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Siebenjährig
ОглавлениеNun bin auch ich in der Schule angelangt und darf endlich rechnen und schreiben lernen. So klug wie meine Schwester bin ich nicht, aber ich komme auch ganz gut und ohne große Mühen durch alle Fächer durch.
Zu diesem Zeitpunkt merkt man bereits, dass ich in der körperlichen Entwicklung leicht zurückbleibe. Mein Alltag wird von vereinzelten Kontrollterminen beim Hausarzt, ein Minimum an Therapiestunden und durch Einnahme von Medikamenten begleitet. Ansonsten merke ich selbst nicht viel von meiner Krankheit.
Meiner Schwester aber geht es immer schlechter. Irgendwann kann sie nicht mehr zur Schule. Nach mehreren Krankenhausaufenthalten darf auch sie ihren Leidensweg auf dieser Erde mit neun Jahren verlassen und Zuhause in den Armen meiner Mutter einschlafen. Ich bin zu diesem Zeitpunkt draußen am Spielen und bekomme erstmal nichts mit.
An den Tod meines Bruders kann ich mich kaum erinnern, da ich zu dem Zeitpunkt selbst erst knapp zwei Jahre alt war.
Hier, als Monika stirbt, bin ich sieben und erinnere mich. Jedoch verdränge ich die damit verbundenen Gefühle meisterhaft. Dies ist für Kinder in diesem Alter vermutlich eine ganz normale Reaktion, die dem Eigenschutz dient. So kommt es, dass ich das ganze überspiele und bei meinen Schulkameraden wie auch im übrigen Umfeld sogar ins lächerliche ziehe, indem ich Witze darüber mache wie z.B., dass ich jetzt endlich nicht mehr teilen oder streiten müsse.
Von nun an bin ich also ein Einzelkind. Dies werde ich in Zukunft noch vermehrt (teils berechtigt - teils nicht) zu hören bekommen.
Meine Angehörigen tun mir in diesem Zeitraum kaum einen Gefallen, indem sie mich vor allem Mitleid spüren lassen und das Gefühl, ich sei etwas Besonderes. Natürlich nehme ich das niemandem übel und weiß, dass solche Dynamiken immer unbewusst und ohne bösen Willen entstehen. Meine Eltern, die in mir jetzt das letzte Kind haben, klammern sich natürlich umso mehr an mich. Hinzu kommt, dass sie zu diesem Zeitpunkt davon ausgehen, dass auch ich vor ihnen sterbe und wohl kaum das Erwachsenenalter erreiche.
Zusammengefasst, es ist wahrscheinlich der reinste Horror für sie.
In den nächsten Jahren folgen weitere Todesfälle in der Verwandtschaft und ein schwerer Autounfall meiner Mutter. Es scheint fast, als wäre unsere Familie von dieser Thematik verfolgt.
Weitere Schicksalsschläge und Todesfälle in der Familie respektive Verwandtschaft folgen in den nächsten Jahren, so dass das „Elend“ kein Ende zu nehmen vermag.
Immerhin können es sich meine Eltern ein Jahr nach dem Tod meiner Schwester leisten, mit mir nach Gran Canaria in die Ferien und somit das erste Mal ans Meer zu fliegen. Endlich können wir alle einmal etwas abschalten und die schönen Seiten des Lebens genießen. Meine Eltern lassen es sich in der Folge nicht nehmen, fast jährlich wieder mit mir ans Meer zu fahren. Dabei stehen Destinationen wie Mallorca und Süditalien auf dem Programm.