Читать книгу Verfahrenstechnik für Dummies - Burkhard Lohrengel - Страница 73
ОглавлениеKapitel 4
Systeme, Zustände und Prozesse
IN DIESEM KAPITEL
Werden Ihnen Systeme, Prozesse und Zustände nähergebracht
Werden Sie sehen, was ein Prozess eigentlich ist
Werden Sie merken, dass Zustände wegunabhängig sind
Lernen Sie das p,V-Diagramm kennen
Nachdem Sie jetzt die gebräuchlichen Konzentrationsmaße kennen, wird es Zeit, dass Sie die in der Verfahrenstechnik häufig verwendeten Begriffe System, Zustand und Prozess kennenlernen.
System
Als System wird in der Verfahrenstechnik ein aus Einzelteilen zusammengesetztes Gebilde verstanden, das für die Betrachtung als gemeinsames Ganzes wahrgenommen wird. Diese Beschreibung hilft Ihnen vielleicht noch nicht wirklich weiter. Dann so: Unter einem System können Sie den Teil der Welt verstehen, an dem Sie (hier natürlich nur verfahrenstechnisch) interessiert sind. Der Rest ist die Umgebung um das System herum. Abbildung 4.1 verdeutlicht dies. Sie können nun ermitteln, wie sich Ihr abgegrenztes System verhält.
Ein System ist ein von seiner Umgebung abgegrenztes Gebiet, das bezüglich seiner Eigenschaften untersucht werden soll.
Sie wollen wissen, wie viel Benzin Ihr Auto verbraucht? Dann ist für Sie das Auto Ihr betrachtetes System. Sie sehen, Ihr System Auto ist aus vielen Einzelteilen aufgebaut, Motor, Karosserie, Sitze, Lenkrad und so weiter. Die Grenze Ihres Systems ist der Tankdeckel. Über die Systemgrenze gelangt Benzin in Ihren Tank. Diese Menge kennen Sie, da Sie dafür bezahlen müssen. Den Kilometerstand Ihres Systems Auto kennen Sie auch, also können Sie den Verbrauch in l/km bestimmen.
Abbildung 4.1 System und Umgebung
Wie soll Ihr System aussehen?
Bei Systemen wird unterschieden in
abgeschlossen oder isoliert, wenn weder Energie- noch Stoffaustausch mit der Umgebung möglich ist,
geschlossen, wenn Energieaustausch mit der Umgebung möglich ist, allerdings kein Stoffaustausch,
offen, wenn Energie- und Stoffaustausch möglich ist.
Offene Systeme, zum Beispiel der Wärmeübertrager in Abbildung 4.2 links, werden von Medien durchflossen. Energie wird dort zwischen Fluid 1 und Fluid 2 ausgetauscht.
Ein abgeschlossenes System ist dagegen (in guter Näherung) eine Thermoskanne nach dem Befüllen. Solange Sie kein Getränk entnehmen, findet kein Stoffaustausch statt. Für ein abgeschlossenes System müssen Sie allerdings annehmen, dass es so gut isoliert ist, dass keine Wärme die Systemgrenze, also die Außenhaut der Kanne, überschreiten kann. Sie wissen, dass das auch bei guten Isolierkannen nicht perfekt zutrifft.
Geschlossene Systeme, zum Beispiel ein mit einem Kolben verschlossener Zylinder (4-Takt-Verbrennungsmotor, solange die Ventile geschlossen sind), haben eine materieundurchlässige Systemgrenze. Die Anzahl der Atome beziehungsweise Moleküle bleibt in einem geschlossenen System konstant, auch wenn die Systemgrenzen sich verschieben, siehe Abbildung 4.2 rechts (Systemgrenze 1 wird zu Systemgrenze 2 vergrößert). Ein Energie- beziehungsweise Wärmeaustausch mit der Umgebung findet allerdings durchaus statt und ist hier sogar gewollt.
Abbildung 4.2 Offenes und geschlossenes System
Systeme werden weiterhin unterteilt in
adiabate und
rigide Systeme.
Adiabate Systeme sind wärmeundurchlässig, rigide Systeme arbeitsundurchlässig. Speziell adiabate Systeme werden in der Verfahrenstechnik häufig betrachtet, wenn ein System mit Dämmmaterial so gut isoliert ist, dass durch dieses Dämmmaterial Wärme weder nach außen noch nach innen dringen kann. Dies vereinfacht häufig die Berechnung.
Die oben betrachtete Thermoskanne ist ein adiabates System. Ihr Haus, Ihre Wohnung oder Ihr Zimmer sollten möglichst auch ein adiabates System sein. Dann sparen Sie im Winter enorm Heizkosten.
Seltsame Zustände sind das
Der verfahrenstechnische Begriff des Zustands hat nichts damit zu tun, wie Sie sich fühlen. Auch ob Sie nach Alkoholgenuss in einem fahrtüchtigen Zustand sind oder nicht, interessiert vielleicht Sie (und die Polizei), ist für die Verfahrenstechnik aber unbedeutend.
Jedes System lässt sich mit physikalisch messbaren Größen beschreiben wie zum Beispiel Druck, Temperatur, Geschwindigkeit und so weiter. Gut, Ihr Alkoholgehalt lässt sich auch messen. Diese Eigenschaften des Systems sind variabel, ändern sich mit der Zeit. Das passt immer noch zum Alkoholgehalt. Nehmen die physikalischen Größen konstante Werte an, ist dies der Zustand des Systems. Ihr Alkoholgehalt sollte besser kein konstanter Systemzustand sein.
Die Zustandsgröße beschreibt den Zustand eines betrachteten Systems, der Weg, auf dem dieser Zustand erreicht wird, ist nicht von Interesse.
Abbildung 4.3 Zustandsgrößen am Beispiel eines Wasserfalls
Ein wegunabhängiger Zustand?
Abbildung 4.3 verdeutlicht diese scheinbar ungewöhnliche Betrachtungsweise. Die 3 Personen a, b und c befinden sich im System »Fluss mit Wasserfall und Ufer«. Am Kopf des Wasserfalls haben alle drei Personen den gleichen Zustand 1 (Energieniveau 1). Alle 3 wollen an den Fuß des Wasserfalls (Zustand 2, Energieniveau 2). Person a nimmt den kürzesten und schnellsten, aber auch gefährlichsten Weg und springt direkt den Wasserfall hinunter. Person b ist hier wesentlich vorsichtiger und wählt den längeren Weg über die Serpentinen des Wanderwegs. Person c hat zufällig seinen Gleitschirm dabei und lässt sich so an den Fuß des Wasserfalls tragen. Wie schnell und gefährlich das ist, hängt von den Windverhältnissen und dem Können des Gleitschirmfliegers ab. Sind alle am Fuß des Wasserfalls angekommen (Zustand 2), werden Sie merken, dass alle wiederum das gleiche Energieniveau aufweisen, sie befinden sich im Zustand 2. Wenn Sie nur Anfangs- und Endpunkt betrachten, ist der Weg völlig unerheblich.
Bei der Zustandsgröße haben Sie nur die potenzielle Energie in Zustand 1 und Zustand 2 betrachtet. Der Weg zwischen diesen beiden Zuständen interessiert Sie nicht. Der Aufwand, mit dem die 3 Personen von Zustand 1 nach Zustand 2 gelangt sind, ist dagegen völlig unterschiedlich. Während Person b wahrscheinlich ziemlich außer Atem, aber völlig unversehrt im Zustand 2 ankommt, musste sich Person a absolut nicht anstrengen. Wie unversehrt sie den Zustand 2 erreicht, bleibt allerdings fraglich. Sie sehen, das Ziel, der Endpunkt, ist entscheidend, nicht der Weg (da wird mancher Wanderer anderer Meinung sein). Betrachten wir allerdings den Prozess, wie die drei Personen von Zustand 1 nach Zustand 2 gekommen sind, hängt dieser natürlich durchaus vom zurückgelegten Weg (der geleisteten Arbeit) ab – dazu gleich mehr.
Zustandsgrößen
Ein System wird eindeutig durch die Angabe von Zustandsgrößen beschrieben. Es wird unterschieden zwischen
intensiven und
extensiven Zustandsgrößen.
Intensive Zustandsgrößen ändern sich bei unterschiedlicher Größe des betrachteten Systems nicht, dies gilt zum Beispiel für Druck p und Temperatur T.
Extensive Zustandsgrößen sind dagegen zur Teilchenzahl im System proportional, wie zum Beispiel das Volumen V, die Masse m oder die Stoffmenge n.
Sie können weiterhin unterscheiden in
thermische und
kalorische Zustandsgrößen.
Thermische Zustandsgrößen sind Druck p, Temperatur T, Volumen V und Konzentrationen. Thermische Zustandsgrößen sind direkt messbar.
Kalorische Zustandsgrößen sind von der »Wärme« abhängig. Dies sind zum Beispiel die innere Energie U, die Entropie S und die Enthalpie H, die Sie später noch näher kennenlernen werden. Kalorische Zustandsgrößen müssen Sie mittels der thermischen Zustandsgrößen berechnen.
p, V-Diagramm
Um die Abhängigkeit verschiedener Zustandsgrößen voneinander zu zeigen, werden Zustandsdiagramme verwendet. Am gebräuchlichsten ist das p,V-Diagramm, wo der Druck p über dem spezifischen Volumen v mit der Temperatur T als Parameter aufgetragen ist, siehe Abbildung 4.4. In diesem Diagramm können Sie sehr gut Linien erkennen, bei denen eine Zustandsgröße konstant bleibt:
Isotherme: Linie konstanter Temperatur,
Isobare: Linie konstanten Drucks und
Isochore (sprich »Iso-kore«): Linie konstanten Volumens.
Abbildung 4.4 p,V-Diagramm
Prozesse
Als Prozess wird die Änderung eines Zustands bezeichnet.
Bei einem Prozess wird der Energieinhalt eines Systems verändert, das System geht von einem Zustand in einen anderen über. Prozessgrößen beschreiben daher im Gegensatz zu Zustandsgrößen einen Prozessschritt zwischen zwei Zuständen.
Bei jedem Prozess ändert sich der Zustand des Systems, es erfolgt eine Zustandsänderung.
Prozesse können
stationär oder
instationär
ablaufen.
Bei einem stationären Prozess sind die Randbedingungen des Systems zeitlich konstant. Ein instationärer Prozess ist demgegenüber ein Prozess, bei dem sich die Randbedingungen mit der Zeit ändern.
Zusammenfassend können Sie Folgendes sagen: Der Prozess ist dafür verantwortlich, dass ein System von einem Zustand in einen anderen überführt wird.