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Der Unfall

Unser Kennenlernen war ein Unfall. Ja, ihr habt richtig gelesen. Allerdings muss ich dazu sagen, ein glücklicher Unfall. Denn ich bin Maria, meinem neuen Frauchen, geradewegs vor ihre knallrote Vespa gerannt und hab sie direkt mit meiner Straße bekannt gemacht. Die Straße, auf der ich lebte, seit mein früheres Frauchen Silke auf unerklärliche Weise aus meinem Leben verschwunden war. Ich vermute ja, dass ihr Verschwinden was mit dem Schlägertypen zu tun hatte, bei dem wir gewohnt haben. Als er geschnallt hat, dass Silke nicht mehr zurückkommt, hat er mich kurzerhand vor die Tür gesetzt. „Hau ab, stinkende Töle!“ So eine Frechheit hat er mir hinterhergeschrien. Als wenn er mir das hätte sagen müssen. Wenn ich in der Lage gewesen wäre, die Tür selbst zu öffnen, wäre ich schon viel früher abgehauen. Vielleicht hätte ich Silke dann noch angetroffen und wir hätten uns zusammen, noch ein schönes Leben machen können. Jedenfalls hab ich meine Blähungen aus der Hölle noch ein letztes Mal bemüht, bevor ich die Wohnung dieses Barbaren verlassen hab. Davon hatte er bestimmt noch eine ganze Woche was.

Maria hatte wohl gerade ein ähnliches Erlebnis hinter sich. Doch sie war nicht ganz so froh wie ich darüber, dass sie ihren Typen losgeworden war. Mit total verheulten Augen fuhr sie eines Abends im April auf ihrer Vespa durch Emmenburgstedt und hatte gar keinen Blick für mich, armen, hungrigen und verstoßenen Hund. In meiner Not achtete ich nicht auf die Autos und Mopeds und dann war es passiert. Wir lagen beide unter ihrem Roller und wimmerten uns an. Ich war unerklärlicherweise sofort voller Sorge um Maria, irgendwie hatte ich es, im Gegensatz zu ihr wohl im Gefühl, dass das der Beginn einer gemeinsamen Zukunft sein sollte. Aber ich wusste auch, dass es mir selbst mehr Vorteile brachte, möglichst mitleiderregend zu wirken. Erfahrungswerte, die ich bei Silke gewonnen hatte. Also gab ich den sterbenden Bully und jaulte ganz herzzerreißend. Das riss Maria aus ihrer Schockstarre. Sie schob das Zweirad zur Seite, tupfte sich kurz das blutige Knie ab und begann, beruhigend auf mich einzureden.

„Oh wie leid mit das tut. Wer bist du denn? Wo kommst du her? Bist du schwer verletzt?“

Zumindest die letzte Frage beantwortete ich mit einem kläglichen Fiepen. Natürlich war ich schwer verletzt! Das sieht man doch. Bei uns französischen Bulldoggen beginnt eine schwere Verletzung bei einer eingerissenen Kralle. Und ich hatte gerade Kontakt mit einer rollenden roten Bestie, die die Luft schlimmer verpestete, als einer meiner gefürchteten Pansenrülpser. Maria hob mich von der Straße auf. „Blut ist keines zu sehen.“, murmelte sie vor sich hin. Na und? Hatte sie noch nie etwas von inneren Blutungen gehört? Sie war doch wohl nicht so herzlos, auf ihre Vespa zu steigen und davon zu fahren? Nein, das war sie zum Glück nicht. Ihr war nach einem Spaziergang. Das muss der Schock gewesen sein. Jedenfalls rannte sie mit mir auf ihrem zugegebener Weise sehr gemütlichen, warmen, weichen, sanften – oh ich komme ins Schwärmen, also auf ihrem Arm, durch die Gegend und fragte jeden, ob er oder sie mich kennen würde. Und dann kam Gregor, der Barbar vorbei. In seinem Rucksack klapperten Flaschen und er rauchte. Maria sprach auch ihn an und ich dachte schon, jetzt ist alles vorbei. Aber Gregor log, ohne rot zu werden und meinte: „Keine Ahnung, wo der Kläffer hingehört.“ Und ich dachte: ‚Gott sei Dank!‘ und schmiegte mich gleich noch etwas mehr in Marias Arm.

Vor lauter Gemütlichkeit wäre ich fast eingeschlafen, doch dann fiel mir zum Glück das Schauspiel wieder ein, in dem ich gerade mitspielte und ich wimmerte leise.

„Es bringt ja nichts, du kleiner Racker. Wir müssen wohl zum Tierarzt. Aber wie soll ich das machen? Ich bin mit dem Moped da und ob das überhaupt fahrbereit ist.“ Mir wurde Angst und Bange. Ich sollte auf einer Vespa mitfahren? Niemals. Eher sterbe ich. Auf der Stelle. Sofort. Jetzt. Ok, ok. Es ist nicht nötig, zum schlimmsten Mittel zu greifen. Maria schloss ihr Zweirad ab und trug mich sozusagen auf Händen zum Tierarzt.

Milly con Carne

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