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Telefonat mit Elise

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»Eeeelise Herrschaftszeiten, hier am Apparat. Also gutes Kind, ich hab´ nur wenig Zeit. Wie wäre es, wenn Sie mir sagen, wie Sie an diese Nummer gekommen sind und wo Sie sich befinden?«, schnatterte es am anderen Ende. Ich nahm den Hörer vom Ohr und schaute auf das Telefon. Das Wesen hörte sich fast an wie die Elise aus der Zeichentrickserie "Paulchen Panther". Ich räusperte mich und versuchte dann so normal wie möglich zu sprechen.

»Hier ist Carmen … äh Kater Tommis ehemalige Besitzerin? Also die Frau, bei der er wohnte … äh, ich habe hier eine Art Tagebuch …«, stammelte ich aufgeregt in den Hörer.

»Papperlapapp! Können Sie nicht deutlich und normal reden? Ich verstehe kein Wort, von dem was Sie da stammeln. Moment, ich schaue in der Kartei nach« Minuten später.

»Großer Gockelpapst, jetzt weiß ich, wer Sie sind. Sie sind das gute Kind von Kater Tommi, der von seinem schönen Leben berichtet hat und die Letzte im Kettenbrief. Schreiben Sie bitte die Geschichten der anderen Tiere, die mit in Tommis Tagebuch liegen, auf und schicken Sie mir das Ganze bitte zu«, sprach "ein Vogel" am anderen Ende der Leitung! Meine Gänsehaut bekam selbst eine Gänsehaut. Ich nickte gehorsam und schaute auf das Buch. Die Stoffente daneben schaute mich an, und wenn diese jetzt angefangen hätte zu reden, wäre ich wohl schreiend aus dem Haus gelaufen. Ich konzentrierte mich wieder auf den Hörer und fragte:

»Entschuldigung, aber wer sind Sie?« Stille! Dann ein Hüsteln, dann ein Räuspern und dann lachte etwas schrill aus dem Hörer.

»Was glauben Sie denn? Ich bin eine Möwe, wohne auf den Azoren, helfe allen Tieren, die sich irgendwo auf der Welt in Not befinden, und habe die Menschheit längst durchschaut. Alle Tiere kennen mich. Meine Güte, Ihr Menschen lasst Euch von Psychiatern beraten und Euch eine Macke nach der anderen für viel Geld verpassen und merkt einfach nicht, dass wir Tiere anders sind, als Ihr denkt! Ich bin sozusagen das Sprachrohr für alle und versuche zu vermitteln. Haben Sie nie die hohe Telefonrechnung bemerkt? Das war Ihr Kater. Allerdings brauchte er nur anfänglich Hilfe und dann habe ich Sie ausfindig gemacht. Ich habe Sie zu Kater Tommi gelenkt. Sie haben ja überall nach einem Kater gefragt. Also sind Sie mir sozusagen auf den Leim gegangen und haben Tommi gerettet. Tja, Ihr Menschen seid so blind und glaubt alles regeln zu können. Ihr schafft Euch Tiere an und sperrt sie ein. Ihr schickt Hunde in eine Schule und Eure Kinder schwänzen diese derweil! Hääääkem, kommen wir zum Punkt! Sind Sie bereit, mir zu helfen und das Tagebuch zu vervollständigen?«, schnatterte die Möwe wild in den Hörer.

»Entschuldigen Sie bitte, ich telefoniere nicht täglich mit einem Vogel …«

»Möööweee! Seeeemööööwe, verflixt und Sardinenschleim!«

»Entschuldigung, Frau Möwe. Ich muss die Papiere erst sortieren und werde dann natürlich alles sorgsam verpacken und zu Ihnen senden. Wohin denn eigentlich?«, fragte ich und dachte an viel Alkohol am frühen Nachmittag und einer Stunde beim Psychologen.

»Elise reicht vollkommen. An der Klippe 12, Azoren. Das reicht! Bitte schreiben Sie Ihre Adresse dazu, damit ich die Kette vervollständigen kann. Wenn Sie fertig sind, sagen Sie mir Bescheid und übergeben das der dunkelgrauen Brieftaube Ihres Nachbarn - die weiß Bescheid « Elise sprach von einer Brieftaube? Dunkelgrau? Die dunkelgraue Brieftaube des Nachbarn? Von den Tauben wusste ich, aber dass da ein Exemplar bei war, was … Ich konnte nicht mehr klar denken.

»Hallöööööchen? Ist da wer, ist da wer? Ich habe nicht ewig Zeit und muss noch Sachen für den Anwalt besorgen. Schließlich ziehe ich bald um«, rief die Möwe am anderen Ende.

»Was bitte? Anwalt? Umziehen?«, fragte ich erstaunt.

»Große Sardinenbüchse! Der Anwalt, der die Tiere rechtlich vertritt. Der kommt bald zu uns rüber und will dann den Delfin treffen. Der hat auch Tommi und die anderen in den Briefen vertreten. Der Anwalt hat am Anfang, als er von mir hörte, genau, wie Sie reagiert. Der ist sogar umgefallen, als er von einem Hund angesprochen wurde«, schnatterte es wild. Meine Augenbrauen hingen nun fest oben am Haaransatz. Ich sah, wie sich das Fischmobile unter der Decke drehte und die Holzfische daran im Chor sangen. Ich schüttelte mich und versprach für Elise das Buch weiterzuschreiben und dann der Taube vom Nachbarn zu übergeben.

»Äh, Frau Möwe. Ich mach´ mich an die Arbeit. Das wäre ja auch in Tommis Sinne gewesen. Sie hören dann von mir. Auf wieder … hören?«

»Sie hat es geschnallt? Das gute Menschenkind hat doch tatsächlich geglaubt, es wäre einem Hirngespinst auferlegen? Natürlich bin ich eine sprechende Möwe! Erst wenn ein Gummibärchen plötzlich zu Ihnen spricht, dann würde ich mir Sorgen machen!«, lachte es schallend am anderen Ende des Hörers.

»Also Menschenkind, an die Arbeit, ich hab´ nicht ewig Zeit und muss später noch auf ein Fest. Heute macht der Captain wieder Paella im Hafen und ich muss noch zum Friseur. Wir hören uns auf jeden Fall. Ach, gucken Sie doch bitte noch auf meine Homepage oder suchen Sie unter Google nach mir. Die Seite heißt: Geschnatter. Hi, hi, hi und einige neue Witze stehen auch darin. Auf Wiederhören!« Es knackte in der Leitung. Kleine Explosionen auf meiner Haut zeugten davon, dass meine Gänsehaut einen kritischen Status erreicht hatte. Mir war schwindelig. Dann musste ich hysterisch lachen. Ich streichelte verwirrt der Stoffente über den Kopf und meinte ein Grinsen am Schnabel sehen zu können. Mit einem Mal hatte ich das dumme Gefühl, das ich dringend zum Arzt musste. Ich nahm dann das Buch und holte die anderen Briefe aus den Umschlägen. Ich faltete eine Seite auseinander und musste mehrmals hinschauen. Mir fiel die Kinnlade nach unten. Das Telefonat von eben war also kein Hirngespinst.

Im Auftrag Ihrer Möwlichkeit

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