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3. Latinobanditen im überfluteten Speckgürtel

Zur gleichen Zeit, sieben Meilen weiter südwestlich, stand Dr. Percival Abo an der Reling eines verrosteten Frachters, der langsam landwärts schipperte. Dort, in Ocean Park, lagen die Straßen zwei Meter unter verdrecktem Meerwasser, und Fische schwammen durch zerbrochene Fenster verfallender Eigentumswohnungen. Ein neu ausgehobenes Becken hatte den überfluteten Vorort in eine vornehme Marina verwandeln sollen, doch die Arbeiten wurden eingestellt, als das Geld zu Ende ging, und das Projekt verkam zu einem Sumpf. Füchse und Waschbären trieben sich nachts auf den Dächern herum, und merkwürdige neu mutierte Gewächse hatten sich auf den Schlammflächen angesiedelt.

Das Becken war jedoch tief genug, um als behelfsmäßiges Hafenbecken zu dienen, und somit fand der Frachter hier seinen Anlegeplatz. Zwei chinesische Matrosen schleuderten ein abgenutztes Tau über Bord. Dr. Abo nahm die Bewegung von Männern auf dem Pier wahr, die im unheimlichen roten Mondlicht nur schwer auszumachen war. Sie fingen das Tau auf und befestigten es an einem im Schlamm steckenden Bulldozer.

Der Kapitän des Schiffs kam leise zu Dr. Abo an die Reling. Er war ein kettenrauchender Koreaner mit Messernarben an einer Wange und der Narbe einer Schusswunde an der linken Hand. Verschiedene Knöpfe fehlten an seiner Uniform, er trug kein Hemd darunter. Während der dreißigtägigen Pazifiküberfahrt hatte er viele Schachpartien mit Dr. Abo gespielt, aber nie seinen Namen verraten. Dr. Abo hatte nicht danach gefragt – hatte tatsächlich überhaupt keine Fragen gestellt. Er war schlicht dankbar, dass er am Leben war.

»Ich werde noch etwas mehr von Ihrem Geld brauchen«, bemerkte der Koreaner leise, »um uns vor den Behörden zu schützen.« Er zog an seiner Zigarette, sie glühte in der Dunkelheit auf.

»Na schön.« Dr. Abo langte in sein Jackett und holte einen seiner Krügerrands aus der Innentasche und gab ihn dem Kapitän.

Die Männer auf dem Pier richteten eine Gangway auf, aus Tischlerplatten und Abflussrohren aus Kunststoff improvisiert. Sie rumpelte an die Bordwand, und die Männer kletterten hinauf, ertasteten sich ihren Weg durch die Dunkelheit. Der Kapitän schaltete eine Stablampe an, doch die Männer schienen sie kaum zu sehen. Dr. Abo fielen ihre Gesichter auf: Sie schienen aus Mexiko zu stammen, die Haut so dunkel, dass sie fast schwarz wirkte, pockennarbig und voller Pusteln. Ihre Augen spiegelten das Licht mit sonderbarer, bleicher Intensität. Hautkrebs und grauer Star, erkannte er. Geschenke der neuen Sonne.

»Buenas tardes«, sagte der erste Chicano. Er trug einen Patronengurt schräg über einem zerlumpten schwarzen T-Shirt und eine abgeschnittene Levi’s.

»Buenas tardes«, erwiderte der Kapitän ruhig.

Der Chicano stockte, als suchte er nach Worten. »Wir hören Ihre Nachricht über Funk. Wir sind die Hilfe für Sie. Der Schutz.«

Der Kapitän hielt ihm die Goldmünze hin und leuchtete mit der Stablampe drauf. »Oro«, sagte er.

Torres sah den Krügerrand von ganz nahe an, nahm ihn, biss drauf und gab ihn dann einem seiner Begleiter. Sie besprachen sich in rasend schnellem Spanisch. Schließlich drehte er sich zum Kapitän und nickte. »Okay.«

»Schutz für tres días«, sagte der Kapitän.

Der Chicano schüttelte den Kopf. »Dos.«

»Das ist wahrscheinlich lange genug«, erklärte ihm Dr. Abo.

»Gracias. Buenas noches.« Torres wandte sich zum Gehen.

»Einen Moment«, rief Dr. Abo. »Ich habe Ladung, die gelöscht werden muss.«

Im Gesicht des Chicanos stand feindseliges Nichtverstehen.

»Behälter. Kisten.«

»Cajas de madera«, half der Kapitän aus.

»Ich brauche einen Truck«, fuhr Dr. Abo fort, seine Aufregung ließ ihn drauflosreden, ob sie ihn nun verstanden oder nicht. »Es muss ein Kühllaster sein. Und ich selbst muss ein Auto mieten …«

»Mañana«, sagte Torres. »Wir schicken Ihnen ein paar Jungs. Kostet mehr, Sie bezahlen.« Ohne die Antwort abzuwarten, führte er seine Leute zurück auf den Pier, in die Nacht.

»Machen Sie sich keine Sorgen.« Der Kapitän schnippte den Zigarettenstummel über Bord. »Ich hab früher schon mit diesen Leuten Geschäfte gemacht. Ich schlage vor, Dr. Abo, dass Sie sich etwas Schlaf gönnen. Es sei denn, Sie hätten Lust auf eine Partie …«

»Nein. Kein Schach mehr. Trotzdem vielen Dank.« Dr. Abo verbeugte sich steif vor dem Koreaner, drehte sich um und ging vorsichtig über das Deck, zurück in die Sicherheit und Einsamkeit seiner Kabine.

Als er eintrat, wirkte das helle gelbe Licht der einzelnen nackten Glühbirne beruhigend vertraut auf ihn, und die abblätternde cremeweiße Farbe und der wackelige Holzstuhl einladend im Vergleich zu der unbekannten Stadt da draußen. Überall in der Kabine lagen alte Bücher herum; die Überfahrt hatte er großenteils damit verbracht, sich durch die überholte 1989er Ausgabe der Encyclopedia Britannica hindurchzuwühlen.

Er hatte seinen Hund zur Gesellschaft, Lucky – einen Cockerspaniel, den er vor den chinesischen Behörden in Hongkong gerettet hatte, als sie Abos Unternehmen geschlossen und ihn aus seiner Wohnung geworfen hatten.

Dr. Abo schloss die Kabinentür. Aus Gewohnheit sperrte er hinter sich zu und blieb tief einatmend stehen. Lucky rappelte sich in seinem Korb auf und kam schwanzwedelnd zu ihm. Dr. Abo beugte sich zu ihm, klopfte ihm erst auf die Seite, kraulte ihn dann hinter den Ohren. »Ich habe ein paar Männer dafür bezahlt, dass sie uns zwei Tage Liegezeit zugestehen«, erzählte er dem Hund, als wollte er sich selbst beruhigen. »Wir laden morgen aus, hoffe ich.« Dr. Abo holte einen zerknitterten Zettel aus der Jacketttasche und sah ihn unnötigerweise genau an, denn die Bleistiftnotiz darauf kannte er längst auswendig. Sie hatte sich mit mystischer Bedeutsamkeit aufgeladen, wie ein religiöses Totem. »Wir fahren zu Dusty McCullough in die Free Zone. Sie wird uns einen sicheren Unterschlupf bieten, da können wir ohne bürokratische Einmischungen wohnen und arbeiten.«

Lucky wedelte mit dem Schwanz. »Das ist fein«, sagte der Hund. »Ja, das freut mich.«

Die Hundestimme klang fast menschlich, wenn auch nicht ganz.

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