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Q

Als Serena wieder zum Haus ihrer Tante zurückfuhr, machte sich in ihrer Magengegend ein Hauch von Beunruhigung bemerkbar. Das war so gar nicht gelaufen, wie sie gehofft hatte. Sie hatte gedacht, ihre Rückkehr nach Skye könnte auch eine Chance sein, ihre Fähigkeiten und Kenntnisse in Betriebswirtschaft aufzufrischen, die jetzt schon so lange ungenutzt waren. Sie hatte vorgehabt, sich um die Weiterentwicklung des MacDonald Guest House zu kümmern und dadurch eine angenehme Ablenkung zu haben, weil ihre Tage ansonsten nur mit Hausarbeit gefüllt waren.

Und nachdem sie kaum einen Fuß ins Hotel gesetzt hatte, hatte Malcolm Blake sie schon nicht leiden können. Jedenfalls hatte er sie mit Misstrauen und offener Feindseligkeit in Empfang genommen.

Womit hatte sie nur einen dermaßen schroffen Empfang verdient?

Als sie ihr Verhalten von gerade eben noch einmal überdachte, wurde ihr vor Sorge richtig übel, aber dann rief sie sich zur Ordnung. Nein, es war nicht ihre Schuld. Sie hatte bei der Anwendung des Buchungsprogramms einen Fehler gemacht, aber sie hatte nichts getan, was ein solches Maß an Ärger bei ihm gerechtfertigt hätte. Nicht sie war das Problem, sondern er, und ein ziemlich großes noch dazu.

Sein ruppiges Benehmen hatte sie wieder in einen emotionalen Zustand versetzt, aus dem sie sich seit langem mit viel Mühe zu befreien versuchte. Und dazu kam zu allem Überfluss auch noch der Umstand, wie sie auf ihn reagiert hatte. Schon allein bei dem Gedanken daran, lief ihr wieder ein Schauer über den Rücken.

Malcolm Blake mochte ja vielleicht nicht viel von ihr halten, aber ihr war nicht entgangen, dass er sie mit sehr viel mehr Interesse gemustert hatte, als es einer Chefin gegenüber angemessen gewesen wäre. Doch wahrscheinlich hatte sie sich das selbst zuzuschreiben, weil sie unfreiwillig, aber spürbar auf seinen Duft – eine Mischung aus maskulinem Eau de Cologne und Leder – reagiert hatte.

Gut gemacht, Serena. Die Tatsache, dass er gut aussieht und fantastisch riecht, ändert nichts daran, dass er ein Blödmann ist.

Sie hielt vor dem Haus ihrer Tante an, einem schlichten, holzverschalten Haus, das in beruhigendem Gelb und Weiß gestrichen war, und schon im selben Moment ging die Eingangstür auf und Max kam in vollem Tempo herausgesaust. Sie sprang aus dem Wagen, fing ihn genau in dem Moment auf, in dem er auf sie zugesprungen kam, und setzte ihn sich auf die Hüfte.

Er umschlang sie mit Armen und Beinen und drückte ihr einen feuchten Kuss auf die Wange. „Hallo Mami.“

„Hallo, mein kleines Klammeräffchen! Hattest du einen schönen Tag beim Tantchen?“

„Mmm-hmm. Es gab Förmchen-Sandwiches.“

Sie verlagerte ihren Sohn auf der Hüfte, holte noch ihre Handtasche aus dem Wagen und schob dann mit einem Bein die Autotür zu. Max war zwar erst drei, aber schon ziemlich schwer. Noch einmal fasste sie nach, damit er ihr nicht von der Hüfte rutschte, und ging dann Richtung Eingang.

„Förmchen-Sandwiches habt ihr also gegessen? Habt ihr die mit Keksförmchen ausgestochen?“

„Ja. Ich hatte einen Dinosaurier und Em hat Herzen gemacht.“

„Das ist ja schön! Tantchen ist eine tolle Babysitterin, nicht?“

„Mmm-hmm. Und wir haben auch noch Bonbons gekriegt.“

Schmunzelnd gab Serena ihm einen Kuss auf sein zerzaustes Haar, bevor sie ihn vor der Haustür absetzte. Als sie die Tür aufstieß, kam ihr aus der Küche der köstliche Duft von gebratenem Fleisch entgegen, und sie atmete ihn tief ein. Sobald Serena in ihr Kindheitszuhause zurückkam, hatte sie durch die dicken Polstermöbel mit dem Blumenmuster, die alten Spitzengardinen und den Duft von frisch gekochtem Essen immer sofort wieder ein heimeliges Gefühl. Es war, als würde in Muriels Gegenwart die Zeit stehen bleiben.

„Da bist du ja, Mama!“, rief Em und blickte von ihrem Buch auf, das sie auf ihrem Lieblingsplatz auf dem Sofa las. „Wie war es denn im Hotel?“

„Gut“, antwortete Serena, setzte sich auf die Sofakante und umarmte ihre Tochter. „Hattest du einen schönen Tag?“

„Ja, wir haben mit Tantchen am Meer Glasscherben und Muscheln gesammelt, bis es zu kalt geworden ist. Und dann haben Max und ich ihr beim Kochen geholfen.“

„Das riecht ja schon köstlich. Ich kann es gar nicht erwarten. Wo ist Tante Muriel denn eigentlich?“

„Hier bin ich, Liebes!“, rief Muriel ihr aus der Küche zu, kurz bevor sie dann in der Tür erschien. Sie trug eine Hose und eine seidige Bluse und das silberne Haar war wie immer perfekt frisiert. Sie trocknete sich die Hände an einem Geschirrhandtuch ab und ließ sich von Serena einen Begrüßungskuss auf die Wange geben.

„Waren die Kinder brav?“, fragte Serena und warf ihren Kindern einen gespielt warnenden Blick zu, auf den die beiden mit einer „Wer, ich?“-Miene reagierten.

„Sie waren richtige kleine Engel“, erklärte Muriel und blinzelte den beiden verschwörerisch zu, woraufhin die grinsten, als wären sie noch einmal davongekommen. Serena ging das Herz auf. Sie hatte so gehofft, dass die herzliche, heimelige Atmosphäre auf Skye ihren Kindern guttun würde und dabei hatte sie ganz vergessen, dass Muriel auch ihr selbst gefehlt hatte. Spontan nahm sie Muriel jetzt fest in die Arme und drückte sie.

„Wofür war das denn, Liebes?“

„Ich habe dich vermisst und freue mich einfach, dass ich dich wiederhabe“, antwortete sie.

Muriel unterdrückte ein Lächeln. „Ich finde es auch schön, euch wieder hier zu haben. Ich könnte gut ein bisschen Hilfe in der Küche gebrauchen, Serena. Kommst du mit?“

Serena runzelte zwar fragend die Stirn, denn Muriel brauchte eigentlich nie Hilfe in der Küche, aber sie folgte ihr trotzdem. Von ihr hatte Jamie schon als Kind kochen gelernt, und sie kochte fast so gut wie ihr Neffe – auch einer der Gründe, weshalb sie normalerweise jeden aus der Küche scheuchte. Sie musste also etwas auf dem Herzen haben.

„Ich hatte heute ein kleines Gespräch mit Em“, berichtete Muriel, nahm zwei Becher aus dem Schrank und goss den bereits fertig aufgebrühten Tee hinein. „Warum hast du mir denn nicht gesagt, dass sie einen Schulverweis bekommen hat?“

Bei dieser Frage fiel Serena sichtlich in sich zusammen. Sie hätte Muriel den wahren Grund sagen sollen, weshalb sie beschlossen hatte, für das Sommerhalbjahr nach Skye zu kommen, aber sie hatte einfach nicht gewusst, wie sie das Thema ansprechen sollte. Ihr war nicht wohl dabei gewesen, die Sache am Telefon zu besprechen, und sie hatte deshalb warten wollen, bis sie es ihrer Tante persönlich sagen konnte.

„Sie ist nicht verwiesen worden, sondern ich habe sie abgemeldet, weil das Lernklima dort nicht gut für sie war.“

An Muriels Miene war abzulesen, dass sie da keinen Unterschied erkennen konnte. „Sie hat mir erzählt, dass sie einem Mädchen an den Haaren gezogen hat, weil sie – Zitat – ‚eine blöde Kuh‘ ist.“

Serena musste sich das Lachen verkneifen. Das Gleiche hatte Em ihr auch gesagt, sich allerdings strikt geweigert, das weiter zu erklären. „Ich glaube, da hat sie absolut recht. Ich bin überzeugt, dass Sophie irgendetwas gesagt hat, was Em dann dazu provoziert hat, sich so aufzuführen. Aber Sophies Vater ist derjenige, der nach Edwards Tod seine Stelle übernommen hat und nun für die finanziellen Zuwendungen für die Schule zuständig ist.“

„Glaubst du wirklich, dass da ein Zusammenhang besteht?“

„Mit Sicherheit kann ich das natürlich nicht sagen, aber da die Schule nun mal der Firma Sunspring Energy ihre Existenz zu verdanken hat, wollen die Verantwortlichen es sich bestimmt nicht mit ihrem wichtigsten Sponsor verderben.“

„Immer dasselbe“, sagte Muriel und sah sie mitfühlend an. „Dann wird Em jetzt also in die Grundschule auf Sleat gehen.“

„Ja, nächste Woche fängt sie dort an. Ich habe beschlossen, sie für die Gälischklasse anzumelden.“

„Obwohl sie noch gar kein Gälisch spricht?“, fragte Muriel etwas erstaunt.

Das war nicht als Kritik an Serenas Entscheidung gemeint, aber Muriels Worte trafen sie trotzdem. Sie trank einen großen Schluck Tee, bevor sie erklärte: „Ein bisschen Gälisch kann sie schon. Ich habe zu Hause mit ihr geübt, und die Lehrerin hat mir versichert, dass Em in der Klasse, für die sie jetzt angemeldet ist, ihr Gälisch sehr verbessern wird. In allen anderen Schulfächern ist sie den Gleichaltrigen weit voraus, sodass das keine negativen Auswirkungen auf ihre Schullaufbahn haben wird. Außerdem geht es ja auch nur um ein Halbjahr, weil wir im Herbst wieder nach Nairn zurückgehen und sie dort eine öffentliche Schule besuchen wird.“

„Hör mal, Serena, es besteht wirklich kein Grund, Schuldgefühle zu haben, dass du hergekommen bist. Skye gehört schließlich zu deinem kulturellen Erbe. Hier sind deine Wurzeln, und dass Edward von dir verlangt hat, das alles aufzugeben, war nicht fair. Auch wenn du dich seinen Wünschen gefügt hast, als er noch am Leben war, hast du jetzt absolut das Recht, anders zu entscheiden.“

„Wer sagt denn, dass ich Schuldgefühle habe?“, fragte Serena daraufhin in scharfem Ton, aber Muriel lächelte einfach nur auf wissende, freundliche Art, sodass Serena sich wegen ihrer heftigen Reaktion richtig schlecht fühlte. Voller Unbehagen fuhr sie fort: „Jedenfalls kann ich Max noch im gälischen Kindergarten anmelden, obwohl die Anmeldefrist eigentlich schon abgelaufen ist, sodass du ihn nicht zu betreuen brauchst, wenn ich im Hotel bin.“

„Wie ist es dort denn heute gelaufen?“

„Gut“, antwortete sie, aber das klang selbst für ihre eigenen Ohren nicht besonders überzeugend. „Mr Blake hat anscheinend alles ganz gut im Griff, auch wenn er etwas … ruppig ist.“

„Dann hattet ihr also eine Art Zusammenstoß?“

„Das würde ich so nicht sagen“, erklärte sie. „Ich habe ihn nur gebeten, mir alle Arbeitsabläufe im Hotel zu zeigen, und da hat er sich aufgeführt, als würde das wahnsinnige Umstände machen. Er glaubt, dass ich seine Fähigkeiten und sein Urteilsvermögen anzweifle, nur weil ich wissen will, wie die Abläufe sind und wie alles organisiert ist.“

„Aber dass du gern das Sagen hast, stimmt doch, Liebes, oder?“

„Tante Muriel! Willst du damit etwa sagen, dass ich andere herumkommandiere?“

Muriel zuckte mit den Achseln, aber ihre Augen blitzten schelmisch. „Ich sage nur, dass eben manchmal die Funken fliegen, wenn zwei starke, eigenwillige Persönlichkeiten aufeinandertreffen.“

Ohne es zu wollen, wurde Serena jetzt rot, und sie sagte: „Ich würde nicht sagen, dass Funken fliegen, sondern eher, dass zwischen uns die ganze Zeit eine leichte Gereiztheit herrscht. Funken implizieren doch etwas völlig anderes. Und außerdem ist es ja tatsächlich so, dass ich das Sagen habe, jedenfalls was das Hotel angeht.“

„Ach ja, natürlich. Mein Fehler“, sagte Muriel darauf, nippte an ihrem Tee und fuhr dann fort: „Ich hoffe jedenfalls, dass ihr gut miteinander auskommt, denn ihr werdet schließlich sehr eng zusammenarbeiten.“

„Ich werde den Kontakt mit ihm auf ein Minimum beschränken, das kannst du mir glauben. Er soll sich um die praktische Führung des Hotels kümmern, ich beschäftige mich mit dem Marketing und der Kundenzufriedenheit, also brauchen wir gar nicht so viel miteinander zu tun zu haben.“

„Wie du meinst, Liebes“, sagte Muriel in einem absolut unschuldigen Tonfall, aber irgendetwas an ihrer Miene sagte Serena, dass dieses Thema noch längst nicht vom Tisch war.

Sternennächte an der Küste

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