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2. In der Hölle sollen sie schmoren, die sündigen Promis

Zur gleichen Zeit bewegte sich etwas weiter südwestlich eine lange weiße Limousine schwerfällig die schräge Ausfahrt vom Hollywood Freeway hinunter in Richtung Beverly Hills, eskortiert von zwei gepanzerten M113-Halbketten-Truppentransportern mit Nationalgardisten. Ihre Nachtsichtgeräte, Maschinengewehre und Flammenwerfer nervös schwenkend ins Ödland gerichtet.

Clarence Whitfield lag mehr als dass er saß auf der Seehundslederpolsterung des Rücksitzes der Limo und bewunderte sich in der verspiegelten Dachunterseite. In seiner rechten Hand, auf seinem stattlichen Bauch ruhend, hielt er ein Glas Bourbon mit erlesenem Mineralwasser, wie geistesabwesend hatte er die Linke auf den Oberschenkel seiner gerade 18-jährigen Sekretärin gelegt, Roxanne.

Er war ein großer schwer gebauter Schwarzer von Mitte 50, nicht viel unter 150 Kilo, rundes Gesicht mit Hängebacken, der Schädel rasiert. Wenn er grinste, wirkte er wie ein hungriger Restaurantgast, bereit, alles wegzuputzen, was ihm vorgesetzt wurde. In der Tat war es so, dass ganz Los Angeles sein Restaurant war, und er grinste oft.

Musik erfüllte den Wagen, Barry Manilow, laut aufgedreht. Whitfield summte mit, ziemlich schief, und warf einen Blick durchs Fenster auf die Reihe der ausgebrannten Einzelhäuser am Beverly Boulevard, kaum zu erkennen im flackernden Glimmen der mutwillig beschädigten Straßenlampen. Flüchtlinge kauerten in all der Verwüstung und starrten ausdruckslos auf den Wagen und die vorbeirumpelnden Truppentransporter.

»Armseliger White Trash«, sagte er zu sich selbst. Er lachte ausgelassen, sodass sein Bauch wabbelte und etwas vom Drink auf seinen blauen Nadelstreifenanzug schwappte. »Wisch es weg, Honey«, fügte er hinzu, ohne sich die Mühe zu machen, die Frau neben ihm anzusehen.

Roxanne griff nach einem Papiertaschentuch. Sie war wie eine Nutte angezogen, trug sehr hochhackige Pumps, schwarze Netzstrümpfe, einen schwarzen Minirock aus Leder und einen engen roten Pullover, der die Brustwarzen sehr detailliert hervorhob. Ihren Afro trug sie kurz wie das Fell eines frisch geschorenen schwarzen Schafs. Sie war erschreckend mager und knochig. Ihre Knie und Ellbogen wirkten spitz genug, jemanden damit umzubringen, sofern sie denn jemals die Technik lernen sollte, sie entsprechend einzusetzen.

Sie tupfte am verschütteten Bourbon rum. »Irgendwie frag’ ich mich manchmal«, sagte sie, »Sie wissen schon, woher bloß so ’ne armen Menschen kommen.«

»Solche armen Menschen«, korrigierte Whitfield. »Als meine persönliche Sekretärin musst du an deiner Ausdrucksweise arbeiten.«

Sie nickte ernst. »Okay.«

»Die Misere der verarmten Stadtbevölkerung«, erzählte er ihr, »hat einen kritischen Punkt erreicht. Das ist die große Tragödie der heutigen Zeit. Verstehst du, was ich sage?«

»Mhm.«

Er ließ die Augen halb zufallen. »Was auch immer ich sonst gesagt oder getan habe, ich habe es stets für meine Pflicht gehalten – meinen moralischen Imperativ –, solchen Menschen zu helfen. Und ich werde nicht ruhen, bis ich dieser schweren Verantwortung gerecht geworden bin.«

Roxanne sah ihn voller Respekt an. »Genau.«

Er wandte sich zu ihr, musterte ihr Gesicht und ihre Figur und gönnte ihr sein breites Grinsen. »Du glaubst doch an mich? Oder, Honey?«

Sie hob die knochigen Schultern und lächelte. »Aber sicher.«

Whitfield lachte in sich hinein. Er drückte ihren Oberschenkel, immer stärker, bis sie zusammenzuckte. »Braves Mädchen!«

Das große Auto glitt weiter durch die Nacht. Auf anderen Strecken, die der Bürgermeister hätte nehmen können, wäre es schneller gegangen, aber er bekam nie genug vom Anblick dieser Habenichtse. Das Elend anderer war Stimulans für seine Seele.

Die Limousine überquerte schließlich den La Cienega Boulevard und näherte sich Beverly Hills.

Vor ihnen waren hohe stählerne Flutlichtmasten hinter einer Mauer aus Betonelementen zu erkennen, NATO-Draht auf der Mauerkrone. Als Whitfields Konvoi näher kam, hallte eine Lautsprecherstimme über den Highway. »Stopp. Kommen Sie nicht näher. Identifizieren Sie sich beim Wachposten.«

»Als ob sie uns nicht erwartet hätten«, grummelte Whitfield. Er hievte sich in Sitzposition und drückte den Knopf der Sprechanlage. »Vernon? Sag Sergeant Sanchez von der Eskorte, er soll den Beverly-Hills-Leuten erzählen, dass wir im Beverly Hilton Amtsgeschäfte haben.«

»Ja, Sir, Mr. Whitfield.«

Roxanne sah verwirrt aus. »Wieso kommen die uns auf diese Art? Verstehen die denn nicht, wer du bist?«

Er zog eine Grimasse. »Hat nicht viel zu sagen. Das ändert sich, bald genug.«

Nach kurzem Warten glitten schwere Stahltore auseinander, ließen der Limousine kaum genug Raum zum Durchfahren. Die Militäreskorte blieb derweil draußen.

Kurz darauf ging es für den Bürgermeister auf dem Canon Drive mit seinen hohen, in schimmernden Plastiksonnenschutz gehüllten Palmen nach Norden. Hier war der Betonbelag glatt und sauber. Geräumige, elegante Einzelhäuser standen halb versteckt inmitten üppiger Vegetation, tadellos gepflegt und geschmackvoll beleuchtet.

»Lass das Jüngste Gericht kommen«, murmelte Whitfield, »dann sieht es hier ganz anders aus, davon bin ich überzeugt.« Er nickte bei dem Gedanken. »Sie sollen den Zorn Gottes erleben. Und sie sollen für ihre Sünden bezahlen.« Er trank sein Glas aus und setzte es ab. »In der Hölle sollen sie schmoren. Ewige Qualen sollen sie leiden. So spricht der Herr.«

»Amen«, sagte Roxanne. Ein bisschen nervös spielte sie mit dem diamantenbesetzten Kruzifix, das an einem silbernen Halskettchen baumelte.

Zum Hotel war es nicht mehr weit. Der Parkplatz war dicht an dicht vollgeparkt mit klassischen Rolls-Royce, Ferraris und Jaguars, und die Fußwege wimmelten von Paparazzi. »Bleib im Wagen«, befahl Whitfield Roxanne. »Es dauert nicht besonders lange.«

»Aber Sie haben gesagt, ich kann …«

Er patschte ihr auf die Wange, und dann noch einmal, gerade fest genug, dass ihr Kopf zurückkippte und ihre Augen sich vor Überraschung weiteten. »Du machst, was ich sage, Honey.«

Er stieg aus dem Wagen und direkt in ein Blitzlichtgewitter. Vernon, der Chauffeur, groß, muskulös und bedrohlich in seiner paramilitärischen Uniform, knallte die Wagentür zu, bevor irgendein neugieriger Journalist die Chance hatte hineinzusehen.

Whitfield watschelte die drei Stufen zur Lobby hinauf und blieb stehen, um wieder zu Atem zu kommen. Ein junger Mann in anthrazitgrauem Anzug und mit einer Nelke im Knopfloch eilte auf ihn zu. Er hatte ein künstlich hübsches Gesicht, das nur plastischer Chirurgie zu verdanken sein konnte. »Mr. Whitfield!« Er ergriff Whitfields Hand und sah ihm mit beflissener Ernsthaftigkeit in die Augen. »Ich bin so froh, dass Sie da sind. Wir rätselten schon …«

»Sie können aufhören mit Rätseln, Junge. Ich bin hier.«

Das Lächeln des jungen Mannes wurde unsicher. »Ja … natürlich. Auf jeden Fall kommen Sie gerade rechtzeitig, sollten Sie noch vorhaben, die Programmrede zu halten, wäre uns das eine große Ehre …«

»Führen Sie mich hin.«

»Aber natürlich. Mit Vergnügen.« Er führte Whitfield einen langen Korridor mit gelben Wänden und dickem Teppichboden entlang, durch eine Reihe von Türen und an zwei bewaffneten Wachposten vorbei in die Seitenkulisse einer kleinen Bühne.

»Aber wir dürfen nie die wahre Bedeutung von Weihnachten vergessen«, sagte gerade ein Herr in blendend weißem Anzug. Er stand vor einem Mikrofon und sah in den Saal hinein, in dem mehrere Hundert hohe Tiere aus der Medienlandschaft an Tischen saßen, unter Girlanden von Stechpalme, Mistel, bunten Glaskugeln und handgemachten Papierblumen. »Im Ernst, es ist eine ganz besondere Zeit im Jahr. Eine Zeit, derer zu gedenken, denen es nicht so gut geht wie uns – deshalb gehen die Einnahmen aus dieser Veranstaltung als Spende an den Wohltätigkeitsfonds der Unterhaltungskünstler.« Er wartete den obligatorischen Beifall ab, blickte zur Seite und sah, offensichtlich erleichtert, dass Whitfield da war. »Es ist auch eine Zeit der Herzensgüte«, fuhr er fort und schaltete in einen anderen Gang. »Eine Zeit seinen Nächsten zu lieben. Und in diesem Geist präsentiere ich Ihnen heute Abend einen Überraschungsgast. Einen Mann, mit dem wir, offen gestanden, unsere Differenzen hatten. Doch wie ich erfuhr, hat er gerade heute Abend einige gute Neuigkeiten für uns, lassen Sie uns also mit offenem Herzen und Sinn die Botschaft anhören, die er uns bringt. Meine Damen und Herren, Mr. Clarence Whitfield, Bürgermeister der Stadt Los Angeles.«

Whitfield trat ins Licht der Bühnenbeleuchtung. Blitzschnell registrierte er das Meer der Gesichter, gut aussehende Männer, bezaubernde Frauen, extravagant hergerichtete Tische mit dem Durcheinander der Überbleibsel eines höchst opulenten Banketts. Einiges überraschtes Gemurmel entstand, hier und da wurde unsicher Beifall geklatscht, als er nach dem Mikrofon griff.

»Es ist mir eine Ehre, hier zu sein«, begann Whitfield, »bei den wundervollsten, den talentiertesten Menschen in einem unserer bedeutendsten Wirtschaftszweige, der selbst in diesen Zeiten der Ungewissheit noch floriert.« Er nickte bedächtig, als gefiele ihm die Weisheit in seinen Worten.

»Wissen Sie«, fuhr er fort, »als ich heute hierher unterwegs war, sah ich auf den Straßen von Los Angeles eine Menge Menschen, denen nicht viel geblieben ist, diese Weihnacht zu feiern. Die Misere der verarmten Stadtbevölkerung hat einen kritischen Punkt erreicht. Das ist die große Tragödie der heutigen Zeit. Und Sie müssen wissen: Was auch immer ich sonst gesagt oder getan habe, ich habe es stets für meine Pflicht gehalten – meinen moralischen Imperativ –, solchen Menschen zu helfen. Und ich werde nicht ruhen, bis ich dieser schweren Verantwortung gerecht geworden bin.« Er sah ins Publikum, als trotzte er jedem, der womöglich an ihm zweifelte. »Im Sinne dieses Ziels ist es mir eine Freude, Ihnen den erfolgreichen Abschluss der langen Verhandlungen zwischen der Stadt Los Angeles und der Führung von Beverly Hills bekannt zu geben.«

Zögernd begann das Publikum zu applaudieren. Doch er hielt die Hand hoch. »Ich glaube daran, dass unser neues Abkommen den unerfreulichen Zustand beenden wird – lassen Sie es mich klar formulieren –, die bedauerlichen gewaltsamen Auseinandersetzungen, die wir miteinander hatten. Gemeinsam werden wir imstande sein, wieder aufzubauen, indem wir unsere Kräfte und Mittel vereinen, und auch die Gesetzesbrecher zu bestrafen«, er bleckte die Zähne in einem plötzlichen kleinen Wutanfall, »die Sozialparasiten und Berufsverbrecher, die aus der sogenannten Free Zone heraus operieren.«

Er hielt inne, wischte seine dicken Wangen mit einem weißen Taschentuch und brachte dann ein wohlwollendes Lächeln zustande. »Eines Tages, in nicht allzu ferner Zukunft, werden Sie auf Ihre Wachposten und Befestigungen verzichten können, und gesetzestreue, gottesfürchtige Bürger werden sich frei im Gebiet des Greater Los Angeles bewegen. Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen und wünsche Ihnen allen frohe Weihnachten und Frieden und Wohlergehen im neuen Jahr und neuen Jahrtausend.«

Free Zone

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