Читать книгу Die Zeitlinie - Carolin Frohmader - Страница 8
Kapitel 4
ОглавлениеUnter fremdem Himmel
Noch bevor ich in die Versuchung kam eine Erklärung für meinen offensichtlich Trip zu suchen, war der ganze Zauber auch schon wieder vorüber. Für Pit hoffte ich jedoch inständig, dass wir am Abend zuvor, nicht doch wieder das Gras geraucht hatten, welches er zu feierlichen Anlässen beschaffte und dessen Herkunft ich nicht hatte wissen wollen.
Mittlerweile war jegliches Gefühl der Trunkenheit vergangen und bekifft fühlte ich mich erst recht nicht.
Wie ein kleiner Junge benahm ich mich, als ich mich hinter meinen Händen versteckte und nur mit den Augen blinzelte. Die Dunkelheit war vergangen, wenn es denn je dunkel gewesen war und helles Licht drang durch die Ritzen meiner Finger und traf auf meine Netzhaut. Das Erste war mir auffiel war, dass es nicht mehr nach frischen Brötchen roch. Dem Duft, der mir so vertraut war und den ich niemals hatte leid sein können. Doch er war ebenfalls fort. Statt Brötchen glaubte ich Blumen zu riechen. Und Gras.
Langsam ließ ich meine Hände sinken und was ich sah, ließ mir kurz den Atem stocken. Die Schockstarre, die ich erwartete, stellte sich jedoch nicht ein und auch mein Puls schien noch im Normbereich zu liegen.
Ich saß mitten auf einer grünen Wiese, Grillen zirpten beruhigend und leichter Wind schmiegte sich in die wenigen Bäume die ich auf den ersten Blick erfassen konnte. Die warme Nachmittagssonne wärmte sofort meine Haut und Vögel flogen kreisend über eine nahe Baumgruppe.
Mit einem Ruck war ich auf den Füßen. Unter ihnen waren sie, die bunten Blumen und an der Stelle wo ich gesessen hatte, waren sie platt gedrückt.
Wo befand ich mich? Es schien mir unerklärlich nachdem ich jede nur denkbar mögliche Situation in Sekundenschnelle durchgespielt hatte. Schlafwandel? Nein, immerhin war ich bereits wach und hatte am Kaffee genippt und mein Blut hatte bereits vom süßen Koffein genascht und war somit angefixt. Gehirnerschütterung mit Gedächtnisverlust? Nein, dazu wäre ein kräftiger Schlag auf den Kopf nötig gewesen, doch ich hatte nicht mal eine Beule.
Realitätsverlust? Nein unwahrscheinlich, wenn auch nicht unmöglich. Mit Sicherheit war es jedoch die mir liebste Möglichkeit.
Körperlich hatte ich keinen Schaden genommen, der Kopf brummte nicht, keine Hämatome an den Beinen, die kurzen Boxershorts ließen es mich wissen. Selbst meine Fußsohlen waren unversehrt. Immerhin trug ich nur die schwarzen Socken vom Vorabend und keine Wanderschuhe. Auf die grüne Blumenwiese war ich mit Sicherheit angrenzender Wahrscheinlichkeit nicht selbst gelaufen.
Auch nach eingehender Betrachtung meiner nächsten Umgebung, konnte ich nichts ausmachen, als Natur. Grüne, teils bunt blühende Natur. Sie ähnelte immerhin der Vegetation der Hocheifel, soviel konnte ich ohne Botanikstudium erkennen.
Allmählich verging mir allerdings die Ruhe und ich wollte ungern noch länger an dem mir unbekannten Ort bleiben. Das Herz schlug mir beinahe bis zum Hals, als ich mich unsicher Richtung der erst besten Baumgruppe auf machte. Mein Puls beschleunigte sich und ich hoffte, dass ich mich noch eine Weile vom Rand der Panik fern halten konnte.
Nach wenigen Schritten blies mir ein starker, eiskalter Wind in den Rücken und ich warf mich herum. Das helle gelbe Sonnenlicht, wurde für den Bruchteil von Sekunden durch ein bläuliches Licht regelrecht überstrahlt. Ähnlich wie ein Blitz hatte ich erneut das Bedürfnis meine Augen zu schützen, doch ich sah mitten hinein. Mittendrin bildete sich augenblicklich eine menschliche Silhouette. Eine bekannte. Ich blinzelte. Und sie hatte Übergewicht. Das gleißende Licht verschwand sofort und vor mir stand mein bester Freund wie er die Arme um seinen Kopf geschlungen hatte und einen breitbeinigen Stand eingenommen hatte. Sogar seine Knie waren leicht gebeugt.
«Pit!», rief ich. Teils überrascht, teils erleichtert.
Pit schien die Phase der Analyse gleich zu überspringen. Er war sofort auf den Beinen und sprang von einem nackten Fuß auf den anderen, während er sich die Haare raufte und sich umblickte.
«Hör auf», bat ich ihn und er hielt inne.
«Wo... wo sind wir? Und was hast Du gemacht?»
«Was soll das heissen, was hab ich gemacht?», fragte ich ihn.
«Du hast Dich vor meinen Augen in einem blauen Licht in Luft aufgelöst, Man», stieß Pit schrill hervor. «Du warst weg, verdammt», setzte er lauter hinzu. «Einfach weg!»
«Und Du bist hier in einem blauen Licht aufgetaucht. Ich schätze wir sind quitt», sagte ich leise und drehte mich wieder zur Baumgruppe um.
«Ich kenne mich hier nicht aus. Warst Du schon mal hier?», fragte ich und Pit reagierte auf meine unbeholfen Ablenkungsversuch.
«Es gibt Hektar weise Flächen in der Hocheifel, die genau so aussehen wie das hübsche Stückchen hier, was Du dir ausgesucht hast.»
«Von ausgesucht kann da leider keine Rede sein, ich bin...» und dann stockte mir wirklich den Atem. Eh ich etwas weiteres sagen konnte, stürzte ich auf den überraschten Pit zu und riss seinen rechten Arm hoch. Seine Augen weiteten sich als er mich auf sich zu stürmen sah und sein Kiefer klappte auf, als er bemerkte, was ich gesehen hatte. Sein Handgelenk wurde von einer Aneinanderreihung winzig kleiner bläulicher leuchtender römischen Zahlen gesäumt. Wie ein enges Armband lag die Zahlenreihe auf Pits Haut und bestach durch die blaue Farbe und den leuchtenden Schimmer.
Längst schon hatte ich es gewusst, noch eh ich meinen rechten Ärmel hoch krempelte und mir mein eigenes, mit blau leuchtenden Zahlen gesäumtes Handgelenk vor Augen führte. Immer wieder drehte und wendete ich meine Hand um alle Zahlen erkennen zu können, doch ich war mir nicht sicher was ich sah.
MDCXIX VIII VII
Es waren Zahlen. Wie die Zahlen auf den drei Ringen an dem Kästchen. Sogar die selbe Schrift bildete ich mir ein. Aber sie waren da. Ganz sicher waren sie da und sie leuchteten mich an.
Pit hört auf auf sein Armband zu starren und begann zu versuchen es an der Hose abzuwischen. Wie zu erwarten färbte nichts auf seine Klamotten ab. Sein T-Shirt blieb weiss.
«Es wird nicht abgehen», sagte ich trotz der Gewissheit, dass Pit dies bereits ahnen musste.
«Woher kommt das?» Pits anfängliche Panik war zu gewöhnlicher Angst geschrumpft. Er betrachtete sein Armband und drehte seinen Arm hin und her.
«Steht bei Dir das Selbe?», fragte er.
«Gute Frage», sagte ich. Allerdings vermutete ich, dass die Zahlen identisch sein würden und ein direkter Vergleich bestätigte mich.
«Ok, das ist nicht gut», sagte Pit und zeigte auf sein Armband. «Aber wo wir sind, wissen wir immer noch nicht. Mira wird mich um2bringen. Foltern. Das heißt drei Wochen keinen Sex. Mindestens.» Pit seufzte und ließ sich in Mitten der bunten Blumen nieder. Auffordernd sah er zu mir hoch, doch ich stand einfach nur da. Am liebsten hätte ich auch angefangen mir die Haare zu raufen oder wäre herum gerannt wie ein Tiger in seinem Gehege.
«Du hättest es mir nicht nachmachen sollen», sagte ich und setzte mich neben Pit. Unwillkürlich begann ich Blumen und Gras zu rupfen.
«Was sollte ich tun? Mein bester Freund löst sich quasi in Luft auf oder... oder wird von ihr aufgesaugt oder... verdammt! Ich weiß immer noch nicht genau was ich gesehen habe. Was hast Du gesehen?»
«Im Prinzip das Selbe, nur dass Du aus dem Licht gekommen bist», bestätigte ich ihm.
«Verrückt. Linus, das ist doch verrückt.»
Sein Blick schien mich zu durchbohren.
«Und wir haben nicht mal was geraucht.» Pit sprang auf und tigerte statt meiner selbst herum.
«Das wollte ich zwar, ich hab das Gras noch. In der Dose, oben recht im Küchenschrank und da steht die immer noch. Wir haben die gestern nicht angefasst.»
«Das weiss ich.»
«Aber wenn das hier kein irrer Trip ist... was dann?»
Anstatt zu antworten schüttelte ich nur den Kopf.
«Vielleicht gehen wir mal ein Stück. Da rüber? Oder da? Mal sehen, was da noch kommt», sagte Pit und lief los. Ziemlich schnell und ohne Schuhe. Ich seufzte und setzte ich mich hin.
«Ich denke wir sollten hier bleiben», rief ich ihm nach.
Pit blieb stehen und hob fragend die Arme.
«Also... ich kann nicht genau sagen warum, aber ich denke wirklich, wir sollten hier bleiben. Und zwar genau hier.»
So genau wie möglich setzte ich mich auf die bereits platt gedrückten Blumen, auf jenen ich zuvor bereits gesessen hatte. Dann zeigte ich auf die Stelle, an der Pit aufgetaucht war. Er protestierte nicht, kam zurück und setzte sich auf seinen Platz, keine zwei Meter von mir entfernt.
«Die hier,» sagte ich und hielt mein römisches Armband hoch, «Die kamen mit dem blauen Licht. Also das ganze hier kann nicht ewig andauern und wenn die hier wieder verschwinden, dann wäre es ja möglich, dass es uns wieder in Deine Küche zurück bringt.»
«Deine Theorie mein Freund. Aber haben wir eine Wahl?»
Noch einmal sah ich mich um und konnte auch in der Ferne kein Anzeichen von Zivilisation entdecken.
«Nein.»
Die Sonne wanderte ein Stück gegen Mittag. Unser Mägen hatten verdächtig lange gewartet, eh sie uns mit Knurren und Gluckern daran erinnerten, dass es kein Frühstück gegeben hatte.
Für gewöhnlich bekam Pit schlechte Laune wenn er Hunger hatte, oder wenn er hungrig werden könnte. Dass er jedoch regungslos dasaß und schwieg,
machte mich nur umso nachdenklicher. Als hatte ich in Mitten von schönster Hocheifel Natur, ohne weitere Menschen weit und breit auch nur Ansatzweise etwas anderes zu tun, als nachzudenken, zu warten und zu hoffen, dass ich recht behielt. Das unser «Zustand» nicht ewig anhielt und dass wir mit ein wenig Glück bald wieder zu Hause waren.
Meine Gedanken um die Ereignisse der letzten Stunden, hatte ich mehrfach neu formuliert und sortiert, sie in meinem Kopf wie Puzzleteile herum geschoben um einen Platz zu finden, wo sie hin passten. Ohne rechten Erfolg.
«Diese dämliche Vase!», war das einzige was Pit hin und wieder brummend von sich hab.
Und leider hatte er wohl recht. Irgendwie musste das Kästchen es verursacht haben, immerhin hatten wir beide unsere Hände bis zum Anschlag reingesteckt und diese Kugel angefasst. Und die Ringe an der Öffnung, die römischen Ziffern unserer eingravierten Armbänder.
Irgendwas sagte mir, dass diese drei Teile, in genau dieser Reihenfolge, ganz hervorragend aneinander passten. Eine Aneinanderreihung noch nie dagewesener Ereignisse und schon saßen wir in Unterwäsche auf einer grünen Wiese. Pardon, auf einer Blumenwiese.
Doch ein simpler Stromschlag war nicht genug gewesen um zwei Mal nacheinander exakt das Selbe passieren zu lassen. Bei einmal, aber Pit konnte es mir gleichtun und saß nun stumm neben mir. Rubbelte nur ab und zu an seinen blauen Zahlen.
Nur einmal, hatte Zufall sein können, aber zweimal, wäre wohl ein zu großer Zufall um es noch Zufall nennen zu können. Eher war ich mir sicher, dass es wieder passieren könnte und ich hoffte inständig, dass nicht gleich auch noch Miranda hier auftauchen würde.
Nach den gefühlten zehn Stunden die wir bis dahin im Gras gehockt hatten, musste sie schon eine Stinkwut auf uns haben, weil wir einfach verschwunden waren, oder zumindest auf Pit. Er hat mir jetzt schon leid. Vielleicht würde sie sich gegen Abend aber auch Sorgen machen und ihr Wut würde abebben.
Allmählich schlichen sich auch Zweifel bei mir ein. Hatte ich wirklich Recht damit gehabt einfach sitzen zu bleiben, oder vielleicht wartete hinter der nächsten Baumreihe eine Straße, der wir hätten folgen können. Pit hatte nicht an mir gezweifelt also beschloss ich weiter zu warten und etwas weniger zu grübeln.
Als ich das nächste Mal auf mein Armband sah, konnte ich es sehen, denn es war deutlich und ich musste überlegen ob es mir nicht schon vorher hatte auffallen können. Der blaue Schimmer, das Leuchten, die Intensität: Sie nahm ab.
Unsere beider Armbänder schwanden allmählich. Es würde bald vorbei sein hoffte ich. Vorbei. So oder so.
Pit atmete nur einmal erleichtert auf, starrte dann wieder nur geradeaus. Dieser Anblick machte mich fast wahnsinnig. Also beschloss ich eine andere Taktik zu versuchen, immerhin war es nur noch eine Frage der Zeit bis wir erlöst wurden.
«Wo hast du sie eigentlich gefunden?», fragte ich ihn und hatte damit bereits seine volle Aufmerksamkeit.
«Die Vase?», fragte er noch rhetorisch eh er zu einem weiteren langen Seufzer ansetzte. « Ich bin nur rüber weil ich dachte, dass da noch Lebensmittel sein könnten. Und wenn die schlecht werden, wärs eklig geworden. Die wollte ich vorher wegschmeißen. Zum aufräumen wäre ja eh kein anderer gekommen», führte er fort.
«Wohin rüber?», wollte ich wissen. Denn das Gespräch schien nun auch mich selbst von der Umgebung abzulenken.
«In der Gartenlaube des alten Dernbach. Da war aber alles piko bello. Das einzig verderbliche was ich im Kühlschrank gefunden habe, war ne Flasche Ketchup. Und die war auch noch versiegelt.» Pit seufzte erneut. «Und in einer Truhe auf der ein altes und gigantisch großes Radio stand, war eben Deine Kiste.»
Verwirrung machte sich unweigerlich in mir breit. Warum war meine Kiste bei dem alten Dernbach versteckt? Den ich zwar seit Kindertagen kannte, für mich jedoch nie mehr geworden war, als ein alter Bäckermeister, der damals schon alt war, und mir immer ein Brötchen extra schenkte. Und warum zum Himmel war es eigentlich meine Kiste? Warum stand da mein Name drauf, wenn ich den Karton nicht selbst beschriftet hatte. Und die große Frage überhaupt war: Was war das für eine Vase? Natürlich war es mir durchaus klar, dass es keine Vase war, offensichtlich. Aber solange mir der richtige Name nicht klar war, war dies immerhin ein passabler Titel. Welche Vase, ohne Stromanschluss vermochte es, einen in die Pampa zu versetzen und Stundenlang dort schmoren zu lassen. Immerhin war nicht Winter, sonst wäre das anders gelaufen.
«Woher kam die Kiste?», brummte ich in mich hinein.
«Pff. Die Vase scheint definitiv defekt zu sein, sonst hätte der alte Dernbach die sicher nicht versteckt. Wer weiß wie alt das Ding ist», brummte Pit zurück. Allerdings glaube ich nicht, dass die Vase alt war. Sie hatten einen recht neuen oder zumindest unverbrauchten Eindruck gemacht. Damit, dass die Vase versteckt wurde, konnte Pit jedoch unwissentlich recht gehabt haben. Immerhin stand mein Name darauf und so lange der alte Dernbach gelebt hatte, hatte ich nichts von ihm erhalten, außer Backwaren. Keine Vasen. Warum also. Ich nahm mir vor der Gartenlaube einen Besuch abzustatten, eh ich wieder nach Köln zurück fuhr. Der Brisanz unseres Aufenthaltsortes und die Art und Weise, wie wir dort hin gelangten, kehrte ich mit Freude unter den Teppich, denn ich konnte nur hoffen, dass das schwinden der Armbänder unsere Rückkehr anzeigte.
Die Ziffern auf unseren Armen wurden immer schwächer bis sogar die Ziffern selbst zu schwinden begannen. Das X wurde zu einem krummen Y und das I einen Kopf kürzer. Wir bestaunten die Gleichmäßigkeit des dahin schwindens auf Pits und meinem Arm als ein Hund bellte. Deutlich und schon sehr nah. Das Bellen hallte zwar noch nach, aber je nachdem wir schnell der Hund lief konnte er in Kürze bei uns sein. Die Frage die mir sofort in den Sinn kam: Ist der Hund allein? Ein Streuner wäre nicht schön gewesen, aber um Längen besser als wenn er in Begleitung wäre. Er bellte wieder und das Bellen kam näher und plötzlich hatten wir auch Gewissheit. Männerstimmen. Zwei oder Drei. Pit wollte aufspringen, doch ich hielt ihn am Arm fest, legte meinen Zeigefinger auf meine Lippen und deutete ihm bloß still zu bleiben.
Das Hundebellen wurde noch lauter und noch kam noch weiter näher. Allmählich konnte wir genau die Richtung ausmachen, aus der das Bellen und die Stimmen hallten. Die kleine Baumgruppe, hinter der ein kleines Gefälle zu sein schien würde der Punkt sein, an dem jeden Augenblick der Hund durch das Gebüsch hindurch laufen würde.
Schockstarrenähnlich verweilten wir auf unseren Plätzen, jedoch in Fluchtstellung. Sobald ein Rottweiler mit Schaum vor dem Maul oder etwas ähnlich absurdes vor uns auftauchen würde, könnten wir immer noch die Flucht ergreifen. Die Ziffern auf meinem Arm waren kaum mehr zu erkennen, es konnte nicht mehr lange dauern. Plötzlich fröstelte ich und ich dachte die Anspannung und der Hunger forderten nun seinen Tribut, jedoch spürte ich es bereits als ich auf der Blumenwiese angekommen war. Als nächstes würde die bitterliche Kälte einsetzen und ich spürte sie bereits. Es wurde hell und allmählich verlor ich den Überblick über meine Umgebung, als der braune Hund bellend durch das Gebüsch brach und geradewegs auf uns zu hielt. Er hatte zwar keinen Schaum vor dem Maul, doch er schien mir nicht freundlich gesinnt zu sein, als er seine Lefzen nach oben verzog. Pit neben mir zog scharf die Luft ein, auch er musste mittlerweile die Kälte gespürt haben. Meinen Arm konnte ich nicht mehr erkennen, mein Blick tunnelte sich auf den Punkt, zu dem ich zuletzt geblickt hatte. Der rennende Hund im Vordergrund und dahinter das Gebüsch aus welchem nun drei männliche Gestalten schlugen. Spätestens deren Anblick hätte mich den Atem verschlagen, wenn es nicht stattdessen das Achterbahn Gefühl mit der unbeschreiblichen Kälte getan hätte. Das gleißende Licht oder die unerbittliche Dunkelheit währenddessen, gaben mir erneut den Rest. Ob hell oder dunkel konnte ich auch jenes Mal nicht mit Sicherheit sagen, vielleicht erst das Eine und dann das Andere.
Die Erscheinung der Männer jedoch nahm ich noch mit, als es mich unsanft auf den Laminatboden beförderte.
Die schwarzen Stiefel schien noch das normalste an dem Outfit der Ankömmlinge gewesen zu sein. Darüber trugen sie weite dunkle Puffhosen, gestreift. Womöglich noch eine Art Strumpfhose darunter oder verdammt hohe Strümpfe. Die Oberkörper bedeckte ein Panzer, ähnlich einer Rüstung, mit verschnörkelten Verzierungen und machten einen unbeweglichen Eindruck. Der Hut, oder vielleicht auch eher Helm schien ebenfalls aus Metall, jedoch war der Kopfteil bereits stark verschwommen. Einzig den gezogenen Degen in den Händen der Soldaten hatte ich noch klar erkennen können. Sie wollten sich nicht verteidigen. Sie waren vielmehr auf der Jagd.
Noch nie war ich so glücklich gewesen, in Pits alter Wohnküche zu sein. Er folgte mir zudem auf dem Fuße. Er landete ebenso unglücklich und stieß sich den Kopf ein einem Stuhlbein. Panisch richtete er sich auf und sah nach allen Seiten, als ob er seine eigene Küche nicht erkennen würde. Zumindest wurde uns wieder warm und Pit stand auf. Kopfschüttelnd blieb ich auf dem Boden sitzen.
«Was für ein Höllentrip», stieß Pit aus. «Hast Du die Typen gesehen? Wir haben sicher mitten in deren Rollenspiel gehockt. Begeistert sahen die nicht aus.»
Ich fuhr mit dem Kopf herum und sah Pit direkt in die Augen.
«Haben sie uns gesehen? Haben sie Dich gesehen?», fragte ich ihn scharf.
Er zuckte nur teilnahmslos mit den Schultern.
«Freaks», murmelte er. «Dämliches Rollenspiel. Dieser Köter hätte mich fast erwischt. Ich muss Mira suchen, sie wird mich umbringen.»
Pit sah auf die Uhr und sein Blick blieb dort haften. Zuerst sah ich ihn an und folgte schließlich seinem Blick. Die Wanduhr zeigte etwa 6:58 Uhr.
Nun war ich fähig die Stimmen aus dem Verkaufsraum wahr zu nehmen. Pit jedoch rührte sich nicht.
«Und wenn es kein Rollenspiel war?», fragte ich vorsichtig.
«Liebster, ich könnte hier unten etwas Hilfe gebrauchen», flötete Miranda die Treppe hinauf. Sie klang angestrengt, aber nicht gestresst. Sie klang wartend aber nicht wütend. Warum hatte sie auch wütend sein sollen? Es war immerhin keine Minuten vergangen seitdem wir zu unserem Trip aufgebrochen waren. Dafür hatte ich keine logische Erklärung. Die Stunden die wir auf der Blumenwiese gesessen hatten schien entweder gar nicht stattgefunden zu haben oder woanders.
Nein. Mir wurde eiskalt.
Nicht woanders. Ich schnappte nach Luft.
Wann anders.
Wann anders?
Die Vase stand noch immer auf dem Küchentisch, glänzte schwarz und unschuldig. Mein bester Freund hingegen war Leichenblass.