Читать книгу Free Zone - Charles Platt - Страница 20

Оглавление

1. Partytime im Paradies der Heiden

Heiligabend in der Free Zone: laute Musik, Konsum harter Drogen und Ficken in der Öffentlichkeit. Betrunkene Biker haben eine lebensgroße Weihnachtsmannpuppe mit einem Lasso eingefangen, sie am Hals vor die Stufen der Lieblingsjünger-Kirche geschleift, mit Kettensägen zerlegt und das Ergebnis des Zerstörungswerks in Brand gesetzt. Zeitgleich spielten in der heruntergekommenen Kirche weiß gewandete Punks Heavy-Metal-Oldies, dazu strippten androgyne Go-go-Girls unter den durch nahe Bombenexplosionen zerbrochenen bunten Kirchenfenstern und spritzten die Gemeinde mit Weihwasser aus einem gigantischen Gummipenis nass.

Nicht zu vergessen natürlich die Parade auf dem Glendale Boulevard.

Dusty McCullough sagte sich, dass sie zu alt wurde für solche Dummheiten. Mit Mitte dreißig hatte sie noch kaum Lachfalten um den Mund, nicht so schlimm, doch die ersten Krähenfüße um die Augen machten ihr doch mehr zu schaffen, als sie zugeben würde. Ihre Figur war noch gut, Muskeln wie eine Bodybuilderin, und das durchgeknallte kleine Gemeinwesen, das sie geschaffen hatte, erfüllte sie durchaus mit Stolz. Fünf Jahre lang die Zone zu verwalten hatte einen Jongleurakt bedeutet, und da nun die Jahrtausendwende vor der Tür stand, fragte sie sich allmählich, wie lange sie das noch durchstehen könne.

Doch heute Abend war Partytime angesagt. Sie hatte den Ehrenplatz. In Seidenrobe und mit silberner Krone wie eine königliche Hoheit fuhr sie auf dem ersten Festwagen der Parade mit. Die Robe war mit Bedacht zerfetzt und matschbekleckert, die Krone mit Kreppband repariert, der Thron, auf dem sie saß, roh aus Kistenholz zusammengenagelt. Strahlend lächelnd, hielt Dusty die Symbole ihres libertär-sozialistischen Regimes: in einem Arm ein automatisches Gewehr, im andern einen Laptop. Die Menge war begeistert. Es wurde gejohlt und gepfiffen und mit Konfetti geworfen. Hinter ihr kamen als Bischöfe verkleidete Surfer in ihren Strandbuggys und spendeten den Zuschauern den Segen. Dann Satan in goldenem Triumphwagen, gezogen von gut aussehenden Männern in weißen Strumpfhosen und mit Engelsflügeln, um die Augen herum schwarz geschminkt. Sie quiekten wie kleine Mädchen, als Satan die Peitsche über ihren Köpfen knallen ließ.

Ihnen folgte auf Stelzen ein Kapitalist im Straßenanzug, holte eine Handvoll Geld nach der anderen aus einem Tragebeutel und warf es in die Menge – nachgemachte Scheine mit obszönen Mottos und Bildern hungernder Farmersleute in Minnesota und Pennsylvania. Dicht dahinter ein über und über mit pinkfarbenen Rosen geschmückter Festwagen. Revuegirls von LoveLand balgten sich in einer lesbischen Orgie, während sich ein Mafioso höhnisch grinsend auf Säcken voller Goldstücke fläzte.

Den Schluss bildeten drei Hell’s Angels auf Rollschuhen, sie stellten die Weisen aus dem Morgenland dar, und eine ortsbekannte Puffmutter schob eine Krippe auf Rädern vor sich her, das aufgepumpte Mutantenbaby darin – Schnabel aufgesperrt und die hervorquellenden Augen blutunterlaufen, der Heiligenschein über ihm aus einem alten Kleiderbügel gebastelt – zuckte mit seinen Flossen, wozu ein versteckter Lautsprecher »Hark! The Herald Angels Sing« plärrte.

Dustys Wagen an der Spitze der Prozession erreichte die Lieblingsjünger-Kirche, als die Glocken gerade Mitternacht schlugen. Sie kletterte auf die erhöhte hölzerne Bühne, von wo sie Publikum und Straße im Blick hatte, und ließ die Szene auf sich wirken: lachende, herumstolpernde, schreiende Menschen, unter Flutlicht wirbelnder Staub, Gerüche von gegrilltem Hundefleisch und schwarzgebranntem Gin durchzogen die weiche, warme Luft.

Thomas Fink, ihr Vertrauter, Liebhaber und Systemanalytiker, erschien unauffällig neben der Plattform und reichte ihr ein Mikrofon hoch. Sie lächelten einander versteckt an, und dann wandte sie sich der Menge zu.

»Wer braucht schon Helden?«, rief sie. Sie machte eine Pause, um der Menge Zeit zu geben, die Aufmerksamkeit auf sie zu richten. »Gibt’s hier jemanden?« Den Block rauf und runter das Echo ihrer verstärkten Stimme. »Will jemand von euch der Meinung andrer Leute mehr trauen als der eigenen?«

Wie aus einer Kehle brüllten alle: »Nein!«

»Keine Gurus, kein Gott, keine Regierung«, fuhr sie fort, jetzt in ruhigerem Ton. »Nichts von solchem Scheiß. Nicht hier in der Free Zone.« Sie machte eine Pause und lächelte. »Und wir glauben verdammt noch mal nicht an den Weihnachtsmann.«

Großer Jubel im Publikum.

»Also lasst uns feiern.«

Ein halbes Dutzend Musiker in Guerillamontur kamen zu ihr auf die Plattform, und sie zog sich zurück. Leaping Larry hinter seinem Mischpult auf Rädern gab das Zeichen, und die Band legte los. Dusty nutzte die Gelegenheit, unauffällig hinter die Bühne zu verschwinden. Obwohl sie groß und gut trainiert war, machten Menschenmengen sie nervös – egal, wie sehr sie von denen geliebt wurde.

Thomas wartete. »Lass uns nach Haus fahren«, sagte sie ihm unter dem Stampfen der Musik ins Ohr. Sie fing an, ihre Kostümierung auszuziehen. Sie trug Sportkleidung darunter und Turnschuhe. Die Nachtluft fühlte sich gut an auf ihren nackten Armen. Dusty spannte die Muskeln und ließ sie wieder locker. »Meine Norton steht auf dem Parkplatz, hinter der Kirche.«

»Werden sie dich nicht vermissen?« Thomas ruckte den Kopf in Richtung der auf der Straße Tanzenden.

»Hab hart genug für sie gearbeitet in den letzten fünf Jahren, und das wissen sie. Komm mit, wir schwänzen einfach.« Sie nahm ihn mit beiden Händen beim Kopf und küsste ihm kalkuliert auf den Mund, sodass Widerrede für ihn unmöglich war.

Schon bald fuhren sie in die Hügel am Rand des Griffith-Parks hoch. Thomas saß eng hinter ihr, die Arme um ihren Körper geschlungen. Der 850-Kubikzentimeter-Motor des Motorrads dröhnte herausfordernd durch das verfallende Wohngebiet unter dem purpurnen Mond.

Free Zone

Подняться наверх