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3. Kapitel

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Es war die Köchin. Sie betrat das Frühstückszimmer. Die Comtesse schaute auf. „Ja, Antoinette, was gibt es?“ „Entschuldigen Sie, Madame, wenn ich störe. Aber Sie sollten sich die Nachrichten ansehen. Es gibt wichtige Neuigkeiten.“ „Neuigkeiten? Was ist denn passiert?“ Die Gräfin legte ihre Serviette auf ihren leeren Frühstücksteller und setzte ihren Rollstuhl zurück. „Lassen Sie uns unser Gespräch nachher fortsetzen“, sprach sie zu ihrem Gast. „Wenn es etwas Wichtiges im Fernsehen gibt, so sollten wir einmal nachschauen. Unser Fernseher steht drüben im Salon.“ Gemeinsam begaben sich die Damen zu einem im Rokokostil eingerichteten Zimmer. Die Köchin hatte bereits den aktuellen Nachrichtensender eingeschaltet. In großen Lettern stand über dem Nachrichtensprecher „Covid-19“ eingeblendet, während folgende Meldung verkündete wurde: „Wie aus dem Élysée-Palast vom Staatspräsidenten zu vernehmen ist, werden alle Franzosen ab sofort gebeten, ihre Wohnungen nicht mehr zu verlassen. Die aktuellen Fallzahlen sind über Nacht erneut gestiegen. Bereits jetzt klagen die Ärzte aus den Krankenhäusern über nicht genug Intensivbetten mit geeigneten Beatmungsgeräten zu verfügen. Im ganzen Land wurde die Infektion mit dem aus China stammenden Corona-Virus zu einer Pandemie erklärt.“ Dann wurde eine öffentliche Erklärung vom Staatspräsidenten eingeblendet: „Meine lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger, ich wende mich aus gegebenem Anlass heute direkt an Sie. Nach Rücksprache mit führenden Virologen hat das Kabinett beschlossen, dass wir zum Schutz aller einen sogenannten „Lockdown“ verkünden müssen. Das bedeutet für Sie, dass Sie ab Mitternacht ihr Haus oder ihre Wohnung nur noch in dringenden Fällen, wie z. B. Arztbesuche und notwendige Einkäufe verlassen dürfen. Solange, wie das neue Corona-Virus nicht medikamentös oder mit einer Impfung beherrschbar ist, sind wir leider gezwungen diese Maßnahmen einzuleiten. In den letzten vierundzwanzig Stunden wurden erneut 8.426 neue Infektionen nachgewiesen. In diesem Zeitraum sind auch wieder 249 Menschen an dem Virus verstorben.“

Die beiden Frauen lauschten noch eine Weile den Nachrichten. Besonders Eve brachte sich auf Stand der aktuellen Gesundheitslage im Land. Dadurch, dass sie bereits einige Tage mit ihrem Rad unterwegs war, hatte sie die Nachrichten über die Verbreitung des Corona-Virus in Frankreich nicht verfolgt. Ihre letzten Informationen waren, dass diese Pandemie in China verheerende Ausmaße angenommen hatte. Das war weit weg gewesen. Dass die Pandemie nun Europa erreicht hatte, bedeutete nichts Gutes. Auf dem Bildschirm erschien zum Abschluss der Nachrichten der Wetterbericht, indem verkündet wurde, dass ab dem Abend mit starken Niederschlägen gerechnet werden musste. „Auch das noch!“, sagte Eve. „Ich werde bestimmt kein Hotel buchen oder einen Zug nehmen können und bei dem Wetter zu zelten, ist unvernünftig. Was mache ich denn jetzt?“

Während die beiden Frauen noch über die neue Situation diskutierten, betrat der Sohn des Hauses wieder das Zimmer. „Entschuldige Maman, wenn ich störe, doch wir haben ein neues Problem.“ „Hast du auch die Nachrichten gehört?“, fragte ihn die Mutter. „Ja, dieses Corona verbreitet sich. Wir haben Kontaktsperre nach außen hin. Wir müssen so einiges überdenken. Aber was anderes, deine Pflegerin Olga hat mich angerufen. Sie ist auf dem Weg in den Süden, um zu ihren Eltern zu fahren. Ihre Eltern sind alt. Sie möchte sie in Zeiten von Corona nicht alleine lassen“ berichtete er. „Wir werden ohne Pflegehilfe auskommen müssen.“ „Mhm.“ Die Comtesse dachte nach und blickte dann Eve an. „Ich hätte da eine Idee, womit uns allen geholfen wäre. Können Sie sich vorstellen, Ihren Fahrradurlaub für einige Tage zu unterbrechen, um mir ein wenig zur Seite zu stehen? Natürlich nur so lange, wie es Ihre Zeit erlaubt.“ Eve überlegte. Die Idee war nicht so schlecht. Sie benötigte wegen des Regens ein Dach über dem Kopf. Nach Hause konnte sie derzeit noch nicht. Paris, da wo sie wohnte, war weit weg. Und selbst, wenn das ginge, verspürte sie keine Lust, dort auf ihren Ex zu treffen. Der sollte sich erst eine neue Bleibe suchen. Auf keinen Fall würde sie zurück in ihr Haus ziehen, in der auch ihre gemeinsame Wohnung und das Büro untergebracht waren, bevor die räumliche Trennung geregelt war. Nach all dem, was er ihr angetan hatte, wollte sie ihn nicht wiedersehen. Das Leben, das sie sich über die Jahre aufgebaut hatte, darin sah sie sich nicht mehr. Erst wollte sie ihr Gedanken neu ordnen. Wenn sie hierbliebe, hatte sie genug Zeit, über alles nachzudenken und nach Perspektiven Ausschau zu halten. „Ginge das denn?“, dabei schaute sie den Hausherren skeptisch an. „Nun, ja. Wenn sie sich mit meiner Mutter einig werden. Von mir aus gerne.“

Während sie sprachen, gingen sie gemeinsam durch die große Halle. In einem Moment der Unachtsamkeit stolperte Eve plötzlich über eine Teppichkante. Sie wäre unweigerlich gefallen, hätte Philippe sie nicht in letzter Sekunde aufgefangen. „Hoppla! Nicht so eilig, mit den jungen Pferden“ scherzte er und hielt sie an beiden Händen fest. Verlegen blickte Eve auf. Ihre Blicke begegneten sich. Sie meinte, in einen funkelnden Bergsee einzutauchen, so blau-grün schimmerten seine Augen. Es entstand ein Moment des verlegenen Schweigens, ehe Eve sich wieder von ihm löste. Nervös zupfte sie an ihrem Shirt herum. Ihr war ganz eigenartig zumute. Ein feines Vibrieren durchlief ihren Körper. Auch Philippe trat einen Schritt zurück. Das erste Mal, seitdem sie ihm begegnet war, lächelte er sie an. „Ja, dann … Ich freue mich. Wir sehen uns.“ „Ja, bis bald.“ Eve blickte ihm lächelnd hinterher. Sie verharrte noch eine Weile in der Diele, ganz in ihren Gedanken versunken. Auch, nachdem Philippe längst das Schloss verlassen hatte.

So kam es, dass Eve im Schloss einquartiert wurde. Sie würde die Gräfin einige Tage betreuen. Dafür konnte sie hier wohnen.


Clé de l'amour

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