Читать книгу Der Schmuggelhund - Carmen Sternetseder-Ghazzali - Страница 8
Das achte Kackwunder
ОглавлениеDer Welpe schien seine Mutter zu vermissen. Lilie wachte in der Nacht auf und hörte ihn winseln. Ob er seine Mutter Babe vermisste? Bis zuletzt hatte er an ihren Zitzen getrunken. Jetzt war er bei fremden, unwissenden Leuten und einem tyrannischen Kater gelandet. Plötzlich hörte Lilie ein Trappeln. Was war das? Suchte er seine Mutter? Lilie weinte ein paar Tränen in ihr Kopfkissen. Das war traurig. Richtig traurig. Dann schlief sie wieder ein.
Am nächsten Morgen platzte Ilias in ihr Zimmer. Er bog sich vor Lachen. „Das musst du dir unbedingt anschauen“, sagte er mit erstickter Stimme. „Das ist das Verrückteste, das du jemals gesehen hast, was Killa heute Nacht angestellt hat!“
Lilie sah Ilias fragend an. Was hatte der Welpe letzte Nacht nur angestellt? Hatte er sich vielleicht ein Nest aus Decken gebaut? Oder war ihm ein fünftes Bein gewachsen? Neugierig ging sie in sein Zimmer. Zuerst nahm sie den Geruch nach Mief, nassem Heu und Kaninchenstall wahr. Sehen konnte sie nichts. Die Jalousie war noch zugezogen. Es war stockfinster. Nur durch die Ritzen fädelte sich frühes Morgenlicht. „Ich sehe nichts“, sagte Lilie enttäuscht.
Als Killa ihre Stimme hörte, sprang sie in heller Freude vom Bett, lief auf Lilie zu und versuchte, an ihr hochzuspringen, um ihr Gesicht abzulecken. Lilie hatte nichts dagegen, doch der kleine Hund war so stürmisch, dass er sie fast umrannte. Lilie taumelte. Sie war barfuß und trat mit ihren Zehen in etwas Kühles, Weiches, Breiiges. „Mach es mal hell“, bat sie.
Ilias ließ die Jalousie hoch. Jetzt flutete die Morgensonne ins Zimmer. Lilie guckte auf ihre Zehen. Was war das denn jetzt? Zwischen den Zehen klebte brauner Brei. Verwundert blickte sie auf den hellblauen Teppich. Da war ein braunes Häufchen. Aber nicht nur eins. Von dem braunen Häufchen zweigten sternförmig viele kleine Häufchen ab. Der ganze hellblaue Teppich war übersät mit kleinen, braunen Häufchen. Lilie rieb sich verwundert die Augen. Das war Kacke! Hundekacke! Killas Kacke! Jetzt verstand Lilie, was es mit dem Winseln und Trappeln in der Nacht auf sich gehabt hatte. Killa hatte dringend mal gemusst. In ihrer Verzweiflung hatte sie ein kleines Häufchen mitten auf den Teppich gesetzt. Dann noch eines und noch eins. Es sah schlimm aus. Eine Sauerei!
Lilie spürte, wie verrückt es war, einen Welpen zu haben. Es bedeutete eine Verantwortung, der sie vielleicht nicht gewachsen waren. Sie dachte an Jägerhuts Worte. Jetzt verstand sie, weshalb viele Leute ihre Welpen wieder weggaben. Wer noch keinen Hund hatte, wusste nicht, was kleine Hunde so alles anrichten.
Killa hatte gleich in der ersten Nacht das Zimmer ihres Bruders wortwörtlich eingekackt. So etwas durfte nicht passieren. Aber es war passiert und es sah schlimm und zugleich witzig aus.
„Wenn Papa das sieht, bringt er Killa noch heute ins Tierheim“, flüsterte sie Ilias zu und hielt sich die Hand vor den Mund, um das Lachen zu unterdrücken.
„Schnell! Putz es weg!“, zischte Ilias. Seit die Jalousie oben war, lachte er nicht mehr. Er sah geschockt aus. Mit finsterer Miene drückte er Lilie ein Tuch in die Hand.
„Warum ich? Mach es doch selber weg. Ist doch dein Hund“, sagte Lilie genervt und wollte gerade aus dem Zimmer gehen, als Ilias sie grob an der Schulter fasste.
„Einer wischt das weg und einer geht mit Killa raus“, befahl er. „Aber bevor Mama und Papa aufwachen!“
„Okay“, sagte Lilie. „Ich gehe mit Killa raus. Komm, Killa!“
In diesem Moment flog die Zimmertür auf und der schwarze Lockenkopf des Vaters schob sich herein. Killa stob schwanzwedelnd auf den Vater zu. Er tätschelte ihren Kopf. Lilie wunderte sich. Eine Verwandlung war mit ihm passiert. Ja, der Vater konnte sehr launisch sein. Womöglich hatte er begriffen, dass er keine Chance gegen Killa hatte und so machte er lieber gute Miene zum bösen Spiel. Oder er hatte den kleinen Hund wirklich ins Herz geschlossen.
Aber dann rümpfte der Vater die Nase.
„Papa, das Bad ist frei“, sagte Ilias, der seinen Vater so schnell wie möglich aus dem Zimmer haben wollte.
„Wer hat hier so gefurzt?“, fragte der Vater argwöhnisch. Er sah seine Kinder streng an. Womöglich ahnte er bereits, dass das kein Furz war.
„Niemand“, antworteten Ilias und Lilie im Chor.
„Lilie, warum stinkt es hier so?“
„Ich weiß nicht?! Ich glaube, ich muss aufs Klo“, sagte Lilie und flitzte aus dem Zimmer. Killa flitzte hinterher, schoss quer durch ihre Häufchen. Jetzt waren sie nicht mehr zu übersehen.
Der Vater brüllte.
„Was ist denn los?“, fragte die Mutter schlaftrunken, als sie sich mit ihrem weinroten Pyjama über den Flur schleppte.
Killa sprang freudig an ihr hoch.
„Bäääh“, machte Mama.
Killa war ein Volltreffer gelungen. Ein Morgenbussi mit ihrer Schlabberzunge mitten auf Mamas Mund. Jetzt war sie wach. Der Vater zog sie an der Hand ins Kinderzimmer. „Schau, was der Hund angerichtet hat!“
Die Mutter blieb auf der Schwelle stehen, sah sich um und riss dann die Augen auf. Es dauerte ein bisschen, bis sie begriff, aber dann prustete sie los.
Sie bog sich schier vor Lachen.
Lilie, die gerade vom Bad zurückkam, verstand die Welt nicht mehr. Wie konnte die Mutter nur darüber lachen? Andererseits, wie hätte sie auch sonst reagieren sollen? Schließlich hatte sie den Hund geholt. Schließlich war sie dann auch für alles verantwortlich, was er anstellte.
„Das sieht so komisch aus“, rief die Mutter und hielt sich vor Lachen den Bauch. „So komisch!“
Je schallender sie lachte, umso finsterer blickten der Vater, Ilias und Lilie. Wie Mafiabosse angesichts des Verräters, der gleich würde büßen müssen.
„Mama, du putzt das weg!“, sagte Ilias grimmig.
„Nein, gewiss nicht“, sagte die Mutter. „Der Hund gehört dir und du bist für ihn verantwortlich. Du putzt das weg!“
„Nein! Niemand hat gesagt, dass man nachts mit einem Welpen raus muss. Ich bin sechszehn und brauche meinen Schlaf.“
„Ja, wirklich. Wie konntest du ihm nur einen Hund schenken?“, sagte der Vater mit zusammengekniffenen Augen. „Soll er jetzt schlechte Noten in der Schule bekommen, weil er sich mit dem Welpen die Nächte um die Ohren schlägt?“
„Er bleibt nicht ewig ein Welpe. Sich um einen Welpen zu kümmern ist nichts Anderes als hochkarätiger Bio-Unterricht, gewissermaßen auch Schule“, sagte die Mutter und fügte noch an: „Wir machen das gemeinsam sauber!“
Und es kam so, wie Lilie es geahnt und Ilias es befürchtet hatte: Die Mutter und Lilie duschten Killa mit Bio-Shampoo und gingen dann mit ihr raus. Der Vater und Ilias erledigten den Rest, hatten die Arschkarte gezogen, wie Ilias es maulend ausdrückte. Sie wechselten die Bettwäsche, wischten das Parkett sauber und reinigten den Teppich.