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Neue E-Mail eingetroffen

Von: Claire

An: Noella

Betreff: Der Mensch braucht auch mal ne Pause!

Hallo, Mäuschen!

Hab heute frei, die Nacht war lang und heiß! Ich kann kaum sitzen, geschweige denn laufen. So wund ist mein Döschen, glaub es oder nicht! Ich fürchte, wir haben heute Nacht ein wenig übertrieben. Giulio ist eben gegangen, der Ärmste muss trotzdem ins Büro.

Du hast Dich seit Tagen nicht mehr gemeldet, seit der Champagner-Artikel angekommen ist. Ich vermute mal, Du hängst fest mit dem Schlusskapitel — »Bars und Cocktails. Die Kultur des gepflegten Trinkens und Ausgehens« —, Himmel, was für ein Thema! Und dann noch Schampus zum krönenden Abschluss, hihi ... man mag gar nicht einsehen, wieso Du so hart arbeitest bei dem ganzen Spaß????!!!

Spaß beiseite—kommst du rüber auf einen Nachmittagsplausch?

Ich hab noch Blaubeerauflauf im Backofen, Schlagsahne im Kühlschrank — na, was sagst Du?

Bussi von Claire

»Und? Warum prickelt denn nun Champagner?«

Claire lackierte gerade ihre Fußnägel silberperlmuttfarben. Sie saß dabei auf ihrer gemütlichen, etwas durchgesessenen Couch, ein Bein hochgestellt auf einem der Wohnzimmerstühle, um sich die Pinselei zu erleichtern.

Die Reste der nachmittäglichen Blaubeer-Schlemmerei zierten den runden Esstisch in der anderen Zimmerecke, zu dem der Stuhl eigentlich gehörte.

Noella beobachtete die Freundin nachdenklich und zugleich fasziniert. Wie sie so unbekümmert mit verwuschelten Haaren und ungeschminkt in ihrem vorne weit aufklaffenden alten Bademantel da hockte und gleichzeitig so sexy und anziehend wirkte — es war kaum zu glauben.

Jede andere hätte in dem Aufzug unweigerlich schlampig gewirkt, aber Claire verfügte über diese natürliche Grazie, die unzerstörbar schien. In jeder Lebenslage. Kein Wunder, dass ihr neuer Lover, mit dem sie die letzte Nacht offensichtlich zum Tage gemacht hatte, ihr zu Füßen lag.

Claire war eine Genießerin. Diese Fähigkeit zum hemmungslosen Genuss verlieh ihr wohl auch die ungeheure erotische Ausstrahlung. Sichtbar sogar heute, an ihrem einzigen wöchentlichen »Gammeltag«, an dem sie keinen Dienst in der Klinik schieben musste.

»He, Noella-Mäuschen, ich habe dich was gefragt!«

»Pure Physik. In dem Moment, wo so ein Champagnerbläschen platzt, reißt zuerst die Haut an seiner Oberfläche auf. Dabei entsteht ein Loch, in welches wiederum Flüssigkeit strömt. Und dann schießt eine Fontäne empor. Der ganze Vorgang ist übrigens fotografisch dokumentiert und damit bewiesen. Von einem waschechten Physik-Professor.«

»Aha!« Claire lachte, wobei sie gleichzeitig die Nägel des anderen Fußes lackierte, und zwar ohne mit der Farbe zu kleckern. Noella war erstaunt, das wäre ihr nie geglückt.

»In Physik war ich nie so besonders«, fuhr Claire unbekümmert fort. »Weder in der Schule noch später auf der Uni während des Medizin-Studiums. Aber ich glaube dem Artikel, den dein Barkeeper dir da zugeschickt hat. Apropos, vermisst du ihn eigentlich immer noch so sehr? Wie heißt er doch gleich wieder ... Patrick?«

Noella seufzte leise, sie wollte lieber nicht über Patrick sprechen. Nicht einmal mit der besten Freundin.

Sie wollte ihn vergessen!

Am besten sofort und für immer. Sie hatte erst letzte Nacht beschlossen, dies wäre das Beste.

Er lebte drüben in San Francisco, sie hier in München. Es lagen so viele Dinge zwischen ihnen, nicht nur ein paar Tausend Kilometer Luftlinie und ein Ozean.

Und dann die bildhübsche schwarze Hexe namens Gabrielle!

Er würde ja doch wieder den üppigen Reizen der Jamaikanerin erliegen. Und überhaupt — einen Mann wie Patrick besaß man nie ganz für sich alleine, Typen wie ihn musste man immer mit irgendwelchen anderen Frauen teilen.

Nein, das wollte Noella nicht, das war nichts für sie.

Nicht einmal Eifersucht durfte sie zeigen, das hatte er deutlich genug gesagt. Damit konnte und wollte er nämlich nicht umgehen.

Liebe ist ein Kind der Freiheit ... daran glaubte er bedingungslos, es war sein erklärter Wahlspruch fürs Leben.

Irgendwie verstand sie ihn sogar, aber andererseits: Wenn man liebte, wirklich, tief und echt liebte, dann war die Eifersucht eben nicht weit, oder? Es war doch nur menschlich, das große Glück mit beiden Händen ergreifen und festhalten zu wollen.

Außerdem waren andere Männer nicht im Entferntesten solche ausgemachten Frauentypen wie Patrick. Das kam noch erschwerend hinzu. Und natürlich wusste er um diese Tatsache nicht nur, sondern verstand es auch noch zu genießen.

Aus beidem konnte man ihm nicht wirklich einen Vorwurf machen. Es gab solche Menschen bei beiden Geschlechtern. Sie konnten nichts dafür, sie waren so geboren worden. Die Natur war eben verspielt und schien Experimente zu lieben. Dem einen gab sie ein hässliches Gesicht mit auf den Lebensweg, dem anderen das Aussehen eines Engels.

Patrick war immer schon ein Sunnyboy gewesen, auch als Junge in der Schule, wo sogar die Lehrer ihn so genannt hatten; und die Wenigsten konnten ihm böse sein. Bei seinem Aussehen, seinem Charme und gutem Benehmen flogen ihm die Sympathien nur so zu.

Eine Partnerin an seiner Seite hatte es da naturgemäß schwer, obwohl andererseits der Spaßfaktor mit einem solchen Mann ebenfalls hoch war.

Nur eben die blöde Eifersucht, die sich nicht wegreden oder gar wegstreiten ließ. Letzteres schon gar nicht. Patrick hatte Noella ausdrücklich davor gewarnt, ihm und ihnen beiden das Leben dadurch zu vermiesen. Er war selbst nicht völlig gefeit dagegen, wie das Beispiel Vincent gezeigt hatte, aber immerhin kämpfte Patrick — meist — erfolgreich dagegen an.

Im Prinzip hatte er Recht, tief im Innern wusste Noella das auch. Und dennoch — letztlich pfiff sie darauf, seine Herzensprinzessin zu sein und zu bleiben, der Preis dafür war ihr einfach zu hoch.

Außerdem schien er sich tatsächlich einzubilden, seine Herzensprinzessin würde für den Rest ihres gemeinsamen Lebens eine Art Heilige Jungfrau abgeben. Nur für ihn da sein, ansonsten in Wartestellung leben, bis der Jäger und Fallensteller von seinen Beutezügen müde und ausgehungert nach Hause zurückzukehren beliebte. Das alte Prinzip eben, nach dem schon die Urgroßeltern und Großeltern und meist auch noch die Elterngeneration gelebt und geliebt hatten.

Pustekuchen!

»Oje«, sagte in diesem Moment Claire, erhob sich von der Couch und tappte auf bloßen Füßen — damit die Nägel ungefährdet trocknen konnten — hinüber in die angrenzende Küche. Sie öffnete die Kühlschranktür, holte eine Flasche Prosecco heraus, zwei Sektgläser aus dem Küchenschrank und kam damit zurück zu Noella.

»Ich hatte dich von Anfang an davor gewarnt, ausgerechnet was mit einem Barkeeper anzufangen. Als du dann von deinem Trip zurückkamst, so strahlend und wunderhübsch, da dachte ich noch, du hättest tatsächlich die berühmte Stecknadel im Heuhaufen gefunden. Wenn ich mir allerdings jetzt deinen Gesichtsausdruck so ansehe ... Oje!«

Resolut entkorkte Claire dann die Flasche. Sie schenkte die beiden Gläser voll und reichte eines davon an die immer noch finster schweigende Noella weiter. »Hier, trink! Prickelt ebenfalls, auch wenn es kein Champagner ist. Und die Stimmung hebt das Zeug auch, was zumindest du dringend nötig zu haben scheinst, Mäuschen. Prosit!«

Noella nahm wortlos einen tiefen Schluck. Dann platzte es doch aus ihr heraus: »Er hätte nicht wieder nach San Francisco ins RED zurückkehren sollen. Er muss doch wissen, dass mir das nicht passen würde. Gabrielle kann mich nicht ausstehen und ist außerdem nach wie vor scharf auf ihn. Er ist so naiv! Erst sorgt sie dafür, dass ihr Adoptivvater ihn aus dem Job in der Crocodile-Bar rauswirft. Dabei hat es uns beiden in Key West ausgesprochen gut gefallen. Dann lädt sie ihn nach San Francisco ein und lockt ihn ins RED. Meine Güte, wie durchsichtig ist das denn?«

»Du lieber Himmel, Mäuschen, so eifersüchtig habe ich dich ja noch nie erlebt!«

Claire hatte ihr Glas abgesetzt und kam näher. Mit beiden Händen umspannte sie Noellas Gesicht und drückte ihr dann rasch einen weichen Kuss auf die Lippen. »Lass dir eines gesagt sein: Du musst cool bleiben in dieser Situation. Patrick darf auf keinen Fall merken, wie es um dich steht, hörst du? Zeig einem Mann niemals, wie sehr du ihn liebst und wie sehr du ihn nur für dich haben willst! Verstanden? Das treibt ihn nämlich so sicher in die Flucht wie sonst nichts!«

»Er wird keine Gelegenheit mehr haben, irgendetwas zu bemerken. Ich werde ihn ganz einfach zu den Akten legen. Das Kapitel schließen, Schluss, fertig, aus. Ein kleines Ferienabenteuer mehr oder weniger, was soll’s? Du selbst hattest mir vor dem Abflug nach Miami doch zu so etwas geraten, weißt du noch?«

Claire warf den Kopf in den Nacken und lachte aus voller Kehle. Es klang etwas rau und tief, aber auch unvergleichlich sexy. Ihr Bademantel klaffte dabei vorne endgültig auseinander und gab den Blick frei auf den üppigen nackten Frauenkörper darunter.

»Mäuschen, du hast dich aber entgegen meinem Ratschlag verknallt! Und das ist leider bitterer Ernst, wie man an deinem Gesicht ablesen kann. Ein Abenteuer ist heiter, frech, erotisch, anregend und inspirierend. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und jetzt sieh dich an — das reinste Häufchen Elend! Ich möchte wetten, deine schwarze Erzrivalin namens Gabrielle geht die Sache Patrick völlig anders an. Souverän, überlegen, gelassen, frech und damit automatisch höchst verführerisch. Die erlaubt sich garantiert nicht den kleinsten Ausrutscher. Falls sie wirklich so sehr auf deinen Herzensmann steht, wie du befürchtest, Noella, dann geht dieses Weibsbild es wesentlich raffinierter an.«

»So, so, die Aussicht tröstet mich nun wirklich sehr!«

»Willst du meinen freundschaftlichen Rat hören?«

»Egal, was ich jetzt antworte, du wirst ihn mir ja doch zukommen lassen! Wie immer.« Noella leerte ihr Glas in einem Zug und hielt es Claire unter die Nase, damit sie es erneut füllen konnte.

»Antworte ihm endlich auf seine letzte E-Mail. Den Champagner-Artikel hast du auch bekommen und verwendest ihn tatsächlich für deine Abschlussarbeit. Guter Aufhänger und gleichzeitig Entschuldigung dafür, dass du nicht gleich antworten konntest, du ertrinkst in Arbeit, du Ärmste. Anschließend machst du ihn mit Worten so richtig schön heiß! Geil ihn auf, lass ihn Dinge lesen, die ihm brennende Wangen und einen brettharten Schwanz während der Lektüre bescheren. Kein eifersüchtiges Wörtchen, kein sehnsüchtiges Geschwafel, dafür pure Erotik in schriftlicher Form.«

»Damit er dann sein Mütchen an oder besser in der schwarzen Hexe kühlt, oder was? Na, ich danke ...« Noella nahm den nächsten Schluck.

»Wenn er das tut, kannst du es sowieso nicht ändern und auch nicht verhindern. Ich wage es allerdings zu bezweifeln. Jedenfalls wenn er wirklich so ist, wie du ihn mir nach deiner Rückkehr aus den Staaten so überschwänglich geschildert hast. Und wenn er nicht so ist und du ihn dir bloß aus schierer Verliebtheit schöngeredet hast, dann ist es auch und erst recht egal. Zu verlieren hast du also in keinem Fall was.«

Noella verdrehte die Augen und schüttelte stumm den Kopf. Am liebsten hätte sie ein paar Tränchen vergossen, allerdings wusste sie nur zu genau, dass die wehleidige Tour bei Claire schlimmstenfalls Ärger auslöste. Was dazu führen konnte, dass sie die Freundin tagelang nicht mehr zu Gesicht oder auch nur ans Telefon bekäme. Das aber wollte sie auf keinen Fall. Claires Lebensanschauung und ihre burschikosen Ratschläge waren immer herzerfrischend zielgerichtet und hilfreich obendrein. Und in punkto Männer und Sex fuhr sie ohnehin eine selbstbewusste Schiene, um die Noella sie insgeheim glühend beneidete.

Kerle, die Claire Kummer machten, gab es einfach nicht auf diesem Globus. Schlechten Sex auch nicht. Männer, die nicht wussten, wie man sich zu benehmen hatte, fanden sich schneller auf der Straße wieder, als sie sich die Hosen hochziehen konnten.

Allerdings verliebte Claire sich auch nie, jedenfalls nicht wirklich.

Als Noella vor einigen Wochen aus den Staaten zurückgekehrt war und tagelang von nichts anderem als Patrick reden und schwärmen konnte, hatte Claire ihr rundheraus erklärt, sie könne nicht nachvollziehen, was die Freundin tatsächlich empfinde.

Toller Sex, okay, verständlich, das war natürlich super und wirkte wie ein Klebstoff zwischen einem Pärchen. Jedenfalls solange die Lust lebendig blieb. Dafür konnte man bis zu einem gewissen Grad selbst einiges beitragen. Aber ansonsten spielte der Zeitfaktor eine tragende Rolle in dem Stück.

Nach einigen Monaten kühlte sich das erfahrungsgemäß ganz von selbst ab.

Und Noella hatte nun mal mit Patrick diese Zeitgrenze noch längst nicht erreicht oder gar überschritten. Wie also konnte sie wissen, wo die Lust aufeinander und die Spannung der ersten seligen Wochen aufhörte und die Liebe begann? Falls sie begann! Denn auch bloße Verliebtheit löste sich gelegentlich gerne einfach in einer rosaroten Wolke auf, sobald der Zenit der Hormonausschüttung überschritten war.

Fatal auch, dass man diese rosarote Verliebtheit in Verbindung mit heißem Sex nur zu gerne mit wahrer Liebe verwechselte.

Noella hatte sich alle diese Argumente von Claire in den letzten ansonsten arbeitsreichen Wochen durch den Kopf gehen lassen, immer und immer wieder. Vor allem in den Nächten, wenn sie aufgewacht war und ewig nicht hatte wieder einschlafen können.

Vielleicht öfter, als es gut gewesen war?

Jedenfalls war sie zu dem Schluss gekommen, dass Claire Recht hatte, wie immer eigentlich.

Und deshalb war es besser, mit Patrick jetzt Schluss zu machen! Um dem Schmerz zu entgehen, der sich unweigerlich einstellen würde, wenn sich herausstellte, dass die Verliebtheitsphase vorüber war — und es zu mehr nicht reichte.

Er war ein Nachtmensch, Noella hingegen strebte eine Karriere als Journalistin an. Schon der Unterschied in den Lebenszielen zeigte deutlich: Es würde nicht gehen, weil es nicht gehen konnte!

Sie würden einander kaum zu Gesicht bekommen: Wenn er ins Bett käme, müsste sie schon bald aufstehen.

Nein, es war unmöglich, schon das Timing passte nicht, da musste noch nicht einmal Eifersucht mit im Spiel sein.

Sie würde ihm eine E-Mail schreiben, wie von Claire vorgeschlagen, gleich heute Abend noch.

Einen Abschiedsbrief.

Sie hatten die Flasche Prosecco fast geleert, und Noella erhob sich, um zunächst Abschied von der Freundin zu nehmen. Sie musste zurück an die Arbeit, und Claire war mit ihrem Galan zu einem schönen Abendessen im Restaurant verabredet.

»Jetzt mach aber wirklich mal halblang, Mäuschen!« Claire verabschiedete sich wie immer mit einem weichen Kuss mitten auf die Lippen von ihr. »Du leidest so sichtlich unter der Trennung von deinem Herzensmann. Es tut mir in der Seele weh, das mit anzuschauen. Lass dir eines gesagt sein: Vergiss über der Geschichte das Leben nicht. Er lebt seines nämlich garantiert drüben in San Francisco auch recht fröhlich weiter.«

ABSCHIEDSBRIEF!

Gleich heute Nacht schreib ich ihn. Vorher noch ein bisschen arbeiten, am Schlusskapitel feilen. Aber dann!

Es muss sein, hinterher geht es mir garantiert besser. In ein paar Wochen oder Tagen ist das Schlimmste vorüber, dann mach ich es wie Claire und nehme mir auch einen Latin Lover Marke »Giulio« — bis mein Döschen brennt. Jawoll.

Perlende Lust

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