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LEBENSENDE MEINES VATERS

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Mein Vater, 3 Jahre älter als Bernd, hatte am 20.April 1998 den ersten und am 11.Oktober 1998 einen zweiten Schlaganfall bekommen. Außerdem stellte der Urologe später noch Prostata-Krebs fest. Anfangs verharmloste er das Leiden der Vorsteherdrüsenvergrößerung und ließ keine Operation zu. Ich hatte das nicht verstanden, weshalb er sich gegen den operativen Eingriff zur Entfernung des Tumorgewebes wehrte. Mein Bruder Manuel hielt sich da mit seiner Meinung zurück, unterstützte aber meine Eltern, wenn etwas zu erledigen war.

Später musste die akute Harnsperre durch das Einlegen eines Harnblasenkatheters beseitigt werden.

Als ich im Mai 2001 bei einem Besuch einmal mit meinem Vater allein im Zimmer war, sagte er zu mir, ich sollte doch einmal die Kontoauszüge von ihm kontrollieren. Daraufhin schaute ich sie mir an, aber ich wollte keine Auseinandersetzung mit meinem Bruder, der die Vollmacht über das Konto besaß. Auch meine Mutter beklagte sich bei mir, dass Manuel bei den Einkäufen für meine Eltern auch gleich einige Waren für sich besorgte und sie von meinen Eltern bezahlen ließ. Meine Mutter zeigte mir einen Stapel Kassenbelege. Offensichtlich lief da etwas aus dem Ruder, aber das sollten meine Eltern selbst klären.

Mir war es auch unbegreiflich, wieso meine Eltern und andere Mietbewohner ihre Nebenkostenrechnungen nicht voll bezahlten. Hauptsächlich ging es um Nachzahlungen des Wasser- und Heizungsverbrauchs. Die Bewohner, bis auf eine Ausnahme, beharrten auf ihren Mietvertrag. Es war abzusehen, dass es zu einem Rechtsstreit zwischen der GmbH Immobilienverwaltung und den Mietern kommen müsste. War das nun noch DDR- Mentalität, halsstarrig auf einen günstigen Vertrag zu bestehen und nicht einsichtig zu sein, dass die Energiekosten gestiegen sind.

Am Pfingstsonntag besuchten Bernd und ich wieder meine Eltern. Der Prostatakrebs meines Vaters war vorangeschritten und verursachte Schmerzen im Beckenbereich. Es war schlimm, meinen Vater so leiden zu sehen.

Im Juli wurde mein Vater in eine Spezialklinik eingewiesen. Der gesundheitliche Allgemeinzustand hatte sich sehr verschlechtert. Ein Klinikarzt klärte meinen Bruder und mich in einem Gespräch darüber auf, dass man bei unserem Vater damit rechnen müsse, dass sich der Krebs auf die Knochen des gesamten Körpers ausbreiten könnte. Ich beobachtete aber auch meine Mutter und stellte fest, dass ihr die Pflege meines Vaters sehr zusetzte, trotzdem unternahm mein Bruder alles, damit mein Vater aus der Klinik entlassen wurde. Ich konnte wenig helfen, denn mein Wohnort war mehr als 90 km entfernt von meinen Eltern.

Am 24.Juli 2001 rief mich mein Bruder gegen 22Uhr an und teilte mir mit, dass es unserem Vater sehr schlecht ginge und dass man ihn deshalb in eine Spezialklinik mit einer Fachabteilung Urologie nach Reifenstein einweisen würde. Man hatte es abgelehnt meinen Vater im Krankenhaus seines Heimatortes aufzunehmen. Bei dem Gespräch begriff ich nicht, dass der Gesundheitszustand meines Vaters so akut war und dass er in der Nacht sterben könnte. Ich musste mich erst einmal informieren, wo dieses Eichsfeld Klinikum Reifenstein eigentlich lag.

Mein Bruder teilte mir dann am Morgen des 25.7.2001 von seinem Heimatort mit, dass mein Vater in der Nacht verstorben ist. Er hatte sehr starke Schmerzen und man spritzte ihm ein Medikament. Beim Sterben war mein Bruder anwesend. Sofort fuhr ich dann zu meiner Mutter und gemeinsam mit meinem Bruder nach Reifenstein, um meinen aufgebahrten Vater noch einmal zu sehen. Natürlich stellte ich mir selbst ein paar Fragen: Musste man einen todkranken Menschen etwa 40 km über holprige Straßen fahren, um karitative Hilfe in Anspruch zu nehmen?

Nun hieß es für uns, von meinem Vater Abschied zu nehmen. Der Verlust eines so nahe stehenden Menschen, musste erst einmal verkraftet werden. Besonders schlimm war es für meine Mutter, die ihren Partner verloren hatte, der früher für sie alles regelte. Für sie begann ein neuer Lebensabschnitt, der ihr neuen Lebensmut abverlangte.

Mein Bruder und ich suchten in dem kleinen Ort Reifenstein erst einmal in einem Nachbarort ein Gemeindeamt, um eine Sterbeurkunde zu erhalten.

Ich übernachtete bei meiner Mutter und suchte nach Unterlagen, um für den Redner der Beerdigung etwas zu notieren. Auch brauchte ich Belege, um meiner Mutter behilflich zu sein, ihre Witwenrente zu beantragen. Beim Suchen nach den Unterlagen fielen mir einige Unregelmäßigkeiten auf und ich war sehr sauer auf meinen Bruder. Man forderte von meinen Eltern eine Nachzahlung bei der Nebenkostenabrechnung für ihre Wohnung. Meine Eltern und die anderen Mitbewohner pochten auf ihren Mietvertrag und hatten einfach nicht die Erhöhung bezahlt. Die monatliche Belastung wäre machbar gewesen, schließlich waren ja überall die Heizkosten gestiegen. Stattdessen hatte mein Vater meinem Bruder eine Garage überschrieben. Das Auto meines Vaters war an den Sohn meines Bruders zu einem Spottpreis verkauft worden und die Raten waren nicht einmal regelmäßig erfolgt. Ich konnte es natürlich nicht lassen, nun meinen Bruder daraufhin anzusprechen, aber in einer Trauerzeit zu streiten, war es mir nicht wert, denn dann hätte meine Mutter wieder darunter gelitten. Das Verhältnis zu meinem Bruder war allerdings irgendwie beschädigt.

Am 30.Juli 2001 fand die Beerdigung meines Vaters statt. Die Trauerrede hielt ein weltlicher Redner. Er verwendete fast genau meine ihm zugearbeiteten Worte. An der Trauerfeier und am anschließenden Kaffeetrinken nahmen meine Mutter, mein Bruder mit Frau und Kindern, sowie Bernd und ich mit Kindern und Schwiegertochter teil. Es kamen auch mein Cousin mit Frau aus Jena, die wir lange nicht gesehen hatten und einige Bekannte meiner Eltern.

Die Urnenbeisetzung erfolgte in kleinen Kreis am 6.August 2001. Auch dort las noch einmal der Grabredner den Lebenslauf meines Vaters vor:

Mein Vater wurde als zweiter Sohn am 25.6.1918 in Plau /Mecklenburg der Eheleute Oliver und Marlies Handke geboren. Sein Vater, Oliver Handke, war von Beruf Pumpenwärter und qualifizierte sich später zum Fördermaschinisten in einem Kaliwerk. Die vierköpfige Familie zog nach Thüringen. Nachdem mein Vater mit gutem Erfolg 1937 das Abitur abgeschlossen hatte, leistete er ein halbes Jahr seinen Arbeitsdienst und 2 Jahre Wehrpflicht beim Flakregiment in Gotha. Während dieser Zeit bewarb er sich beim Oberfinanzpräsidium in Rudolstadt für eine gehobene Finanzlaufbahn und wurde angenommen. 1941 wurde er zum ap. Steuerinspektor ernannt, aber durch die Kriegsumstände konnte er nicht den Dienst antreten.

Er leistete seinen Kriegsdienst bei der Flakartillerie.

Da er vorwiegend in Hamburg eingesetzt war, lernte er während dieser Zeit meine Mutter kennen. Am 25. Juni 1943 heirateten meine Eltern.

4 Wochen später wurde mein Vater nach Italien versetzt. Dort kam er am Ende des Krieges in amerikanische Gefangenschaft nach München. Sein letzter Dienstgrad war Wachtmeister d. R.. Nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft ging er im März 1946 zunächst zu seiner Familie nach Hamburg. In seiner Abwesenheit war sein Sohn Manuel in Lübeck geboren. In Hamburg studierte mein Vater im Sommer 1946 ein Semester Finanzwesen an der dortigen Universität. Da die Versorgungslage in Hamburg katastrophal war, zogen meine Eltern nach Thüringen. Dort besaß mein Großvater Oliver etwas Ackerland und Vieh. Die anfangs in Aussicht gestellte Anstellung als Steuerinspektor klappte jedoch nicht, so dass mein Vater ein Pädagogikstudium an der Friedrich-Schiller- Universität in Jena aufnahm. Meine Eltern und ihr kleiner Sohn bewohnten beengt ein Zimmer bei meinen Großeltern im Haus. Im November 1948 kam ich nun auch noch hinzu. Nach dem Abschluss des Pädagogikstudiums begann mein Vater am 1. Septemer1949 seine Tätigkeit als Lehrer. Er unterrichtete hauptsächlich das Fach Deutsch. 1957 wurde er stellvertretender Schulleiter. 1965 wechselte er an eine Sonderschule für Lernbehinderte und wurde dort bald Direktor. 1983 wurde er pensioniert und selbst während des Rentnerdaseins half er öfters mit Vertretungsstunden aus.

Bei meinem Vater wurde neben den Schlaganfällen später auch Prostatakrebs festgestellt. Eine Operation zur Entfernung des Tumorgewebes konnte nicht mehr erfolgen. Nach schwerer Krankheit verstarb mein Vater am 24. 7.2001 im Krankenhaus Reifenstein.

Die letzten Wochen hatten meiner Mutter sehr zugesetzt. Deshalb war ich ganz froh darüber, dass meine Mutter ab 14. August ihre Schwester Bärbel besuchen wollte. Die andere Umgebung im Schwarzwald lenkte sie vom Tod meines Vaters ab.

Wende mit 60

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