Читать книгу Ein unerwartetes Geständnis - Christa Wagner - Страница 10

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Am Sonntag wanderten Tante Alice und ich nach einem ausgiebigen Frühstück hinauf zur Festung Marienberg, die mächtig über der Stadt thronte. Wir erzählten uns gegenseitig von den Erlebnissen der Woche. Von Fritz sagte ich wieder nichts. Alice musste es aufgefallen sein, denn sie fragte diesmal nach: »Und, ist mit Fritz alles klar?«

»Sicher, es hat ja jeder seine abgegrenzten Aufgaben, und wir kommen uns nicht in die Quere.« Ich lachte zur Auflockerung.

Bestimmt hatten Fritz und sie gestern über mich gesprochen. Meine Tante war neugierig, und ihr Freund redselig. Ich hätte Mäuschen sein mögen.

Auf den steilen Stufen hinauf zur Festung kamen wir ins Schnaufen. Alice blieb stehen, zündete sich eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. »Fritz ist dir nicht sympathisch, das spüre ich. Immer, wenn er neuen Leuten begegnet, will er Eindruck machen und redet zu viel. Du darfst ihm das nicht übelnehmen, Bärbel, denn im Grunde ist er ein feiner Kerl.« Sie lächelte etwas unsicher zu mir herüber.

Ich nickte und versicherte ihr, dass es zwischen Fritz und mir keine Probleme gebe.

Damit war das Thema erledigt, und sie erzählte befreit vom gestrigen Abend mit Fritz im Kino und anschließend bei ihr zu Hause. War Fritz noch da gewesen, als ich von der Arbeit nach Hause kam? Ich hatte ihn weder gehört noch gesehen, aber ich war ja müde gewesen und sofort eingeschlafen. Der Gedanke jedoch, ihm vielleicht einmal in Zukunft beim Gang zur Toilette im dunklen Flur begegnen zu können, beunruhigte mich.

Von der Festung bot sich ein herrlicher Blick auf die Stadt, die Umgebung und den Main direkt unter uns. Ich konnte mich kaum sattsehen, und meine Tante erklärte mir, wo was lag und wohin wir an unseren gemeinsamen freien Tagen noch hinwandern könnten.

Alice hatte keine Lust, das Mainfränkische Museum in der Burg zu besuchen, auf das ich mich eigentlich gefreut hatte. Sie wollte lieber an der Alten Mainbrücke einen Schoppen auf einer Terrasse in der Sonne trinken, einen Erholungsschlaf halten und den restlichen Tag zu Hause vergammeln.

Ich bekundete Zustimmung, nahm mir jedoch vor, später einmal allein in dieses Museum zu gehen. Im Stadtführer war von herausragenden Kunstwerken die Rede, die ich mir auf keinen Fall entgehen lassen wollte.

Mit meinen Eltern hatten wir vereinbart, dass sie mich an den Wochenenden, an denen ich nicht zu ihnen ins Dorf heimkam, zu einer bestimmten Zeit sonntags anrufen konnten. Meine Tante hatte bereits Telefon, die Eltern jedoch noch nicht, und so musste Mutter, um mit mir reden zu können, zum öffentlichen Fernsprechhäuschen gehen.

Mutter war pünktlich. Als das Telefon läutete, nahm Alice ab und reichte mir nach ein paar Höflichkeitsfloskeln den Hörer. Mutters Stimme klang ungewohnt, ich hatte sie noch nie am Telefon sprechen hören. Sie redete lauter als sonst, hatte wohl Angst, von mir auf diese große Entfernung nicht verstanden zu werden. Wir versicherten einander in wenigen Sätzen, dass es uns gutginge. Von der Arbeit schwärmte ich ihr regelrecht vor. Mit dem Versprechen, nächstes Wochenende zu Hause ausführlich zu erzählen, beendeten wir das knappe Gespräch. Telefonieren war schließlich teuer. Und meine Mutter war es gewohnt, jeden Pfennig umzudrehen.

Die nächsten Wochen in Würzburg waren unbeschwert, auch der Besuch zu Hause gestaltete sich harmonisch.

Ich hatte das Gefühl, jetzt im Spätherbst kamen die Eltern ganz gut ohne mich klar. Jedenfalls schmierten sie mir nicht aufs Butterbrot, was für ein Opfer es sei, auf meine Arbeitskraft einige Monate verzichten zu müssen.

Erwartungsfroh fuhr ich wieder nach Würzburg zurück.

Aber in der darauffolgenden Woche geschah etwas, meine liebe Simone, das mich völlig aus dem Gleichgewicht brachte.


Das Gesicht von Mutter Bärbel umspielte ein geheimnisvolles Lächeln.

Ein unerwartetes Geständnis

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