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2. Leben – nur durch ein Häutchen der Begrenzung möglich

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Glaubte man in den 50er-Jahren des vorigen Jahrhunderts noch daran, das Leben sei vor 600.000 Jahren entstanden, geht man heute davon aus, dass die Entstehung vor 3,85 Mrd. Jahren begann. In der Erdgeschichte ein sehr früher Zeitpunkt, denn erst vor 3,9 Mrd. Jahren war der Erkaltungsprozess so weit fortgeschritten, dass sich auf der zähflüssigen und glühend heißen Planetenkugel so etwas wie eine feste Erdkruste bilden konnte. Trotzdem ein ziemlich ungemütlicher Ort, wo düstere Regenwolken mit sintflutartigen Regenfällen für allmähliche Abkühlung sorgten und die Ur-Ozeane entstanden. Die Rohbausteine des Lebens wie Sauerstoff, Wasserstoff, Kohlenstoff und Stickstoff sowie die daraus zusammengesetzten einfachen Verbindungen Wasser, Kohlendioxid, Methan und Ammoniak waren zweifellos vorhanden. Doch wie sollten sich daraus hochkomplexe Moleküle bilden mit Hunderten von Atomen und dreidimensionalen Strukturen? Wie entstanden Nukleinsäuren, die Träger des genetischen Codes? Wie Hämoglobin oder Chlorophyll, die eine bedeutsame Rolle im Energiestoffwechsel des tierischen bzw. pflanzlichen Organismus’ spielen? Alle diese Moleküle werden seit Jahrmillionen von Pflanzen und Tieren gebildet, die sich vor 3,85 Mrd. Jahren noch lange im evolutionären Dornröschenschlaf befanden. Biochemikern verursachte insbesondere in den 1950er-Jahren ein Problem unruhige Nächte: Wie konnten die Bausteine der Biologie in einer abiotischen Umwelt entstehen? Mit komplizierten Laborapparaturen war dies möglich, aber derartige Apparaturen existierten zum gegebenen Zeitpunkt nicht. Der US-amerikanische Biologie und Chemiker Stanley Miller (1930-2007) ging getreu dem Motto „in simplicitate veritas“, im Einfachen liegt Wahrheit, einen anderen Weg. Er imitierte den Zustand der frühen Erdkugel in einem Glaskolben, der zur Hälfte mit Wasser gefüllt war, darüber befand sich ein Gemisch aus den Gasen Wasserstoff, Methan, Sauerstoff, Stickstoff und Ammoniak. In diesem Gasgemisch wurden regelmäßig Funken erzeugt und das Ganze wurde bis zum Kochen erhitzt. Schon 24 Stunden später konnte er die wichtigsten Aminosäuren Glycin, Alanin und Asparagin nachweisen. Aminosäuren gelten als die „Bausteine des Lebens“. Der erste Schritt war getan. Im nächsten mussten sich die Aminosäuren zu Proteinen, also komplexen Eiweißmolekülen verknüpfen, aus denen die wesentlichen Funktionseinheiten der Pflanzen und Tiere bestehen. Dazu gehören die oben schon erwähnten Moleküle Chlorophyll und Hämoglobin, aber auch alle anderen Gewebsstrukturen und Organe können ihre Aufgaben nur durch Proteine erfüllen – und durch Nukleinsäuren (DNA und RNA), die den Aufbau der Proteine bestimmen. Doch was nützen alle die Bausteine des Lebens, so lange sie orientierungslos im Ur-Ozean umherschwirren? Nichts. Leben konnte erst durch Membranen entstehen, feinen, filmartigen, aus Eiweiß und Fettmolekülen bestehenden Strukturen, die das Innen vom Außen trennen und das Innere weiter unterteilen, die bestimmen, welche Stoffe und Moleküle nach innen wie nach außen gelangen.

Leben konnte erst durch Membranen entstehen, Strukturen, die das Innen vom Außen trennen.

Die Membran, genauer gesagt die Plasmamembran, ummantelt jede Zelle mit einem Fettfilm, der für wasserlösliche Stoffe und Ionen nahezu undurchdringlich ist. Die Zelle ist nun in der Lage, einen Binnenraum mit einem anderen Milieu als außen zu schaffen. Das Prinzip Grenze ist bei Membranen nicht starr undurchlässig, sondern speziell und flexibel. Es existieren in der nach außen gerichteten Zellmembran kohlenhydrathaltige erkennende Moleküle zur Identifizierung von Viren, Bakterien oder Toxinen. Auch die Einteilung der Blutgruppen beim Menschen ist durch drei unterschiedliche Moleküle auf den roten Blutkörperchen so geregelt und es resultieren die Blutgruppen A, B und O. Durch Eiweißmoleküle, den sogenannten Proteinen, wird der Stoffwechsel mit dem Außenraum gesteuert. Eine passive Durchlässigkeit besteht nur für wenige Substanzen, beispielsweise für bestimmte Gase wie Sauerstoff oder Kohlendioxid. Alle größeren Moleküle und selbst physiologisch wichtige Substanzen wie Zucker und Aminosäuren werden durch spezifische Proteine erst einmal identifiziert und danach ins Innere der Zelle transportiert. Aus Milliarden verschmolzenen Zellmembranen, die das Blutgefäßsystem auskleiden, wird die lebenswichtige Blut-Hirn-Schranke beim Menschen gebildet. Sie dient als Barriere für Substanzen, die nicht in das Gehirn gelangen sollen. Sie ist jedoch nicht im gesamten Gehirn vorhanden, sonst würden Psychopharmaka oder Drogen keine Wirkung haben.

Die Membran spielt nicht nur eine wichtige Rolle in der Abgrenzung der Zelle zum äußeren Milieu. Auch im Inneren ist das Prinzip der Membran unerlässlich und Membransysteme unterteilen die Zelle in unterschiedliche Funktionsbereiche. Dabei sind die Mitochondrien für die Herstellung energiereicher Moleküle zuständig. Die innere Membran dieses Zellbereiches ist wiederum stark gefaltet, wodurch eine größere Oberfläche und mehr Molekülumwandlungen stattfinden können. Der Zellkern enthält die DNS und ist u. a. für die Reproduktion zuständig. In den Lysosomen sind Enzyme zur Verdauung enthalten. Nur durch Abgrenzung können all diese Zellkompartimente funktionieren.

Durch das Andocken von Neurotransmittern und Hormonen an bestimmten Rezeptormolekülen in der Membran werden weitere Informationen übertragen, die in den jeweiligen Zellen bestimmte Reaktionen auslösen.

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