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Bio-Sensoren

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Viele Emotionen umfassen körperliche Veränderungen, etwa der Herzfrequenz, der elektrischen Leitfähigkeit der Haut, der Muskelspannung, der Atemfrequenz und der elektrischen Aktivität des Gehirns. Die automatische Emotionserkennung mit Hilfe von Bio-Sensoren versucht, physiologische Veränderungsmuster zu identifizieren und bestimmten Emotionen zuzuordnen.

Zu diesem Zweck können verschiedene Methoden benutzt werden, die sich darin unterscheiden, wie invasiv und wie zuverlässig sie sind. Einige Geräte lassen sich nur unter kontrollierten Laborbedingungen einsetzen, weil sie sehr empfindlich sind oder einen komplizierten Aufbau erfordern, andere kann man im Alltag mit sich führen (engl. wearables). Die Apparate werden zunehmend kleiner, vielseitiger und leichter miteinander vernetzbar.

Eine klassische Methode ist das Elektrokardiogramm (EKG), das die elektrische Aktivität des Herzens misst. Die Herzaktion wird über Elektroden abgeleitet und auf einem Schreiber als Kurve dargestellt. Lange Zeit war die Durchführung eines EKG recht umständlich und nur in einer Arztpraxis oder einem Krankenhaus durchführbar. Elektroden mussten mit einem elektrisch leitfähigen Gel auf die Haut der Patienten aufgebracht und über Kabel mit einem EKG-Gerät verbunden werden. Mittlerweile werden jedoch Smart Watches (etwa von Apple) entwickelt, die – neben der Messung anderer Körperdaten – auch ein einfaches EKG durch Kontakt mit einem Finger erstellen können. Allerdings bleibt die Genauigkeit hinter klinischen EKG-Messgeräten zurück. Smartphones sind deshalb nicht dazu geeignet, Herzinfarkte oder Blutgerinnsel zu entdecken.

Andere Verfahren, die ebenfalls in Smart Watches eingesetzt werden, sind die optische Messung der Pulswellen oder der Sauerstoffsättigung des Bluts. Messbar sind außerdem etwa die Atemfrequenz sowie die Hauttemperatur und elektrische Leitfähigkeit der Haut, die ein Indikator der Schweißproduktion ist. Diese Informationen helfen bei der Emotionserkennung. So erhöht sich bei Furcht die Frequenz des Pulses, die Atemfrequenz sowie die elektrische Leitfähigkeit der Haut. Doch auch die Messung der Muskelspannung oder Bewegungsdaten können Aufschluss über den emotionalen Zustand einer Person geben.

Allerdings sind die physiologischen Reaktionen für sich genommen häufig zu unspezifisch, um einer bestimmten Emotion eindeutig zugeordnet werden zu können. So kann eben auch ein kräftiger Niesreiz bei einer entspannten Person zu einem heftigen Anstieg der Herzfrequenz, des Blutdrucks und der Hautleitfähigkeit führen. Psychologische Experimente zeigten zudem bereits in den 1960er Jahren, dass künstlich induzierte physiologische Veränderungen bei den Versuchspersonen zu unterschiedlichen Emotionen führten, je nachdem, was als das Bezugsobjekt der Emotion interpretiert wurde.21

Aus diesem Grund ist es naheliegend, die physiologischen Messverfahren durch die Erhebung anderer Parameter zu ergänzen, wie etwa die stimmbasierte Analyse. Ein solches Verfahren setzt beispielsweise ein von der Firma audEERING entwickelter Fitness Tracker ein, der am Ende des Tages eine umfangreiche Zusammenfassung der Emotionen der Nutzer über den Tag verteilt visuell darstellt. Ziel ist es, den Nutzer zu motivieren, sein Wohlbefinden aktiv zu steigern und negative Emotionen sowie Stress zu minimieren. Auch audio-visuelle Stimuli, die eine bestimmte physiologische Reaktion mit einem bestimmten Auslöser in Zusammenhang bringen, können hinzugezogen werden. Die Aufzeichnung von Bewegungsmustern kann ebenfalls zur Emotionserkennung beitragen.

Emotionserkennung mit Hilfe von Bio-Sensoren zielt besonders auf Gesundheits- und medizinische Anwendungen ab. Das Wohlbefinden der Nutzer soll gemessen und etwa das Stressmanagement erleichtert werden. Die Emotionstracker sollen zusätzlich Hinweise auf mentale Erkrankungen wie Depressionen geben. Menschen, die unter einer Autismus-Spektrum-Störung leiden, werden als eine besondere Zielgruppe anvisiert. Sie haben nicht nur Schwierigkeiten, Emotionen bei anderen zu erkennen, sondern sind häufig auch in ihrem Emotionsausdruck durch Mimik, Gestik oder Stimme beeinträchtigt. Die Emotionsregulation bereitet ihnen ebenfalls Probleme. So besteht häufig eine Neigung zu unkontrollierten Wutausbrüchen. Mit Bio-Sensoren ausgestattete Wearables sollen ihnen selbst und anderen einen leichteren Zugang zu ihrem Gefühlsleben geben und es ihnen auf diese Weise ermöglichen, mit ihren Emotionen besser umzugehen.

Doch auch im Wellness-Bereich und in der Unterhaltungsindustrie wurden eine Reihe von Anwendungen entwickelt. So können entsprechend der jeweiligen Stimmungslage Fernsehprogramme empfohlen oder Beleuchtungen angepasst werden. Bei Computerspielen kann die Emotionserkennung durch Bio-Sensoren im Zusammenspiel mit anderen Technologien eingesetzt werden, um die Spielerfahrung zu intensivieren und zu erweitern.22 Diese Idee geht bereits bis in die 1980er Jahre zurück, setzte sich allerdings kommerziell lange Zeit nicht durch, weil die Technologie zu teuer war und nicht wirklich zu einer umwälzend neuen Spielerfahrung führte.

Neuere Entwicklungen arbeiten an verbesserten Feedback-Schleifen, die den Spielverlauf den Emotionen des Spielenden anpassen. So weist das Spiel Nevermind beispielsweise Bio-Sensoren und gesichtsbasierte Emotionserkennung der Firma Affectiva auf. Zeigt der Spielende dieses First-Person-Thrillers Anzeichen von Furcht, so wird der Ablauf des Spieles gestört. Gelingt es ihm, seine Furcht wieder unter Kontrolle zu bekommen, verschwinden die Schwierigkeiten. Der Hersteller wirbt damit, dass das Spiel im Rahmen der Therapie von Angststörungen eingesetzt werden könne, um zu lernen, seine Emotionen zu kontrollieren.

Künstliche Intelligenz und Empathie. Vom Leben mit Emotionserkennung, Sexrobotern & Co

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