Читать книгу Die Zeitlinie - Carolin Frohmader - Страница 9
Kapitel 5
ОглавлениеTatsachen
Nachdem sich Pit ein zweites Mal im Badezimmer übergeben hatte, war ich vom Fußboden auf die grüne Couch umgezogen und saß dort mit dem Kopf zwischen den Knien. Zwar spürte ich keine Übelkeit, doch mir zog ein Schauer nach dem anderen über den Rücken. Regungslos stand die Vase noch immer auf dem Küchentisch als würde sie uns verspotten und sich lustig darüber machen, wie verwirrt und ahnungslos wir uns verhielten. Leider hatte sie auch noch recht damit. Die römischen Ziffern die vor kurzem noch mein rechtes Handgelenk geziert hatten, waren verschwunden doch sie tanzten noch immer von meinem inneren Auge umher und lenkten meine Aufmerksamkeit mit voller Kraft auf sich – und dem konnte ich mich nicht entziehen.
Pit kam nun vollends bekleidet aus dem Bad und hatte zumindest wieder Farbe im Gesicht. Wortlos wollte er an mir vorbei die Treppe runter in die Backstube gehen.
«Du weisst, dass es so war. Du hast es auch gesehen», sagte ich leise und Pit erstarrte auf der zweiten Stufe unter seinen Füßen. Jedoch dreht er sich nicht zu mir um.
«Gesehen ja, aber ich glaube es nicht Linus. Das ist verrückt.»
«Was ist schon verrückt? Aber die Soldaten waren echt. Die Rüstung war echt und wenn wir Pech haben, dann haben sie uns gesehen.»
«Und was wenn?», Pit fuhr herum, kam auf die Couch zugelaufen und setzte sich vor mich auf den Tisch. Seine Ellbogen stütze er so lässig wie er konnte auf die Knie.
«Was dann?», wiederholte er lang gezogen.
«Mag sein, dass meine Großmutter das gemeint hat, als sie sagte... es sei ein Privileg und eine Bürde und dass ich vorsichtig sein soll. Ich habe nicht verstanden was sie wollte.»
«Was immer das Ding da ist...», setze Pit an und fuchtelte mit dem Zeigefinger in Richtung Vase auf dem Küchentisch. «Ich will, dass es hier verschwindet.»
Doch ich konnte nicht auf Pits Forderung eingehen, zu sehr hatte ich die römischen Ziffern im Kopf die sich mich immer weiter aufdrängten.
«Hast Du noch nie Filme über Zeitreisen gesehen Pit?», raunte ich ihn an und stand auf. Etwas zu schnell, denn nun begannen die Ziffern zu kreisen.
«Man darf die Vergangenheit doch nicht ändern heisst es immer. Wer weiß, was das mit der Gegenwart anrichtet und deshalb ist es wichtig, dass die Soldaten uns nicht gesehen haben. Also? Haben sie uns gesehen?», wollte ich eindringlich wissen.
«Das... ist nicht Dein Ernst, oder?», stellte Pit diese rhetorische Frage.
«Ich muss verstehen, was passiert ist. Und warum. Was meine Großmutter damit zu tun hat und warum mein Name auf der verdammten Kiste stand in der diese Vase war. Und wenn es bedeutet, dass ich es nochmal tun muss dann...», ich wusste zwar noch nicht wie ich diesen Satz beenden wollte, doch dazu kam es ohnehin nicht mehr.
Pit stand ebenfalls auf und verschränkte die Arme vor der Brust.
«So! Das reicht. Schaff es weg, oder ich tue es», fauchte er.
So standen wir da. Pits verärgertes Gesicht aus dem ich deutlich die Angst lesen konnte, doch um die Freundschaft zu meinem besten Freund nicht weiter zu strapazieren, nahm ich die Vase an mich und klemmte sie mir wie einen Football unter den Arm.
«Und wenn Du klug bist, dann wirst Du das Ding ganz schnell los», sagte er bitter und ließ mich stehen. Bevor ich noch etwas sagen konnte, verschwand Pit die Treppe nach unten.
Nun hatte ich meine Vase und stand da wie bestellt und nicht abgeholt, doch mein nächstes Ziel hatte ich bereits im Visier. Jedoch wollte ich weder vorn heraus, durch den Verkaufsraum, noch hinten hinaus, durch die Backstube. Also entschied ich mich für die schmale Gittertreppe, die vom Schlafzimmer hinunter in den Garten führte. Von dort aus ging ich geradeaus in die Gartenlaube.
Was ich vorfand, war genau das, was Pit bereits berichtet hatte. Sie war sauber und aufgeräumt und machte nicht den Eindruck als sei sie vor kurzem noch bewohnt worden. Der Kühlschrank war leer, außer der erwähnten versiegelten Ketchup Flasche. Nur das große Radio stand noch neben massiven hölzernen Truhe, in welcher meine Kiste aufbewahrt worden war. Sie stand frei direkt unter dem einzigen Fenster des Raumes. Vorsichtig hob ich den schweren Deckel der Truhe an, doch ihr Inhalt enttäuschte mich. Nur ein weiterer leerer Pappkarton befand sich darin. Ich ließ den Deckel bereits wieder sinken, als ich die graue Kordel entdeckte mit der auch meine Pappschachtel zugebunden war. Sie lag zerschnitten in dem leeren Pappkarton. Ich stemmte den Deckel wieder nach oben und lehnte ihn gegen die Wand. Der Karton war eindeutig leer bis auf die Kordel und trotzdem hob ich ihn heraus. Als ich die offenen Deckel zuklappte, entdeckte ich die schwache, aber noch deutlich erkennbare Inschrift auf der Oberseite.
Joseph.
Der alte Dernbach. Joseph Dernbach.
War das wirklich möglich? Dass der alte Dernbach einst einen Karton erhielt, mit dem Inhalt eines weiteren Kartons mit meinem Namen versehen? Das war wirklich verrückt. Und ich hatte keine Erklärung dafür.
Auf dem kleinen Tisch links neben der Tür lagen ein paar Zeitschriften und ein Kugelschreiber. Eines der Magazine schlug ich auf und suchte eine wenig bedruckte Seite und wurde bei einer Werbeanzeige fündig. Ich schrieb die Ziffern darauf, welche sich zuerst in mein Handgelenk und dann in meinen Kopf gebrannt hatten.
Es dauerte eine Weile eh die sie wieder in die richtige Reihenfolge gebracht hatte.
MDCXIX VIII VII
Die vorn stehenden Ziffern, waren sehr hohe Zahlen, aber für den genauen Wert bemühte ich mein Smartphone und googelte eine Tabelle der römischen Ziffern. Demnach war M = Eintausend; D = Fünfhundert; und C = Einhundert. Dann wurde es schwieriger. X ist gleich Zehn, allerdings in Kombination mit I und weiteren X, kann es andere Werte bedeuten. Also eine Zehn und eine Neun, oder eine Elf und eine Zehn. Letzteres macht aber keinen Sinn, da die römische Ziffer für Einundzwanzig die XXI ist. Also eine neunzehn. Addiert ergabt das 1619.
Meine Hände wurden schweißnass und begannen wieder zu zittern. Diesmal nicht vor Kälte sondern vor Anspannung. Einer Art Anspannung jedoch, die in keinem Vergleich zu einer solchen Anspannung steht, wie man sie vor einem ersten Date hat oder vor der ersten Visite mit Professor Rieck oder wenn man sich nach vermasseltem Leichen präparieren wieder in den Hörsaal trauen muss. Jene Anspannung war viel stärker und raubte mir beinahe jeden klaren Gedanken. 1619 war aller Wahrscheinlichkeit nach keine Uhrzeit, dafür waren die Ziffern zu hoch. Es musste die Jahreszahl sein. Die noch ausstehenden Ziffern waren einfacher. Zudem standen sie separat. VIII = acht; VII = sieben. 07. August 2011. Heute.
Lautlos atmete ich ein und aus. Drehte und wendete das Papier mit meinen Notizen eh ich die Seite aus dem Magazin riss und sie in meine Hosentasche stopfte.
Es war immer noch Vormittag, obwohl es nach meinem Gefühl schon Richtung Abend gehen musste. Plötzlich verspürte ich eine unbändige Hast. Und ich begann zu rennen. Mit meinem Football unter meinem Arm. Ich rannte um das Haus herum zu meinem Auto, verstaute meine unerklärliche Fracht im Fußraum hinter meinem Sitz und fuhr los.
Ohne Umwege fuhr ich nach Hause und parkte in der Nähe der Wohnung im Stadtteil Sülz. Unweit der Uni und der Uniklinik selbst. Beides erreichte ich sonst mit dem Fahrrad besser als mit dem Auto.
Der Schweiß rann mir über die Stirn und meine Brust fühlte sich klebrig an. Meine Hände zitterten wieder – oder noch immer. Plötzlich spürte ich wieder den weichen Boden unter mir, die bunten Blumen, das duftende Gras und den seichten Wind der lautlos durch die Bäume strich. Die friedliche Umgebung hüllte mich so sehr ein, dass ich Pit neben mir vergaß und ich sah auch den Hund nicht kommen. Bis ich meine Augen aufriss und er mir knurrend, mit hochgezogenen Lefzen direkt ins Gesicht blickte. Dann begann er zu bellen, doch es war eher ein helles Quietschen als ein tiefes Bellen für einen Hund der aussah wie ein Rottweiler.
Mich durchfuhr ein grobes Zucken, so dass ich beim abrupten Aufwachen mit dem Kopf gegen die B-Säule krachte und ich mit der rechten Hand unglücklich den Schalthebel traf.
Ich schlug die Augen auf und sah eine alte Dame mit einem winzigen Hund im Rückspiegel davon gehen. Der kleine Hund kläffte ohne Unterlass und ich konnte nicht fassen, dass ich tatsächlich ein Nickerchen im Auto gemacht hatte. Vermutlich jedoch nicht lange, denn es war erst Mittag.
Mit schmerzender Hand zerrte ich meine Reisetasche vom Rücksitz , zog wahllos Klamotten heraus und stopfte stattdessen meine wertvolle Fracht hinein. Zu meiner pochenden Hand gesellte sich ein pochender Kopf als ich die Stufen zu meiner WG hoch stieg. Mit etwas Glück war ich alleine dort.
Nichts hätte ich lieber getan, als mich auf meinem Bett auszubreiten und vielleicht doch noch einen kurzen Moment zu schlafen.
Noch bevor ich den Schlüssel im Schloss herum gedreht hatte, starb meine Hoffnung von Einsamkeit. Schon im Wohnungsflur konnte ich Stimmen hören.
Mein Kommilitone und Mitbewohner Thomas stand mit den Händen in die Hüften gestemmt und blickte mich verständnislos an. Unser indischer Mitbewohner Rajan kam mit einer zerbrochenen Schublade aus der Küche und kratze sich am Kopf. Er sah mich zunächst gar nicht und blieb unmittelbar vor mir stehen. Auch sein Blick beinhaltete etwas wie Ratlosigkeit. Nachdem wir eine gefühlte Ewigkeit so dar gestanden hatten und meine Sporttasche immer schwerer wurde, kam überraschender Weise Sam aus dem Bad. Sie sah ebenfalls nichts besonders erfreut aus mich zu sehen, aber immerhin sagte sie etwas.
«Linus, geht’s Dir gut?» Sie kam auf mich zu und machte Rajan den Platz nah vor mir streitig. Er wandte sich ab und ging mit seiner Schublade wieder zurück in die Küche während er indisch-deutsches Gemurmel von sich gab.
«Ist was passiert?» Eigentlich hätte ich mir die Frage sparen können, denn die Schublade, die Rajan davon getragen hatte, gehörte zu unserem Sideboard im Flur. Leider war sie gänzlich ohne Schublade. Der Inhalt lag auf dem Boden.
«Es ist eingebrochen worden», sagte Thomas langgezogen und vorwurfsvoll.
«Du solltest Dir etwas ansehen», sagte Sam ruhig und zog mich nach rechts den Flur hinunter, wo auch mein Zimmer lag.
«Die Polizei ist gerade weg und scheinbar haben sie auch nichts gefunden.»
Wir blieben stehen und ich bekam nichts weiter zustande als einen fragenden Gesichtsausdruck. Ich hob die Schultern und öffnete den Mund, doch eh ich etwas sagen konnte, fuhr Sam fort.
«Nichts, gar nichts. Die Tür hat keinen Kratzer und ihr wohnt auch nicht gerade im Erdgeschoss.»
Ich wendete mich von ihr ab und schob die Tür zu meinem Zimmer auf. Es war gar nicht so einfach, denn der Boden war vollkommen bedeckt. Bedeckt mit den Inhalt meiner Schränke und Schubladen. Komplett alles lag auf dem Boden verstreut. Auseinander gerissen, durchwühlt und teilweise zerbrochen. Da war jemand sehr sorgfältig und wenig zimperlich gewesen.
«Die Polizei ist eben weg und wir konnten Dich nicht erreichen», sagte sie. Mich wunderte das nicht, denn ich war mit allen Sinnen damit beschäftigt, meinen Trip ins das vermutete Jahr 1619 zu verdauen und je mehr ich darüber nach dachte, desto unwirklicher kam es mir vor. Wären die Soldaten nicht gewesen, hätte ich aller Voraussicht nach ein einen Traum geglaubt. Eine Kater-Vision, an die ich mich eine halbe Stunde später nicht mehr erinnert hätte.
«Wer bricht denn in eine Studentenwohnung ein?», flüsterte ich.
«Das ist noch nicht alles», sagte Sam.
«Verdammt Linus, hast Du Dir Feinde gemacht? Besser Du regelst das schnell, sonst...», polterte Thomas los eh Sam in stoppte.
«Er ist genau so überrascht wie wir!», sagte sie lauter.
Thomas gab einen zischenden Laut von sich und verschwand den Flur hoch.
«Was ist denn noch?», fragte ich, unsicher, ob ich es wirklich wissen wollte. Sam wechselte in einen mitleidsvollen Gesichtsausdruck und ich Ton blieb geschäftlich.
«Die ganze Wohnung ist zwar durchsucht worden Linus, aber nur Dein Zimmer ist derart... verwüstet worden.»
Ich stellte kurzzeitig das atmen ein.
«Als ob die Einbrecher genau hier etwas gesucht haben. Speziell bei Dir. Und sie wussten wo Dein Zimmer ist.»
Als ich wieder Luft holte, wurde die Tasche plötzlich bleischwer, doch ich dachte nicht im Traum daran sie abzusetzen.
«Warum bist Du hier?», fragte ich Sam.
«Hab Thomas ein paar Unterlagen bringen wollen. Wir trafen uns vor der Tür und als wir kein kamen...», sie machte eine ausladende Handbewegung und schloss damit nicht nur mein Zimmer, sondern auch den Rest der Wohnung ein.
«Und jetzt?», fragte ich. Immer noch unwillig die Tasche abzulegen, betrat ich mein Zimmer und erkannte nur noch grob meine Möbel unter dem Chaos.
«Du sollst Dich bei der Polizei melden und sagen, was fehlt. Was gestohlen wurde», sagte Sam und blieb aber im Türrahmen stehen.
Als ob ich etwas teures besitzen würde. Da der Gurt der Sporttasche mir allmählich in die Schulter schnitt, kam ich zur der Vermutung, dass wahrscheinlich gar nichts fehlen würde. Außer meiner Ordnung war womöglich nichts verschwunden. Um die teuren Bücher und mein Laptop, welche offensichtlich leichtfertig vom Schreibtisch gefegt worden waren, tat es mir allerdings schon sehr leid.
«Vielleicht Zufall!?», sagte ich. «Zufall, dass sie das Zimmer eines Medizinstudenten ausgesucht haben?», ich glaubte selbst schon nicht daran, noch während ich es aussprach.
«Vielleicht», hauchte Sam. Sie wickelte ihre blonden Haare um die Finger und überflog immer wieder das Chaos.
«Soll ich Dir helfen?», fragte sie, doch ich winkte sofort ab.
«Ähm, nein. Danke. Das ist eine gute Gelegenheit um mal auszumisten», sagte ich und hoffte, dass es auch so klang, als würde ich es ernst meinen.
Sam verabschiedete sich und ich brachte sie zur Tür. Auf der Türschwelle griff sie zaghaft nach meinem Unterarm und sah mich leidvoll an.
«Bist Du in Ordnung?», fragte sie und ließ ihr Hand auf meinem Arm ruhen.
«Es ist nur Chaos», sagte ich. Was ich meinte, war aber nicht mein Zimmer. Wohl wissend, dass ich das vermeintlich Wertvollste, immer noch in meinem Besitz befand.
Sie verabschiedete sich und ging. Immer noch die Tasche schulternd stellte ich mich wieder mitten in mein neues Chaos und versuchte einen Überblick zu bekommen.
Es konnte unmöglich Zufall sein. Da erhielt ich eine seltsame Kiste und danach stellte jemand mein Zimmer auf den Kopf. Gerade meines?
Es stank doch zum Himmel. Doch wer würde mir glauben? Pit wollte nichts mit der Sache zu tun haben. Es hatte ihn zu Tode erschreckt. Mich nicht minder, denn je länger ich in der Mitte meines Zimmer und gleichzeitig in der Mitte des Chaos stand, bekam ich überdeutlich vor Augen geführt, dass es kein Spaß war. Irgendjemand nahm es bitter ernst und ich nahm mir vor es ebenso zu sehen. Ich dreht mich nach links, dann nach rechts. Die Papiere, Mappen, Bücher und Ordner ergaben kein Muster. Der Anblick begann mich zu vereinnahmen und ich schüttelte es verängstigt ab. Zuckte zusammen und presste die Tasche an mich.
Als Allererstes brauchte ich ein Versteck dafür. Wer immer in meinem Zimmer gewesen war und es bereits durchwühlt hatte hieß nicht, dass er nicht noch einmal wieder kommen würde. Die Tasche war dort nicht sicher.
Ich holte mein Fahrrad aus dem Keller und fuhr mit der Tasche auf dem Rücken ins Krankenhaus. Allerdings fühlte ich mich schon dermaßen paranoid, dass ich nicht meine übliche Strecke fuhr, sondern Einbahnstraßen benutze und einen riesigen Bogen um das Uniklinikum herum fuhr, er ich den Eingang erreichte. Unten in den Umkleiden stopfte ich die Tasche in meinen Spind. Doch noch eh ich mich einmal umdrehen konnte, hatte ich das Versteck schon als völlig unbrauchbar abgetan und zerrte die Tasche wieder heraus. Mit nach Hause konnte ich sie auf keinen Fall mehr nehmen.
An jenem Tag hatte ich keinen Dienst und gab mir Mühe nicht gesehen zu werden. Auf keinem Fall, wollte ich irgend jemandem in die Arme laufen. Ich ging so schnell ich konnte ohne gleichzeitig Aufsehen zu erregen, noch ein Stockwerk tiefer, bis runter in den Keller. Die meisten Räume dort unten waren verschlossen doch vor einiger Zeit war ich schon mal dort unten gewesen und hatte ein ruhiges Plätzchen für mein kaltes Mittagessen gesucht. Die Cafeteria war zur Stoßzeit hoffnungslos überfüllt. Daher wusste ich, dass einige Räume offen standen und darunter waren große Räume, vollgestopft mit alten Betten, ausrangierten Möbelstücken, alten Lehrmaterialien und Kistenweise Aktenordner.
Der Keller war völlig ruhig und kühl und ich suchte den Raum mit den vielen Kisten. Den Flur entlang, an der vorletzten Tür auf der rechten Seite wurde ich fündig. Der hintere Teil des Raumes war vollkommen mit Kisten voll gestellt. Die gesamte Rückwand war in zwei Reihen mit Kisten bedeckt. Den Weg dahin musste ich mir über Schreibtische und alte Patienten Nachttische bahnen. Auf der rechten Seite, etwa in der Mitte des dritten Drittels der Wand, zog ich zwei Kisten vom Stapel, leerte eine aus und verstaute meine Reisetasche in der Kiste. Sicherheitshalber legte ich zwei Aktenorder oben auf und verstaute die übrigen Ordner in den Nachtschränken. Die beiden Kisten stapelte ich, wie zuvor und betrachtete kurz mein Werk. Selbst wenn die Tür offen war, hätte dort erst jemand lange suchen müssen.
Erleichtert fuhr ich nach Hause und hielt nur kurz an, um mir ein belegtes Brötchen zu kaufen. Zurück in meinem Zimmer schrieb ich Pit eine SMS, dass in der WG eingebrochen wurde und begann aufzuräumen. Pit meldete sich an dem Tag nicht mehr und ich beschloss nicht nachzufragen.
Die kommende Nacht schlief ich sehr unruhig. Die Ansprache meiner Großmutter machte mir immer noch Sorgen. Wie viel hatte sie gewusst, oder wie viel davon hatte sie auch geplant? Wie lange trug sie dieses Geheimnis schon mit sich herum und wer wusste noch davon? Offensichtlich die Person, die auch in der WG eingebrochen war. Das machte mir ebenfalls Sorgen, doch darum konnte ich mich erst einmal nicht kümmern. Was das betraf, hatte ich noch weniger Ansatzpunkte als ohnehin schon. Und dann die quälendste Frage überhaupt: Warum ich?
Das einzige was ich hatte, war das Kästchen. Eine Zeitmaschine? Wirklich?
Es war fünf Uhr morgens und ich war wieder hellwach. Das Wort Zeitmaschine hatte eine magische Wirkung auf mich. Und eine beängstigende. Wenn ich recht hatte mit dem Jahr 1619, dann war das in der Tat kein Spaß. Dann war das ein Garant für Unheil, sofern die Gesetzmäßigkeiten einer Zeitreise die ich aus Filmen und Büchern kannte, in meinem Fall auch nur Ansatzweise ebenfalls zum tragen kamen. Zum Einen die Vergangenheit nicht zu verändern und zum Anderen, einen blassen Schimmer von dem zu haben was man tat. Leider hatte ich weder einen Doc Brown noch war ich selbst Erfinder einer Zeitmaschine.
Ich hielt es nicht mehr im Bett aus und klappte mein Notebook auf. Nervös saß ich an meinem Schreibtisch und tippte Zeitreisen bei Google ein.
Zunächst stieß ich auf wissenschaftliche Berichte und Analysen diverser Autoren und Physikern. Las von Einsteins Relativitätstheorie und über Wurmlöcher, bis hin zu Kausalitätsketten und zu den Fragen die sich mit den Paradoxa beschäftigten. Da schien das bekannteste und eindeutigste, das Großvaterparadoxon zu sein. Ein Zeitreisender trifft in der Vergangenheit seinen Großvater, bringt ihn um und verhindert somit seine Geburt.
«Und wenn es so überhaupt nicht funktioniert?», murmelte ich. «Nur ist es einfacher, oder komplizierter?»
Mein Handy surrte und zerrte mich aus dieser Überlegung die mein Gehirn beinahe verknotet hätte.
Pit schrieb.
Krasser Tag! Habe mich wieder beisammen und kotze auch nicht mehr. Was hast Du damit gemacht?
Versteckt. Davon scheint noch jemand zu wissen und das ist beunruhigend.
Was hast jetzt vor?
Hab noch keine Ahnung. Doch es muss etwas damit sein. Es ist verrückt, aber vielleicht muss ich es nochmal versuchen.
Ich weiss. Und wenn Du willst, dann steh ich Schmiere.
Aber ich musste es Mira sagen, ich habs nicht ausgehalten und sie hätte es irgendwann eh heraus gefunden.
Ich weiß...