Читать книгу Wer küsst schon einen Weihnachtsmann? - Carly Alexander - Страница 5

1. Kapitel

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Als unser Flugzeug in San Francisco auf der Landebahn aufsetzte, stieß ich Leo an. Er hatte den Kopfhörer seines Walkmans aufgesetzt, um das Dröhnen der auf Rückschub gestellten Maschinen auszublenden. Wahrscheinlich versuchte er aber auch die Tatsache zu verdrängen, dass er mit seiner heterosexuellen Freundin zu einem Familienurlaub unterwegs war.

Ich beugte mich zu ihm und zog einen seiner Ohrstöpsel raus. Das tiefe Stöhnen des Sängers der Crash Test Dummies verriet mir, dass der Mmm Song lief.

»Finger weg, du Topfgucker.« Leo schob meine Hand fort. »Wir müssen das Thema Mitbewohner klären, bevor wir wieder zurückfliegen«, erinnerte ich ihn.

»Ich habe mich bereits entschieden«, erklärte Leo. »Wir schalten eine Anzeige. Und sobald du im Januar zurück bist, fangen wir mit den Auswahlgesprächen an.«

»Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du ein Kontrollfreak bist?«

»Nein. Noch nie. Und jetzt gib Ruhe und stell deinen Klapptisch in die aufrechte Position.«

»Aber was ist mit Sugar? Wir wollten doch darüber reden, ob sie nicht ganz gut passt!« Sugar war eine meiner besten Freundinnen, und wie es der Zufall wollte, gerade auf der Suche nach einer Bleibe, während Leo und ich uns nach einem Mitbewohner für unser neues Apartment umsahen.

»Die afroamerikanische Antwort auf Scarlett O’Hara?« Leo runzelte die Stirn. »Ich bin nicht sicher, ob ich so viel Südstaatencharme in meiner Küche ertrage.«

»Sugar ist meine Freundin!«

»Das mag ja sein, aber deshalb muss ich doch nicht mit ihr zusammenleben.«

Das werden wir noch sehen, dachte ich und ließ das Thema erst einmal fallen. Das ist wichtig bei Leo, wenn man verhindern will, dass er auf stur schaltet. Ich musste ihm Zeit lassen, und es würde nicht schaden, seine Entschlossenheit mit ein wenig traditioneller Greenwood-Weihnachtsstimmung aufzuweichen. »Es wird bestimmt sehr lustig. Meine Mom versteht es, Weihnachten zu feiern.«

»Hör auf – du machst mir Angst.« Leo rückte die Ohrstöpsel zurecht und schloss die Augen. »Ich bringe ja nur ungern deine Seifenblase zum Platzen, Madison, aber hat dir schon mal jemand gesagt, dass es keinen Weihnachtsmann gibt? Und auch keine Elfen, die deinen Strumpf füllen? Und da wir in San Francisco sind, zum Glück auch keinen Schnee.«

»Bist du fertig mit deinem Dekonstruktivismus?« Ich wollte Leo mit einem der wenigen Begriffe beeindrucken, die ich aus dem Grundkurs Philosophie mitgenommen hatte. Ich war an der Columbia alles andere als eine Vorzeigestudentin gewesen, und noch heute danke ich meinem Glücksstern, dass die Studienzeit hinter mir liegt.

»Blödsinn.«

»Nun entspann dich. Mom und ich werden dich schon mitreißen.«

»Du schleppst mich auf keinen Fall in die Mitternachtsmesse. Und versprich mir, dass ich mich nicht zusammen mit diesem ekelhaften Früchtebrot in einem Raum aufhalten muss.«

Meinte er damit meine Mutter, diesen Weihnachtsfreak, oder den Kuchen mit kandierten Früchten? Wie auch immer, ich wollte ihn nicht drängen. Leo herzubringen war harte Arbeit gewesen. Sollte er sich ruhig erst einmal eingewöhnen. Er hatte die letzten Monate über Liebeskummer wegen seines Exfreundes Jordan gehabt. Die beiden waren während der gesamten Collegezeit ein Paar gewesen, und dann hatte Jordan am Tag der Zeugnisverleihung Schluss gemacht – wegen eines älteren Typen mit einem tollen Job und einem riesigen Appartement am Riverside Drive. So ist das bei den Männern: Sie sind schnell bereit, dich gegen ein schillernderes Model einzutauschen. Frauen sind da ganz anders. Durch dick und dünn halten sie zu ihrem Typen, verteidigen ihn, wenn sein Boss ihn bloßstellt, seine Freunde mit ihm streiten und seine Mutter einfach nicht aufhört, ihm weiße Feinrippunterhosen mit praktischem Schlitz zu schenken. Verdammt, wir reiben uns für sie auf, und wozu? Dass sie uns als Zwischenstopp auf dem Weg zur nächsten Frau benutzen?

Zugegeben, vielleicht war ich leicht reizbar, weil eine ziemliche Dürreperiode hinter mir lag. Seit meinen ersten Tagen an der Columbia hatte ich kein Glück mehr bei Männern. Ich sagte mir ständig, es läge an den New Yorker Typen: dunkles Haar, trockener Humor und nur mit sich selbst beschäftigt. Auf der Straße rempelten sie einen an, ohne sich zu entschuldigen. Und im Restaurant saßen sie einem gegenüber und schlugen ungeniert ihre New York Times auf, ohne sich darum zu kümmern, wie unhöflich das war. Ungehobelte Kerle. Natürlich war ich auch in Kalifornien Typen begegnet, die Defizite bei ihren Manieren aufwiesen, aber keiner stieß andere Leute mit derart dreister Selbstverständlichkeit vor den Kopf.

Vielleicht verknallte ich mich deshalb in Hugh Paddington. Ja, der Hugh Paddington, legendärer Autor und Chefredakteur beim Skyscraper-Magazin. Seit dem Ende meines Studiums arbeitete ich dort als Redaktionsassistentin. Und obwohl diese Zeitschrift wahrscheinlich die coolste ist, die je an der Ostküste erschien, war mein Job völlig uncool. Fotokopieren und Telefondienst. Gelegentlich warf mir einer der Redakteure einen Knochen zu und ließ mich Fakten für seine Story überprüfen.

Ein absolut stumpfsinniger Job. Die Ironie an der Sache ist, dass er bei Journalistikstudenten als Riesenchance gehandelt wird. Man braucht den Abschluss einer Eliteuni oder die Empfehlung irgendeines hohen Tieres (ich hatte beides), um diese Stelle zu bekommen. Und wozu? Um dir dann von Drucie-der-Großen aus der Herstellung sagen zu lassen, dass du zu langsam liest und einen Rechtschreibfehler übersehen hast! Aber ich war sowieso eine absolute Fehlbesetzung für diesen Job. Ich hatte zwar Geisteswissenschaften studiert, aber allein die Abschlussarbeit zu schreiben, war die reinste Qual gewesen. Auf den letzten Drücker reichte ich sie schließlich ein. Trotzdem arbeitete ich auf einmal bei einem Magazin und war drauf und dran, eine Karriere als Redakteurin einzuschlagen. Wie zum Teufel hatte ich nur in einer derart unpassenden Position landen können?

Durch meine Eltern! Robin und Dr. G. stellten sicher, dass ihr kleiner Liebling von all ihren fruchtbaren Beziehungen profitierte. Tausende von Meilen entfernt, mischten sie dennoch kräftig mit. Wie gut, wenn man wenigstens Freunde hat, solche wie Leo.

Jedenfalls hatte ich den letzten Monat damit verbracht, Leo auf den Wecker zu fallen. Ich wollte unbedingt, dass er für zwei Wochen mit zu meinen Eltern kam. »Du kannst Weihnachten unmöglich allein bleiben!« Ich hatte mir den Mund fusselig geredet. »Flieg mit mir nach San Francisco. Die Stadt ist fantastisch, und meine Eltern haben ein Riesenhaus, in dem wir uns breitmachen können.«

Er jammerte in einem fort, dass für ihn ein Weihnachtsfest ohne Jordan unvorstellbar wäre. Nach Hause wollte er auch nicht – er könne unmöglich seiner herrischen, beziehungsgestörten Mutter gegenübertreten. Und das Truthahn-Spezial-Menü vom Diner sei doch ganz okay.

Aber ich hatte nicht vor, ihn den Märtyrer spielen zu lassen. Als Erstes konnte ich ihn immerhin dazu überreden, mich zu unserer Weihnachtsfeier im Verlag zu begleiten. Ich brauchte unbedingt einen Begleiter, einerseits, um nicht so verloren zu wirken, und andererseits, um Hugh fernzuhalten. Der lamentierte immer noch, wir sollten es miteinander versuchen, obwohl ich ihm ständig sagte, dass die Chemie zwischen uns nicht stimme.

Die Party stieg im Top of the Sixes, einer schicken Bar an der 666 Fifth Avenue, und die Weihnachtsstimmung entwickelte sich so rasant, wie der Champagner floss – mit freundlicher Empfehlung des Skyscraper-Magazins, meines Arbeitgebers. Für mich überhaupt die einzige Möglichkeit, so einen Schuppen, in dem ich mir normalerweise nicht mal ein Bier leisten könnte, mal von innen zu sehen. Ich war damals 21 und arbeitete für einen Hungerlohn.

Leo und ich standen am Fenster und schauten zwischen den eleganten Gebäuden hindurch auf die Bäume und das braune Gras des Central Parks. In dem Moment hatten wir etwas von einem Leinwandtraumpaar. Leo sah in seinem dunklen Jackett mit der roten Seidenkrawatte unglaublich weltmännisch aus. Ich wusste, dass ihn alle Mädchen aus dem Büro anhimmelten – bis auf die, denen die unterschwelligen Signale seiner Homosexualität nicht entgingen. Leo ist groß und schlank mit nachdenklichen grünen Augen, die einen betören können und den dringenden Wunsch hervorrufen, sein ganzes Leben vor ihm auszubreiten.

»Hast du dich entschieden, was du über die Feiertage machst?«, fragte ich ihn.

»Familienfeiern aus dem Weg gehen und jede Menge trinken.«

»Du solltest mit mir kommen«, drängte ich.

»Und du solltest dir noch einen Martini holen, Süße.«

»Ich trinke Whiskey Sour.«

»Anfängergetränk. Lass den Saft und den Sirup weg, nimm zwei Aspirin und ruf mich morgen Früh an.«

»Versuch nicht abzulenken. Ich gebe keine Ruhe, Leo. Nicht, bevor du mir versprichst, die Weihnachtsferien mit meinen Eltern und mir zu verbringen.«

»Bei Eltern schneide ich nie gut ab«, erklärte Leo. »Es gibt immer Probleme. Entweder wollen sie, dass ich mich von meinen Piercings trenne, oder sie möchten mich mit ihren Töchtern verkuppeln.«

»So sind meine Eltern nicht«, versicherte ich und hoffte, dass es auch zutraf. Nun ja, ich wusste, dass zumindest meine Mutter nicht so war. Und mein Vater, ein Chirurg, verbrachte so viel Zeit im Krankenhaus, dass er einen zu vernachlässigenden Faktor darstellte. »Bitte komm mit, Leo. Wir werden bestimmt viel Spaß haben. Wir backen Plätzchen und trinken literweise Bier in coolen Westküstenbars. Du kannst unmöglich noch wochenlang wegen Jordan Trübsal blasen.«

»Tue ich ja gar nicht«, behauptete er stur. »Ich amüsiere mich großartig, mein Schatz.«

Mir entging nicht, dass er die Augenbrauen zusammenzog, so wie immer, wenn er log. Wir waren während der gesamten Collegezeit befreundet gewesen und kannten einander ziemlich gut. Er war mein bester Freund, schon allein deshalb, weil es bei uns nie Probleme wegen Sex oder irgendwelcher Rivalitäten gab. »Sag einfach ja«, drängte ich.

»Du kapierst es einfach nicht, Dr. Ruth. Ich will allein sein, in Selbstmitleid schwelgen, mir alte Schmachtfetzen auf Video ausleihen und in mein Mikrowellenpopcorn weinen. Das wird mein Weihnachten der Trauer.«

»Jetzt hör mal gut zu: Jordan ist nicht tot! Wahrscheinlich sitzt er in diesem Moment mit seinem großartigen Freund in der Met und glotzt durch ein Opernglas.«

Leo zuckte zusammen. »Du bist erbarmungslos.«

Ich nickte. »Absolut ohne Skrupel. Morgen muss ich die Flugreservierung bestätigen. Und weißt du was? Ich werde für dich mitbuchen.«

Er lächelte mich an. »Auf keinen Fall.«

»Wie willst du mich daran hindern?«

Er hob das mit Oliven bestückte winzige Schwert aus seinem Glas. »Damit.«

»Gut. Betrachte es als getan.« Ich hob meinen Whiskey Sour und prostete ihm zu. »Auf ein fantastisches Weihnachtsfest in San Fran.«

»Ich hasse dich«, prostete er zurück.

»Das glaube ich dir nicht!«, erwiderte ich gut gelaunt, weil ich merkte, wie die Leute uns bewundernd anstarrten – warum auch nicht? Vor dieser Glasscheibe und umrahmt von der Abenddämmerung machten sich unsere Silhouetten ziemlich gut. Ich versuchte unauffällig herauszufinden, wer alles guckte. Die Mädchen aus der Texterfassung? Die Mannschaft aus dem Layout? Meine Chefin, Ms Macy Gramble, die wunderschöne Wasserstoffblondine, zusammengehalten von Valium und den freigebigen Komplimenten männlicher Anrufer?

Oder Hugh? Wo steckte er überhaupt? Ich entdeckte ihn inmitten einiger Leute an der Bar. Auf einer Party avancierte Hugh schnell zum Mittelpunkt. Er konnte unterhaltsam erzählen und kannte jede Menge Promis. Das war der Hugh, mit dem ich mich an dem Abend gern präsentiert hätte.

Ich wäre mir als sein schmückendes Beiwerk tatsächlich nicht zu schade gewesen, denn wenn du mit ihm unterwegs bist, kommen Prominente auf dich zu und reden mit dir, als wärst du wirklich wichtig. Du wirst selbst zum Star.

Ich hatte sogar gehofft, aus dieser Beziehung eine Beförderung herauszuschlagen. Immerhin hatte er entsprechende Anspielungen gemacht. »Wenn du in diesem Geschäft Karriere machen willst, musst du eine Menge lernen«, pflegte er zu sagen. Oder er sah mich an und seufzte: »Wir haben noch eine Menge Arbeit vor uns, bis du in dem Job fit bist. Jugend ist nicht immer eine Stärke.« Ich weiß, das klingt schulmeisterlich, aber Hugh hat eine Art, als würde er vor Publikum dozieren. Geistreich, witzig, manchmal selbstironisch … Hugh Paddington ist ein Mann, mit dem man gern zusammen ist.

Bis das Licht ausgeht.

Dann wurde ich nämlich eindrücklich daran erinnert, dass dieser Mann bestimmt 40 Jahre älter ist als ich. Sein Körper lässt an Stellen nach, an denen man gar nicht damit rechnet. Und so viel Ausstrahlung er sonst auch haben mochte – zwischen den Laken war sein Zauber gleich null.

»Ich sehe dir an, dass du an ihn denkst«, behauptete Leo. »Ist er hier? Wo denn? Nun sag schon.«

Ich wies kaum wahrnehmbar mit dem Kopf Richtung Hugh und versuchte möglichst souverän zu wirken. »Mit seinen Anhängern drüben an der Bar.«

Leo nippte an seinem Martini, während er die Gruppe genauer in Augenschein nahm. »Tweedblazer und Fliege? Könnte glatt mein Typ sein.«

»Nein, der im dunklen Anzug. Silbergraue Haare.«

»Très petit«, sagte Leo überrascht. »Wie kann dich ein so kleiner Mann derartig beschäftigen?«

»Versprich mir einfach, dass du mir heute Abend nicht von der Seite weichst. Egal, wie viel ich trinke.«

»Klare Sache. Was mich daran erinnert, dass wir Nachschub brauchen.« Er schnappte sich mein Glas. »Aber hilf mir mal auf die Sprünge – wie schlecht war der Sex mit ihm denn nun wirklich? Bei der Lebenserfahrung sollte man davon ausgehen, dass der Bursche ein paar gute Tricks auf Lager hat.«

»Den Sex kannst du vergessen«, wehrte ich ab. Ich wollte nicht genauer auf diese ganze hässliche Affäre eingehen. »Er ... ich weiß nicht, ob Sex das eigentliche Problem war. Hugh kann sehr überzeugend sein. Und er hat mir eine Chance gegeben. Bei einer Redaktionssitzung hat er mir im Beisein aller den Rücken gestärkt.«

»Und da dachtest du, mit ein paar Nümmerchen könntest du dich für seine Dienste revanchieren?«

»Ich hasse dich. Und ihn auch.«

Leo hob das Glas und musterte Hugh über meine Schulter hinweg. »So übel ist er gar nicht.«

Ich senkte die Stimme. »Aber sein Körper ist entsetzlich alt. Wenn du einmal einen schlaffen Hintern wie Wackelpudding auf deinem Schreibtisch hast herumglibbern sehen, machst du freiwillig Extrastunden auf dem Stepper.«

»Okay, dann kümmere ich mich mal um die Drinks.« Leo ging rüber zur Bar, kam aber noch einmal zurück und murmelte: »Das reicht, um mir Pudding für lange Zeit zu verleiden.«

Leo ging wieder und überließ mich meinen Gedanken an den Menschen, den ich eigentlich vergessen wollte. Und mit ihm auch jene erste Nacht, in der er mich zum Essen ausführte und danach auf einen Kaffee in sein Apartment einlud. Er schenkte zwei Gläser Brandy ein – ich kann dieses Zeug nicht ausstehen – und sagte dann, ich solle mit in sein Schlafzimmer kommen. Hugh ist kein schlechter Küsser, und ehe ich mich versah war meine Bluse aufgeknöpft und mein Hemdchen hochgeschoben. »Du bist sehr schön«, sagte er, fuhr über meine nackten Schultern und tiefer, und noch tiefer. Er strich mir über die Brüste und den Bauch, was durchaus nicht unangenehm war. Aber dann zog er so fest an meinen Nippeln, dass ich laut aufschrie.

»Was zum Teufel tust du da?«, fragte ich.

»Wir werden uns jetzt lieben«, murmelte er neben meiner Wange, und sein Atem roch nach Brandy. Darauf war ich auch schon gekommen. Hielt er mich für blöd oder was? Also bitte, zwei Leute, halbnackt im Bett ... Zählen Sie eins und eins zusammen. Aber dieses Nippelzwicken ließ jeden Funken Lust in mir zu Eis gefrieren.

»Ich steh nicht auf SM«, erklärte ich.

»So ein kluges Mädchen«, sagte er und küsste meinen Hals. »Klüger, als dir guttut. Ich will dich doch nur ein bisschen in Stimmung bringen.«

Und es schien sogar zu funktionieren. Ich verspürte ein klitzekleines Aufflackern von Lust, als er seine Hand zwischen meine Beine gleiten ließ. Der Mann schien zumindest im Bereich der Vagina ortskundig zu sein. Er ließ seine Finger spielen.

Allmählich erwärmte ich mich für ihn, drückte mich gegen seine Hand und wollte mehr. Wie lange war es eigentlich her, dass ich Sex gehabt hatte? Seit ich in New York war überhaupt erst das zweite Mal und ... Verdammt, er zog die Hand weg.

»Hey, das war gut«, sagte ich.

Aber er war bereits damit beschäftigt, sich auf mir in Position zu bringen und bugsierte sein Ding in die Öffnung – mit der Feinfühligkeit eines Zimmermanns, der einen Bolzen einschlägt.

Und dann bewegte er sich, rein und raus. Dabei keuchte er so schwer, dass ich Angst bekam, sein Herz würde das nicht durchstehen. Dass ich mir über so etwas Sorgen machen musste, war eine neue Erfahrung.

In dem Moment wusste ich, dass die Beziehung mit Hugh vorbei war, bevor sie überhaupt richtig angefangen hatte. Während er mich in seinem muffigen Bett nagelte, starrte ich an die Decke und grübelte darüber nach, wann er sie wohl das letzte Mal hatte streichen lassen. Was nicht unbedingt klasse ist, wenn man sich eigentlich gerade auf den großen O. zubewegen sollte.

Danach wiederholte ich diesen Fehler noch ein paar Mal. Das ist typisch für mich. Ich versuche immer, das Gute zu sehen und mir zu sagen, dass alles längst nicht so schlimm ist, wie es scheint (aber für gewöhnlich liege ich völlig daneben). Davon abgesehen wusste ich gar nicht, wie ich jemanden abweisen sollte, der so überzeugend sein konnte. Also ging ich abermals mit ihm essen und wir endeten an dem bereits bekannten Ort. Ich hatte gehofft, dass der Sex beim zweiten Mal besser sein würde (weit gefehlt). Obwohl unsere Beziehung keine Zukunft hatte, ließ ich mich darauf ein, solange Hugh mir bei der Redaktionssitzung Chancen zuspielte, mich zu Mittagessen mit wichtigen Autoren mitnahm oder sich bereit erklärte, meine Abschlussarbeit zu lesen. Eine Zeitlang richteten wir uns in dieser Beziehung ein, in der ich sein süßes Bürohäschen war und er mein Mentor. Für mich war das okay – bis auf den Sex. Als ich einmal in seinem Büro war und mit ihm einige Unterlagen durchging, schloss er plötzlich die Tür, zog die Schuhe aus und sagte mir, er könne ohne mich nicht leben.

»Du nimmst mich auf den Arm«, antwortete ich.

»Mein Liebes, du bist der Frühling im Herbst meines Lebens!«

»Ehrlich?« Ich lächelte nervös und fühlte mich geschmeichelt, obwohl ich wusste, dass es totaler Schwachsinn war. Aber ich hatte nicht den Mut, Hugh seine Schönmalerei vorzuhalten. Das tat ich nie. Der Schüler kritisiert den Lehrer nun mal nicht.

An diesem Nachmittag im Büro wollte ich es tatsächlich mit ihm tun. Das Risiko, dass jemand hereinkommen könnte, verschaffte mir den besonderen Kick. Während ich meinen Rock hob und das Höschen auszog, fragte ich mich, ob eine Beziehung zwischen Hugh und mir vielleicht doch funktionieren könnte. Ich wollte einer der Planeten in Hughs Umlaufbahn sein. Seit dem Tag, als er mir in der Redaktionssitzung beigestanden hatte, behandelten mich alle mit mehr Respekt, fast ein bisschen ehrfurchtsvoll.

Ich wollte von jemand Wichtigem begehrt werden und im Kielwasser seines Ruhmes schwimmen.

Aber ich wollte auch einen Kerl, der mich in Stimmung bringen und vor Lust aufschreien lassen konnte – und in der Hinsicht hatte Hugh nichts zu bieten. Wahrscheinlich denken Sie, dass ich nach einer so langen Dürreperiode glücklich gewesen sein müsste, dass mich überhaupt ein Kerl anfasste. Aber dafür erledigte Hugh seine sexuellen Dienste zu schnell und zu methodisch. Außerdem hätten auch noch so gute Fähigkeiten nicht die Tatsache kaschiert, dass mich sein Körper abstieß. Während ich an diesem Nachmittag zusah, wie er sein faltiges rosa Ding zurück in die Hose stopfte, verblassten meine Träume, Hughs Mädchen zu sein, endgültig.

Na gut, einmal ließ ich es noch dazu kommen. Es war spät am Abend und ich noch im Büro, um die Fakten einer Story zu recherchieren. Da kam er mit einem Glas Sherry für mich vorbei. Ich nippte daran und zuckte mit den Schultern, als er irgendetwas davon faselte, dass wir beide so spät noch arbeiteten. Ich mied seinen Blick, hielt Hugh jedoch nicht zurück, als er mir mit der Hand unter den Rock und in den Bund meiner Strumpfhose fuhr.

Dieses eine Mal bedaure ich wirklich. Vor allem deshalb, weil ich eigentlich nicht mit Typen schlafe, bei denen es nicht das geringste Potenzial für eine Beziehung gibt. Man muss mit dem Mann verschmelzen wollen, sich eine noch tiefere, intimere Innigkeit wünschen als einen Kuss.

Bei Hugh und mir existierte das nicht. Warum also hielt ich ihn nicht zurück?

Am nächsten Tag landete ausgerechnet ein Text über sexuelle Nötigung auf meinem Tisch, und ich verbrachte eine gute halbe Stunde damit, mich zu bedauern. Ich hatte es nicht gewollt, er hatte mich bedrängt, und jetzt fühlte ich mich lausig. Als ich mit dem Text durch war, stand mein Entschluss fest: Kein Sex, um im Job befördert zu werden. Ich würde nie wieder mit Hugh Paddington schlafen.

Jetzt habe ich ganz schön weit ausgeholt, um zu erklären, warum es mir so wichtig war, dass Leo zu der Party mitkam und mich vor dem lüsternen Hugh beschützte. Der rauschte übrigens mit einem freundlichen, strahlenden Hallo auf den Lippen an uns vorbei und verzog sich mit Sebastian Lavor, dem Herausgeber der Zeitschrift. Die ganze Zeit über schlug mir das Herz bis zum Hals. Ich wollte von Hugh bemerkt werden, aber nicht bei ihm am Haken hängen – was eigentlich überhaupt keinen Sinn ergibt, wenn man darüber nachdenkt.

Jedenfalls war es auf dieser Party, dass Leo zustimmte, mit mir Weihnachten zu verbringen. Aber als ich jetzt, im Flugzeug, zu ihm hinübersah, überkam mich die Sorge, dass er vielleicht enttäuscht sein würde. Ich fand San Francisco zur Weihnachtszeit immer wunderschön. Aber wenn mein Enthusiasmus nun nicht auf meinen skeptischen Freund abfärbte?

Die Stewardess machte die routinemäßigen Ansagen, dass man angeschnallt bleiben sollte und blabla. Aber die Leute waren bereits aufgestanden und wühlten in den Gepäckfächern über den Sitzen. Leo reichte mir meine Lederjacke und die Reisetasche, die ich mir über die Schulter hängte.

»Das wird das beste Weihnachten aller Zeiten«, prophezeite ich ihm.

Leo sah mich mit ausdruckslosem Gesicht an und sagte: »Gott steh uns bei.«

Wer küsst schon einen Weihnachtsmann?

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