Читать книгу Kann Mahler Monroe lieben? - C.-A. Rebaf - Страница 7
Unterwegs mit Erdfrüchten
ОглавлениеAn einem warmen Spätsommertag wollte ich mich gerade zur nahe gelegenen Stadt begeben. Der Weg, der früher einmal eine asphaltierte Landstraße gewesen war, stellte heute nur noch eine Ansammlung von Schlaglöchern dar. Ich verließ soeben mein Dorf und passierte die letzte Hausruine an der Straße. Dann kamen die Felder, von denen nur einige bestellt waren. Dazwischen wuchs auffallend hohes Gebüsch, aus dem die neuen Baumriesen hervorragten. Der radioaktive Fall-out nach der Katastrophe soll deren Wachstum verursacht haben. Als diese Mutationen die ersten Male aufgetreten waren, hatte man sich noch gewundert. Heute, später, gehörten sie bereits zur normalen Landschaft: Bäume wie tropische Urwaldriesen standen jetzt hier in Oberbayern. In Hiroshima sollen nach dem Bombenabwurf auch überdimensional große Blumen geblüht haben. Aber das war ja lange, lange vor der Katastrophe gewesen, die nur wenige Menschen überlebt hatten. Die meisten waren allerdings an ihren Folgen, nicht am Ereignis selbst gestorben. Heute in der Zeit danach leiden wir immer noch sehr unter den Auswirkungen, sagten einige. Aber die meisten hatten sich wie ich arrangiert. Meine Eltern hatten die Katastrophe überlebt. Denn sie gehörten zu denen, die zunächst eine natürliche Toleranz gegenüber radioaktiver Strahlung aufwiesen. Nur solche Menschen überlebten. Aber auch meine Eltern sind inzwischen an den Spätfolgen gestorben. Ich hingegen war noch sehr klein gewesen, als es geschehen war, und habe ihre Resistenz-Gene wohl geerbt.
Da blitzte mir in der Mittagssonne etwas Golden-Metallisches neben meinem Weg vom Feld her entgegen. Ein harter, scharfer Lichtstrahl, eine Reflexion blitzte dort kurz auf. Da hielt ich inne und ging auf das Feld: Das obere Ende eines Zylinders ragte dort aus der Erde. Offensichtlich war der Gegenstand durch das letzte Umpflügen an die Oberfläche geworfen, aber nicht beachtet worden. Eilig begann ich mit bloßen Händen zu graben und hielt kurz darauf einen knapp ein Meter langen Zylinder in der Hand. Er war aus Bronze oder Kupfer, und Grünspan bedeckte fast die gesamte Oberfläche. Warum blieb eine kleine Fläche des Metalls an der Oberseite frei, sodass ich die Lichterscheinung sehen konnte? Der Zylinder war in zwei Hälften geteilt; und seine Mitte war so gearbeitet, dass man sie aufschrauben können sollte. Das versuchte ich, aber es gelang mir nicht. Kurzerhand steckte ich das Ding in den Rucksack und ging meines Weges. Was mochte sich darin wohl befinden? Gold? Diamanten? Papiere?
Von Ferne ragte ein ausgebrannter Kirchturm aus einer Ansammlung von Mauerresten. Das war sie, die nahe Kleinstadt oder – besser – war sie früher einmal gewesen. Nur wenige Häuser waren bewohnt. Wir brauchten die anderen Ruinen nicht mehr. Es lebte heute, nach der Katastrophe, vielleicht noch ein Prozent der Menschen, vielleicht auch weniger. Niemand wusste das so genau. Wir befanden uns wieder im Mittelalter, wohnen in kleinen Gruppen, fast ohne jegliche Vernetzung untereinander. Meine Eltern hatten mir einmal etwas von Reisen erzählt. Schon dieses Wort kannten wir eigentlich nicht mehr, denn man konnte nicht mehr reisen. Es gab keine Transportmittel und keine Straßen mehr. Früher sollte es möglich gewesen sein, sich wie ein Vogel auch durch die Lüfte fort zu bewegen. Das vermochte ich mir überhaupt nicht mehr vorzustellen. Wir pflegten nur noch zu Fuß zu gehen und legten auf diese Weise Entfernungen zurück, die wir in ein, maximal zwei Stunden schafften. Länger sollte man sich auch nicht an einem Stück draußen aufhalten.
Es war ruhig hier auf meinem Fußmarsch, und so konnte ich mich ganz meinen Gedanken hingeben. Nur die Vögel zwitscherten. Ganz von ferne hinter mir hörte ich einen meiner Nachbarn mit seinem Paco-Paco ein Feld abernten. Ich kannte das Motorengeräusch. Nach der Katastrophe hat ein überlebender Südamerikaner diese Art Vehikel aus alten Schrottautos gebaut und ihm den Namen seiner Heimatsprache gegeben. ‚Paco-Paco‘ gab so wunderbar lautmalerisch das Geräusch des Diesels wieder. Diese Ungetüme bestanden aus einem alten Motor, der von einem Holzvergaser angetrieben wurde. Holz wuchs nach der Katastrophe in Hülle und Fülle hier. Wir brauchten es zum Heizen und für das wenige Licht am Abend. Normalerweise standen wir mit der Sonne auf, und wenn sie unterging, verlangsamte sich das Leben deutlich und wenig später gingen wir schlafen.
Immer noch spürte ich in meinem Rucksack etwas – in diesem Fall unangenehm Hartes – an meine Rippen drücken. „Ach ja, da ist ja noch der verwunschene Metallzylinder!“, fiel es mir wieder ein.
Nur unser Nachbar im Dorf besaß seinen Paco bei uns hier. Früher soll einmal jede Familie ein eigenes Auto besessen haben. Unglaublich! Sie hatten Treibstoff dafür an Tankstellen verkauft. Das kann ich mir nicht vorstellen. Woher kam gleich nochmal dieses Teufelszeug, das die Autos antrieb?
Ich trug Kartoffeln auf dem Rücken, die ich in der Stadt eintauschen wollte. Dort gab es Händler, die in der Gegend umherstreiften und aus früheren Zeiten Nützliches aufspürten: einen Kochtopf, ein Ofenrohr, einen Ofen. Dieses Zeug lag in verlassenen Häuserruinen. Die Krämer sammelten alles ein und boten es auf dem Markt zum Tausch an.
Herr Mayr, der Händler in der Nachbarstadt, zu dem ich jetzt gerade gehen wollte, hatte sich kürzlich auch einen Paco gekauft. Seine Geschäfte schienen gut zu laufen – sogar bis nach München. Aber das war auch gefährlich, weil es gerade dort immer noch außerordentlich hoch verstrahlt war. Doch diesen Umstand musste er in Kauf nehmen – Berufsrisiko. Außerdem war es sehr beschwerlich, auf diesen Straßen mit einem Paco vorwärts zu kommen. Mehr als Schritttempo war da sowieso nicht drin.
So trödelte ich gedankenverloren vor mich hin und kam gerade an der ersten Hausruine der Stadt vorbei. Die meisten Häuser waren bis auf die Grundmauern abgebrannt. Früher hatte hier das sogenannte ‚italienische Viertel‘ von Weilheim gestanden. Heute sah es aus wie das ausgegrabene Pompeji. Nur einzelne Steinwände ragten mit hohlen Fensterlöchern wie übergroße Skelette ins ‚Stadtbild‘. Große Riesen, Holunderbüsche mit schweren Fruchtdolden, hatten die geschwärzten Wände begrünt.
Mir fiel wieder der Metallzylinder ein. Was sich wohl darin befinden mochte? Doch ich musste mich noch gedulden.
In meinem Rucksack hatte ich Kartoffeln, die in meinem Garten gewachsen waren. Die wollte ich bei Herrn Mayr gegen einen Ofen eintauschen. Nur ein paar Kilo als Qualitätsprobe trug ich jetzt zu ihm. Mayr sollte dann mit seinem Paco kommen, den Ofen bringen und die drei Säcke mitnehmen. Ich besaß ein großes Kartoffelfeld und brauchte für mich und meinen kleinen Jungen nur wenige Erdfrüchte den Winter über, sodass wir einen Überschuss hatten. Ein zweiter Ofen für unser Schlafzimmer wäre allerdings für die kalte Jahreszeit eine große Erleichterung gewesen. Das war mein Vorhaben.
Ich träumte in der himmlischen Ruhe vor mich hin, als mich plötzlich ein ungewohntes Knattern aufschreckte: Ein mir unbekannter roter Paco-Paco mit einer Karosserie aus Sperrholz um den Fahrgastraum bahnte sich mühsam den Weg aus der Stadt in Richtung meines Dorfes und kam mir entgegen. Als er gerade an mir vorüber fuhr, sah ich einen Fahrer im Fond und einen unbekannten Mann auf dem Rücksitz.
Sofort schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass ich dieses Gesicht schon einmal gesehen hätte. Aber wo nur? Der Fremde nickte mir ebenfalls gedankenverloren zum Gruß zu, und schon war das Gefährt an mir vorbei mit dem vorne offenen Zweizylinderdieselmotor, auf dem die Buchstaben M.A.N. noch deutlich zu sehen waren. Hinten auf einer Art Ladefläche befanden sich Holzscheite sowie das Ungetüm von Kessel, unter dem das Feuer brannte, eben der typische Holzvergaser. Gab es etwa einen Reisenden hier? Hier im Pfaffenwinkel? Was wollte hier jemand?
Viele Fragen! Ich wanderte meines Weges und überlegte angestrengt, woher mir dieses Gesicht mit einer runden Nickelbrille und einer hohen Stirn so bekannt vorkam – doch ohne Ergebnis.
Herrn Mayr – ein freundlicher Oberbayer, den man im bayrischen Dialekt als ‚g’wampert‘ bezeichnet hätte – hatte ich noch nie unfreundlich erlebt. Sein sonniges Gemüt wurde durch seine tägliche halbe bis ganze Maß ständig erhellt. Aber trotz allen Optimismus und aller Lebenslust war er nicht leicht zu übervorteilen. Er war eben auch einer von der Sorte ‚Bier ist Bier und Schnaps ist Schnaps‘! Gründlich begutachtete er meine mitgebrachten Kartoffeln und wartete ab, welchen Tausch ich ihm anbieten würde.
„Davon habe ich noch drei Zentner eingelagert, die ich gerne gegen einen stabilen Ofen eintauschen würde.“
„A was!“, war seine knappe Antwort, mir weiterhin immer listig die Rede überlassend. Ich wollte schließlich etwas von ihm, also überließ er mir zunächst die Gesprächsführung.
„Haben Sie denn schon ausreichend Vorräte?“, versuchte ich, ihn aus der Reserve zu locken. „Mit Kartoffeln kann man sicher gute Geschäfte machen!“
„Wie maanenS’?“, kam es aus ihm heraus, und er tat plötzlich sehr geistesabwesend.
Aber auch ich verspürte kaum Lust, weiter in ihn zu dringen, da mir plötzlich der Fremde und der Metallzylinder wieder einfielen. Der Unbekannte, der mir mit seinem Fahrer in dem roten Paco entgegengekommen war: Was wollte der? Ein Reisender auf dem Weg nach Polling? Ich starrte vor mich hin ins Leere, und das Gespräch stockte ganz plötzlich. Mayr wurde es auf einmal sichtbar ungemütlich, da ich mich weigerte, weiter zureden.
„Scheesanns’, Ihre Kartoffeln.“ Ich war sehr überrascht, seine Stimme so klar und deutlich zu hören. Sie riss mich geradezu aus meiner Grübelei.
„Gelt?“, strahlte ich ihn an und versuchte, ihn mit meinem verführerischsten Schlafzimmerblick von der Seite anzuschauen! Hatte ich ihn jetzt?
„Ja, an was für’n Offa hätt’n S’ dann gedacht, gnäd’ge Frau?“ Aha, mein Blick zeigte Wirkung! Es funktionierte doch immer wieder, das schöne Spiel zwischen den Geschlechtern!
„Na, einen aus Eisen für unser Schlafzimmer. Da ist es im Winter immer so kalt. Holz zum Heizen haben wir ja genug.“
„Ich hätt’ da schon was füa Eana. Aber drei Zentna sann ned fuil! Und der Offa is’ no’ an oiled Qualidäd!“
War doch nicht tief genug, mein Blick, und mir war klar, nachzulegen nützte jetzt wenig; jetzt musste ich mich bewegen.
„Ich hab leider nicht mehr an Kartoffeln. Die restlichen brauchen wir selbst.“
„Na, Gnäd’ge, mehr Klöß’ ess i über d’ Winder au ned. Aber s´nächst Joahr wär’n Reiberdatschi a ned bläd! Und ’s Joahr druff au ned.“
„Nächstes Jahr!“, stieß ich überrascht hervor und schluckte. „Weiß ich, wie die Ernte dann ausfällt? Das kann ich Ihnen doch guten Gewissens nicht zusagen.“ Jetzt war ein weiteres verführerisches Lächeln angesagt, und ich schenkte es ihm. Dankbar nahm er es auf.
„Also guad. Sechs Zentna in de nächst’ Joahr! Da kimm i Eana weid entgegn!“ Aha, jetzt begann das Feilschen!
„Aber, Herr Mayr“, ich himmelte ihn geradezu an, „Sie wollen mich doch nicht übers Ohr hauen, oder?“ Und ich erhob schelmisch meinen warnenden Zeigefinger. In Mayrs Gesicht erkannte ich, dass es ihm doch jetzt peinlich wurde. Gut, ich war meinem Ziel einen deutlichen Schritt näher gekommen und hatte wieder einen Punkt für mich gewonnen.
„Ich schlage vor, Sie zeigen mir erst einmal den Ofen, und dann reden wir weiter“, versuchte ich, den Handel wieder auf eine sachliche Ebene zu heben, was Mayr sehr dankend annahm, traten denn auch schon kleine Schweißperlen auf seine Stirn.
„Gnäd’ge Frau, das is’ a goada Vorschlag.“ Schon ging er voraus in sein Lager, das auf der gegenüberliegenden Seite des Hofes gelegen war. Er holte sein riesiges blau-weißes Karo-Sacktuch aus der Krachledernen, tupfte aufgeregt die Stirn ab und wischte sich über den Stiernacken.
Das Anwesen war wohl ein sehr alter Bauernhof mit Wohnhaus, Stall und Scheune, die um den quadratischen Hof angeordnet und mit einer hohen Mauer eingezäunt waren. Durch die Katastrophe war es völlig ausgebrannt und mit Zeltplanen, Blechen, Strommasten als Stahlträgern und allerlei weiterem improvisierten Material wieder notdürftig aufgebaut. In der Scheune befand sich sein Lager, im Stall rechts daneben standen wieder Tiere, es roch nach Schweinen, Schafen, Ziegen und Hasen.
Sein riesiger Paco-Paco, ein Dreiachser mit einem Dreizylinder-Dieselmotor und großer Ladefläche, stand im Hof. Der Holzvergaser nahm bei diesem Gefährt die Stelle des Beifahrersitzes ein und konnte so vom Fahrer auch während der Fahrt leicht beheizt werden.
Trotz seiner kurzen Beine war Mayr flink, so dass ich Mühe hatte, ihm zu folgen. Als wir an dem Fahrzeug vorbei kamen, ließ ich eher beifällig fallen: „Dürfte ich Sie bitten, auch den Transport des Ofens zu übernehmen? Bei der Rückfahrt könnten Sie ja gleich die Kartoffeln mitnehmen.“ Er tat, als ob er es überhört hätte, aber ich wusste, er hatte es sehr wohl auf geschnappt.
Wir stöberten kreuz und quer durch sein Lager. Mayr kam noch mehr ins Schwitzen, denn er fand den Ofen nicht auf Anhieb und musste ständig Dinge aus dem Weg räumen, da er dachte, er würde den Ofen dahinter finden. So wertvoll, wie er tat, schien das angepriesene Stück also nicht zu sein! Endlich hatte er ihn gefunden.
„Na, Gnäd’ge, hoab ich z‘vuil vasproacha?“
Der Ofen war ziemlich verrostet, aber mit alten gusseisernen Platten und Verzierungen versehen. Wenn wir den reinigen würden, wäre er schon richtig. Ich fuhr mit der Hand über seine Oberfläche, und Staub wirbelte auf. Übertrieben spielte ich in dieser Szene die Rolle der Naserümpfenden und brachte sogar einen einigermaßen glaubhaften Niesanfall zustande. Verächtlich wendete ich meinen Blick von dem guten Stück ab und drehte mich entrüstet meinem Begleiter zu: „Nein, Herr Mayr, diese Dreckstück bieten Sie mir für meine wunder-schöne Kartoffeln an?“
Mayr zuckte etwas zusammen.
„Und Sie wollen dafür sogar sechs Zentner Kartoffeln verlangen?“ Ich schaute ein wenig mütterlich-tadelnd von oben auf ihn herab. Dieser Rollenwechsel von der zuvor Verführenden zur jetzt strengen Mutter war strategisch sehr wirkungsvoll.
Ich tat so, als wollte ich mich gerade abwenden, als er mir in die Augen schaute und leise sagte: „Fünf Zentna.“ Jetzt hatte ich ihn soweit!
„Vier“, kam es scharf aus meinem Mund.
Er tat, als ob er einen Schlag erhalten hätte, und sagte seine Standardformel auf: „Gnäd’ge, Se ruiniere ma!“
Ich wusste, dass das sein Okay war, und setzte noch drauf: „Aber ich erhalte noch einen Rest hitzebeständige Eisenfarbe, damit wir das gute Stück nach der Bearbeitung auch ins Schlafzimmer stellen können.“
Er war einverstanden und fügte hinzu: „I bring Eana des Ding nächst’ Woch’.“
Wir verabschiedeten uns voneinander, und ich freute mich innerlich, doch einen guten Handel abgeschlossen zu haben.
Es war doch kein Fehler von meinem Vater als Heranwachsende einiges gelernt zu haben. Darunter war neben einem großen Wissen um die klassische Musik auch das Feilschen: Er brachte mir alle Tricks bei, die Männer so beim Aushandeln von ‚Deals‘ drauf haben, um sich dabei gegenseitig über‘s Ohr zu hauen. Meine Mutter sagte damals zu ihm nicht nur einmal: „Mein Gott, sie ist doch ein Mädchen, Du erziehst sie wie einen Jungen!“
Jetzt wurde es schon langsam dunkel, und ich begab mich schnell und zufrieden auf den Rückweg in mein Dorf.
Zu Hause fand ich den Metallzylinder in meinem Rucksack wieder und betupfte die Fuge des Schraubverschluss mit etwas Essig. Es zischte, nach ein paar Tropfen Öl und mit etwas Geduld, konnte ich ihn endlich drehend öffnen.
Darin befand sich ein Kinoplakat aus Zeiten vor der Katastrophe. Es war eine blonde Frau mit einem großen Busen in einem weißen Neckholder-Kleid zu sehen. Sie stand auf einem Gitterschacht, aus dem wohl ein Luftzug nach oben wehte und ihren weiten leichten Rock in die Höhe hob. Das Gesicht der Frau zeigte, dass sie zwar erschrocken versuchte, aus Scham ihren Rock nach unten zu ziehen, die schelmische Komponente ihres Lächelns signalisierte dem Betrachter jedoch deutlich, dass sie dem Windhauch aus dem Schacht eher dankbar war, dass er die Entblößung ihrer wunderschönen Beine vorgenommen hatte, um ihre perfekten Konturen und Reize ihrem Begleiter oder einem anderen Mann zu zeigen, dem sie gerade auffiel. Auf diese Weise blieb sie einerseits eine schamhafte junge Frau, und nur der böse Wind war schuld an ihrer Verruchtheit! ‚Die Verführungskunst der Frauen bestehen darin, diesen Spagat zwischen Scham und Raffinesse perfekt zu beherrschen. Die Heilige und die Hure!‘, fiel meinem männlichen Teil in mir dazu ein. Meine weibliche Seite hatte nur ein verachtendes Wort dafür: ‚Flittchen!‘. Auf dem Plakat war neben der Frau eine schwungvolle Unterschrift zu lesen.
Ich fand eine leere Wand und hängte das Plakat auf. Nicht, dass ich es besonders schön gefunden hätte. Aber die kahle Wand mit dem Plakat gefiel mir besser als ohne.