Читать книгу Adler von Österreich - Camillo Schaefer - Страница 6
2. Kapitel
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Neben den zahlreichen Solennitäten zum Regierungsjubiläum des Kaisers, woran Monarchen wie Weltgäste teilnahmen, existierte innerhalb der weitläufigen Donaumonarchie wohl kaum ein einzelnes Dorf, in dem nicht weiter gefeiert wurde.
Abertausende Städte und Orte glänzten im Fahnen- und Lichterschmuck, noch auf den entlegensten Berghängen loderten grelle Freudenfeuer, noch in den einsamsten Tälern dröhnten laute Böllerschüsse.
Eines unerwarteten Todesfalls in der Redaktion halber, der den guten Herrn Kiss hinwegraffte, berichtete Arpad Papp stellvertretend von den diesbezüglichen Feierlichkeiten in Ödenburg. Den Vorschlägen des Kaisers nacheifernd, verteilten Adel und Bourgeoisie dort, wie überall in den verschiedenen Kronländern, in diversen "hochherzigen" christlichen Wohltätigkeitsakten und Stiftungen ansehnliche Summen an die unzähligen Armen.
Der Volontär verstand es, die Gelegenheit am Schopfe zu packen - einen blumenreichen Artikel hinsetzend, hob er darin die spendierfreudigsten Stadtväter und Bagatelladligen namentlich besonders hervor und lobte sie allesamt langatmig über den grünen Klee. Die ehrlichen Gemüter Ödenburgs und das waren deren nicht wenige, zollten ohne Verzug entsprechenden Beifall und seine Zuversicht wuchs.
Wohlwissend, dass jede Biographie, sogar noch die eigene, immer aus Erfindung und Tünche besteht, während sich der eigentliche wahre Lebenszusammenhang aus vielerlei widerspruchsvollen Momenten zusammensetzt, war Papp dennoch felsenfest davon überzeugt, dass ein einziger Moment aber sehr wohl alles zu entscheiden vermag. Aus seiner unterdrückten, jugendlichen Melancholie einmal ausgebrochen, erhoffte er sich jenen großen, spannungsvoll erwarteten Tag, über den einzig die höheren Mächte gebieten, wie ein plötzlich herabsegelndes, von einer fernen Gottheit gesandtes Leuchtschiff, das ihn mit gewaltiger Energie aus der dumpfen Flut menschlicher Lemminge fortreißen sollte, sobald nur die Zeit dafür reif sein und das Festhalten an diesem Glauben die Sache wie von selbst regeln würde.
Währenddessen war das Kaiserpaar, das die fortgesetzten Huldigungen der ungarischen Reichshälfte in den letzten Novembertagen höchstpersönlich in Budapest entgegengenommen hatte, inzwischen wieder nach Wien abgereist. Die Reichshaupt- und Residenzstadt blieb das Zentrum sämtlicher weiterer Feiern, zu denen sich die Mitglieder des Erzhauses, Generäle und Kirchenfürsten, die Abgesandten der verschiedenen Länder und der Körperschaften einstellten.
Zur Erinnerung an das große Ereignis, hatte man seitens der Wiener Stadtverwaltung sogar eine eigene Stiftung ins Leben gerufen, über deren Bestimmung der Monarch selbst huldvoll zu verfügen geruhte. Für Papp war es eine Ehre, darüber berichten zu können, ohne dabei gewesen zu sein – sogar der Redakteur Toth lobte seine blühende Phantasie. Während das ferne Wien seine erste Hochquellenwasserleitung bekam, mit gelinden Erstaunen ins geschäftige Redaktionsbureau gerufen, erhielt Arpad Papp - im Städtchen bereits allseits als begabtes, aufstrebendes Talent der Feder bekannt, das auch bereits vermischte Reportagen abliefern durfte -, daher seinen ersten namhaften Auftrag.
Ein 3. Klasse-Billet der Raab-Ödenburger-Bahn sowie einen Spesenvorschuss in der Tasche, reiste er auf einer harten Holzbank, im ungeheizten Abteil frierend wie ein Schneider, durch die frostige, verschneite Landschaft unvermittelt zur großen Berichterstattung über den kommenden Hauptfesttag hocherhobenen Hauptes erstmals beglückt nach Wien.
Am Morgen des 2. Dezember 1873, der trist und grau durch das einzige Fenster des vorstädtischen Pensionszimmers flutete, weckte ihn der entfernte Donner von exakt 101 Kanonenschüssen. Die zugeschneiten Scheiben klirrten, Taubenscharen flogen verstört von den Dächern auf. Den nach Alkoholdunst riechenden Lohnkutscher zu höchster Eile antreibend, gelangte der äußerst aufgeregte Papp in zwar halsbrecherischem Tempo, aber noch mit heilen Knochen, in die Innere Stadt, um seinen Auftrag pflichtgemäß erfüllen zu können.
Nachdem dem Kaiser schon in der Frühe die Glückwünsche seiner Familie, des Hofstaates, der Armee, der Minister sowie der Landtagsdeputationen entgegengebracht worden waren, zelebrierte Kardinal Rauscher ein feierliches Hochamt im hell erleuchteten Stephansdom. In den Kasernen fanden Paraden und Feldgottesdienste statt, im Rittersaal der Hofburg, worin Feldmarschall Erzherzog Albrecht im Namen des Heeres dem Obersten Kriegsherrn seine Gratulationsadresse aussprach, hatte sich neben den übrigen Erzherzögen beinahe die gesamte Generalität eingestellt. Der Kaiser dankte seinerseits mit seltsam belegter Stimme - als er die Kriegsgefallenen erwähnte, ergriff ihn, trotz sichtbarer Selbstbeherrschung, eine so tiefe Rührung, dass er seine Ansprache erst nach einigen Augenblicken fortsetzen konnte.
Letzteres hob der schlaue Arpad Papp in seinem Exklusivbericht, der in Ödenburg allgemein begeisterte Zustimmung fand und in allen Wein- und Bierhäusern sowie auf Straßen und Plätzen als fettgedruckte Sonderausgabe feilgeboten wurde, ganz besonders hervor.
Plötzlich zu einem Markenzeichen geworden, lüftete man im Städtchen vor ihm schon von weitem den Hut, sprach ihn mit Herr an, gab ihm den Platz seiner Eltern in der Kirchenbank wieder und lud ihn beim Frühschoppen gern zu sich an den Tisch.