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Kater Tommi und meine Begegnung mit Elise
ОглавлениеVor einiger Zeit fand ich alte Bilder von meinem Kater Tommi, der vor circa 12 Jahren verstorben ist. Beim Anblick der Bilder musste ich lächeln. Ich hatte ihn nie vergessen, und wenn ich mich erinnerte, verspürte ich immer noch einen leichten Schmerz. Auf der anderen Seite dachte ich aber auch sofort an die Worte: "Gierig, verfressen, egoistisch und völlig plemplem". Tommi kam zu mir nach Hause, weil ich nach dem Todesfall eines Angehörigen plötzlich die Sehnsucht nach einem pflegeleichten Tier verspürte. Pflegeleicht? Was für ein Wort im Zusammenhang mit Tommi. Er war ein Psychopath vor dem Herrn. Es war fast wie eine Eingebung, dass ich genau dieses Tier zu mir holte. Jeder kennt die Situation, wenn man plötzlich zum Erfüllungsgehilfen seines Haustieres wird. So auch hier. Zudem fraß mir dieses Tier die Haare vom Kopf. Obwohl ich vorher im Familienrat von einer genügsamen, wenig fressenden Katze erzählte, die sich vor der Tür eine Maus fangen und sich weitestgehend selbst versorgen würde. Der Kater entwickelte sich zu allem, was eigentlich einer handelsüblichen Katze nicht entsprach. Apropos ent-sprach: Das Tier konnte sprechen! Nicht nur fressen, sprechen! Dieser Kater war anders als andere Katzen. Ich hatte nie vergessen, als er sich bei einer Fußball WM mit an den Tisch gesellte. Er nahm sich natürlich einen eigenen Stuhl und wollte gerade zu den Salzstangen greifen, als ich auf den Tisch schlug!
»Ok«, meinte er.
»Dann halt nuuuur die Getränke « Als ein Tor fiel, schmiss einer der Fußballfans am Tisch eine Flasche Bier um. Diese ergoss sich auf Tommi und er war hocherfreut. Er hatte nicht mal gezuckt, obwohl dieses (zärtlich gedacht) Vieh sonst bei allem zusammenzuckte. Tommi fing an, sich zu putzen. Und wie er sich putzte. Schließlich war er mit einem Markenbier vollständig vollgesogen. Tommi leckte sich also vollständig trocken, japste kurz und freudig auf, fiel dann seitlich vom Stuhl herunter und blieb zunächst regungslos auf dem kleinen Teppich liegen. Dann stand er auf, schüttelte sich und ging laut singend aus dem Haus. Ich ging besorgt hinter ihm her und sah ihn sich in der Sonne auf einer Mauer räkeln. Der Kater rief nach mehr Bier! Jetzt wurde mir angst und bange. Nicht aus Tierschutzgründen, sondern weil jetzt auf des Katers Forderungsliste noch ein teures Detail mehr stand. Als ihm ein endloses Bäuerchen entfleuchte, ging ich total erstaunt zurück ins Haus und sagte in den Raum:
»Wir haben nicht nur einen besoffenen Kater. Tommi verlangt nach mehr Bier! «
Die Blicke von den anwesenden Personen waren nicht einmal erstaunt. Als wäre es das Normalste auf der Welt, dass der Kater Biertrinker sei. Tommi fraß ja auch Pommes frites. Saß man im Garten, hörte man Tommis Anschleichversuche im kleinen Waldstück hinter der Terrasse. Während andere Katzen gekonnt jagten, hing er sich Blechdosen an den Schwanz und griff zur Tröte. Wie oft rief ich dann: »Leise anschleichen, fangen und den Genickbiss! Nicht zu Tode erschrecken!« Aber Tommi war so gutmütig, wenn er denn wirklich eine Maus gefangen hatte, ihr noch ihre Rechte vorzulesen oder gar zum Nachmittagsschmaus einzuladen. Dieses Tier brachte mit sonderlicher Zärtlichkeit die Mäuse nach Hause, nur um mit ihnen zu schmusen. Ohne sie zu verletzen, wurden sie behutsam im Katzenmaul reingetragen und dann zwischen die Vorderpfoten geklemmt. Der Schnurr-Motor ging los und dann wurde das Köpfchen an dem Mäuschen gerieben. Natürlich lag eine Kralle von einer Pfote auf dem Mäusekörper, weil das Vieh ja flüchten wollte. Aber wenn man dann die Maus auch noch beten hört, verliert man wohl vollends die Fassung:
»Lieber Gott, ich danke dir, dass ich an Tommi geraten bin. Er hat mich wirklich lieb. Könntest Du dafür sorgen, dass er die schwere Pranke von meinem Rücken runter nimmt? Ich leide doch an einem Bandscheibenvorfall und bin deshalb in Behandlung « Mir fiel in dem Moment, als ich das Tier beten hörte, ein Teller beim Spülen aus der Hand. Das laute Klirren rettete die Maus. Sie lief davon und Tommi fragte, wann es Mittagessen gäbe. Ich wusste nicht mehr, wie oft ich mir in den 7 Jahren, in denen Tommi bei mir lebte, den Kopf gekratzt hatte. Vielleicht hatte ich auch zu viel Bugs Bunny geschaut. Ich bin der Schlag Mensch, der selbstverständlich einem bettelnden Hühnerhabicht an der Haustüre auch einen Staubsauger abkaufen würde. Nun genug der Spinnereien! Als Tommi dann nach 7 Jahren an Leberzirrhose starb (Quatsch, ein natürlicher Katzentod), schlief er in meinen Armen friedlich ein. Tommi war als Babykätzchen krank im Wald gefunden worden und hatte laut Aussage eines Tierarztes, nur noch vier Katzenleben. Er wurde aufgepäppelt und schaffte es nur mit viel Glück, diese vier Leben zu erhalten. Das Tierchen war das Letzte, was ich an Vierbeinern besaß, denn ich wollte keinen Ersatz für das außergewöhnliche Tier. Als ich nach seinem Tod in seinen Sachen stöberte, fand ich neben seiner Stoffente und der Plastikmaus eine Art Tagebuch mit wenigen Notizen darin. Im Buch lagen unter anderem ein paar geöffnete Briefe von anderen Tieren und ein Zettel, auf dem eine lange Telefonnummer fein säuberlich aufgeschrieben war. Auf der Notiz mit der Telefonnummer stand der Name "Elise". Die Vorwahl stand für Portugal. Ich ging noch einmal tief in mich, nahm das Telefon in die Hand und drückte mit zittrigen Fingern die lange Nummer. Ich war gespannt, was da am anderen Ende zu hören sei. Ich musste lachen, weil ich an ein Hirngespinst glaubte und dann dachte ich an die Leute mit den weißen Jacken, die in solchen Fällen kamen und einen sorgsam in Gewahrsam nahmen.
Am anderen Ende der Leitung knackte es kurz und dann fiel mir die Kinnlade runter. Zum Glück saß ich auf einem Stuhl.
»Elise von und zu? Wer da, wer da, wer da?«, schnatterte es in der Leitung. Ich ließ vor Schreck das Telefon fallen und dann schnatterte es am Boden wild schimpfend weiter. Ich schaute mich um. Keiner da! Ich nahm den Hörer wieder in die Hand und vernahm diese seltsame Stimme am anderen Ende der Leitung.