Читать книгу Pflegende Angehörige stärken - Christa Büker - Страница 6
Оглавление
Einleitung
Tagtäglich kümmern sich Millionen Angehörige um hilfe- und pflegebedürftige Familienmitglieder. Dank ihrer Unterstützung können pflegebedürftige Menschen trotz ihres Hilfebedarfs ein weitgehend selbstständiges und selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden führen. Pflegende Angehörige erbringen damit eine Leistung, die von der Gesellschaft mehr oder weniger stillschweigend erwartet, in ihrer Bedeutung jedoch kaum angemessen gewürdigt wird. Nur selten finden sie für ihre Probleme und Sorgen ein offenes Ohr. Wen interessiert es schon, wenn der demenzkranke Vater sich nicht mehr zurechtfindet und keinen Moment aus den Augen gelassen werden kann? Wer möchte hören, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege kaum noch möglich ist? Mit wem kann man über den Schmerz und die Trauer reden, die durch das langsame Abschiednehmen von einem geliebten Menschen zu bewältigen sind?
Das ständige Gebundensein an eine pflegebedürftige Person führt oftmals dazu, dass eigene Bedürfnisse stark vernachlässigt werden. Ein Großteil der pflegenden Angehörigen ist ausgebrannt und erschöpft, ohne dass dies von ihrer Umgebung wahrgenommen wird. Dabei benötigen Angehörige selbst Unterstützung, um auf Dauer den Belastungen des Pflegealltags standhalten zu können. Der pflegebedürftigen Person kann es nur gut gehen, wenn es auch den sie versorgenden Angehörigen gut geht.
Um die Gesundheit und Ressourcen von Angehörigen zu erhalten und zu fördern, bedarf es einer stärkeren Beachtung ihrer Bedürfnisse sowie wirkungsvoller Unterstützungsmaßnahmen. Dazu gehören Information und Schulung zur Förderung der Pflegekompetenz. Auf diese Weise wird den Familien der eigenverantwortliche und selbstbestimmte Umgang mit Krankheit und Pflegebedürftigkeit im Alltag erleichtert. Ein weiterer Bereich ist die Beratung, z. B. zum Umgang mit problematischen Verhaltensweisen einer pflegebedürftigen Person oder über Möglichkeiten der Selbstpflege und Entlastung. Letzteres ist besonders wichtig, da pflegende Angehörige oftmals regelrecht ermutigt werden müssen, eigene Bedürfnisse wahrzunehmen und zuzulassen.
Eine zentrale Rolle in der Förderung der Kompetenzen von Angehörigen kommt der professionellen Pflege zu. Als größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen hat sie häufig den intensivsten Kontakt zu pflegebedürftigen Menschen und ihren Familien. Anliegen des Buchs ist es daher, professionell Pflegende stärker für die Situation betroffener Familien sowie für die Bedeutung der Kompetenzförderung pflegender Angehöriger durch edukative Aktivitäten zu sensibilisieren. Außerdem soll Pflegefachpersonen praxisorientiertes Wissen für die konkrete Ausgestaltung von Information, Schulung und Beratung an die Hand gegeben werden.
Nach einer kurzen Einführung in die Situation pflegender Familien werden zunächst die rechtlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen der Angehörigenunterstützung vorgestellt. Der Hauptteil des Buchs ist den verschiedenen Bausteinen der Kompetenzförderung gewidmet: In vier Kapiteln werden die Grundlagen der Information, Einzelschulung, Gruppenschulung sowie Beratung pflegender Angehöriger behandelt. Dabei werden auch neuere Interventionsformen wie Online-Schulungen, Online-Beratung oder die pflegegeleitete Entscheidungsberatung vorgestellt. Weitere Kapitel widmen sich der Gestaltung des Lernklimas, der Qualitätssicherung, den verschiedenen Arbeitsfeldern der Angehörigenunterstützung sowie den dafür erforderlichen Schlüsselqualifikationen. Abschließend soll die Bedeutung edukativer Aktivitäten für die Professionalisierung der Pflege thematisiert werden.
Das Buch richtet sich in erster Linie an Praktizierende in der Pflege. Zielgruppe sind Pflegefachpersonen, die in Bereichen mit häufigen Angehörigenkontakten tätig sind: in der ambulanten Pflege, im Krankenhaus- und Rehabilitationsbereich und in der stationären Langzeitversorgung. Ebenso zur Zielgruppe gehören Mentor*innen1 und Praxisanleiter*innen in der Pflegeausbildung sowie Pflegende, die bereits im Beratungsbereich tätig sind (Beratungsstellen, Pflegestützpunkte, Case Management etc.).
1 In diesem Werk wird überwiegend der »Gender-Stern« genutzt, um alle Geschlechter anzusprechen. Wenn bei bestimmten Begriffen, die sich auf Personengruppen beziehen, nur die männliche Form gewählt wurde, so ist dies nicht geschlechtsspezifisch gemeint, sondern geschah ausschließlich aus Gründen der besseren Lesbarkeit.