht verändert. Wer mich im Fernsehen gesehen hat oder heute auf der Bühne erlebt, müsste zu der Erkenntnis kommen, holla, wir können uns auch mal über Sex unterhalten. Sex ist was Schönes, Sex macht Spaß.

Und da ist es ganz wunderbar, dass mit diesem Buch auch mal jemand den großen Koffer direkt aus dem Sexshop öffnet und jeder einen tiefen Blick hineinwerfen kann. Der tut nicht weh, kann einen auf der Suche nach dem Glück aber ein gutes Stück weiterbringen. Und für all jene, die schon alles kennen: es ist doch sehr befreiend zu erfahren, dass man nicht das einzige Ferkel auf der Welt ist.

Lilo Wanders ist eine Institution in Sachen Liebe, Sex, Erotik und Partnerschaft. Schließlich flimmerte ihre TV-Show „Wa(h)re Liebe“ zehneinhalb Jahre lang gespickt mit allerlei Erkenntnissen in die Wohn- und Schlafzimmer. Seitdem tourt sie mit Programmen wie „Sex ist ihr Hobby“ durch die Lande.

Eine neutrale Tüte bitte! Menschen im Sexshop

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