Читать книгу Die böse Mutter - Catherine Herriger - Страница 8
VORWORT
ОглавлениеStetig ansteigendes, massives Übergewicht, regelmäßige und entwürdigende Fressattacken, unkontrollierbar gierige Nahrungsaufnahme mit darauffolgenden Scham- und Schuldgefühlen weisen auf eine Sucht hin – auf Esssucht.
Es ist eine den Körper verunstaltende Sucht, welche gerade bei einem Mädchen oder einer Frau in unserer westlichen, überaus mode- und gesundheitsbewussten Gesellschaft einer Kastration gleichkommt.
Schlimm ist zudem, dass diese psychisch bedingte Fettleibigkeit keinerlei Lobby hat. Sie ist in der Öffentlichkeit stumm, weil nach wie vor als Sucht unerkannt. Esssucht ist nicht salonfähig, die durch sie verunstalteten Menschen gelten einfach als unschön und ihr Erscheinungsbild wirkt allgemein peinlich.
Es gibt weder in der Presse aufklärende Kampagnen zum Thema Esssucht noch breit gestreute, informative Aufrufe, die für mehr Aufmerksamkeit und proaktive Zuwendung für die vielen Betroffenen wirbt – wie seit Langem und völlig selbstverständlich bei sonstigen Suchterkrankungen.
So haben Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen für Esssüchtige nach wie vor den Status von Insidertipps. Erzieherische und schulische Präventionsmaßnahmen sind – wiederum mangels gezielter Informationen – nicht existent. Im Kollektiv, in der öffentlichen Wahrnehmung, gibt es Esssucht schlichtweg nicht.
Der Bumerangeffekt ist verheerend: Esssüchtige Menschen können/dürfen sich selbst nicht als krank erkennen, sondern fühlen sich fälschlicherweise zugehörig zu den Heerscharen der »Dicken«. Sie verhalten sich und ihrem Körper gegenüber entsprechend, also falsch und kontraproduktiv. Zu ihrer Sucht gesellt sich im Allgemeinen eine weitere hinzu: die wachsende Abhängigkeit von Ratgebern und verschiedensten Diäten.
Zwischen Dicksein (oder regelmäßig einige oder mehrere Kilos zu viel auf die Waage zu bringen) und Esssucht liegen Welten. Das eine mag eine persönliche Wahl sein oder ist medizinisch bedingt – bei dem anderen handelt es sich um eine seelische Erkrankung, durchaus analog der Abhängigkeit von Drogen und Alkohol.
Es kann hier nicht deutlich genug betont werden: Die Begriffe Adipositas (Fettleibigkeit) und Esssucht sind nicht deckungsgleich, obwohl sie sich in ihrer körperlichen Manifestation überschneiden. Esssucht ist das Symptom, der Ausdruck eines psychisch bedingten »Mechanismus«, der wiederholt und anfallartig zur übermäßigen und unkontrollierbaren Nahrungsmittelaufnahme drängt.
Mit der vorliegenden, überarbeiteten und ergänzten Neuauflage des Buches »Die Böse Mutter« hoffe ich, auch weiterhin zu mehr Einsicht und Verständnis gegenüber einer Sucht beitragen zu können, die sich mangels rechtzeitiger und differenzierter Information immer mehr zu einer wahren Zivilisationskrankheit ausweitet.
Catherine Herriger Diplompsychologin IAP/SBAP Beziehungstherapeutin/Notfallpsychologin