Читать книгу Glossen 2003 - Christian Friedrich Schultze - Страница 6
Mittwoch, 9. April 2003
ОглавлениеDas muss man den US-Kriegern lassen, „shock and awe“ haben sie: Andauernder Bombenterror gepaart mit wahnsinnig gesteigerter Feuerkraft der Landfeuerwaffen hauen im Irak alles kurz und klein, von Bunkern, Palästen, Panzern und Artillerie Saddams bis zu Wohnhäusern, Brücken, Bussen und PKW. „Kollateralschäden“ werden uns nur von einer Handvoll unabhängiger Journalisten gemeldet. Ansonsten ist es angeblich ein sauberer Blitzkrieg. Er wird uns von embadded press in den Medien zum Frühstück serviert!
Am 20. Tag des Krieges kann man wohl nun schon sein Ende absehen, nachdem Basra in der Hand der Briten und Bagdad zur Hälfte von den Amerikanern erobert ist. Mussul und Kirkuk im Norden sind noch nicht eingenommen, dafür aber Kerbela und Nashiryah. Der militärische Widerstand Saddams in Bagdad ist zusammengebrochen. Der gestrige „Enthauptungsschlag“ mit zwei 900-kg-Bomben auf ein Wohnhaus, mit denen Saddam Hussein samt seinen Söhnen getötet werden sollte, hat ihn allerdings nicht erwischt. Dafür hunderte unschuldige Iraker.
Saddam ist im Irak ebenso verschwunden wie Bin Laden und Mullah Omar in Afghanistan. Der Beschuss des Palestine-Hotels, in welchem bekanntermaßen alle hochkarätigen Berichterstatter der Weltmedien untergebracht waren, hat dagegen geklappt: Zwei tote Kameramänner und einige verletzte Korrespondenten. Bei der Al Jasira-Niederlassung hat es auch eingeschlagen: Ein toter Berichterstatter, einige Verletzte, eine demolierte Einrichtung.
Inzwischen haben Blair und Bush anlässlich ihres Kriegsrates in Belfast der Welt mitgeteilt, dass bei dem Aufbau einer Nachkriegsordnung im Irak die UNO eine entscheidende Rolle spielen solle. Khofi Annan wusste freilich nichts davon. Bei den geschätzten 130 Milliarden Dollar Verwüstungen, die die Amerikaner den Irakern zugefügt haben, braucht man für den Wiederaufbau jedoch auch den europäischen Steuerzahler. Außerdem sieht es gut aus, wenn die UNO den Plänen von US-Verteidigungsminister Rumsfeld für eine Nachkriegsregierung des Irak zustimmt. Es wäre zu wünschen, dass Blair und Bush – oder vielleicht auch Rumsfeld – Demokratie ebenfalls in die Arabischen Emirate, nach Saudi-Arabien, nach Katar usw. bringen.
UNSERE LIEBE DEUTSCHE FRAU fordert weiterhin die uneingeschränkte Unterstützung des anglo-amerikanischen Krieges gegen den Irak mit allen Konsequenzen. Schließlich hat sie als ehemalige ostdeutsche FDJ-Sekretärin von Wladimir Iljitsch Lenin gelernt, dass alle Macht aus den Gewehrläufen kommt, besonders wenn diese wie Atomflugzeugträger aussehen. Was sollen der CDU die Regeln der Bergpredigt noch nützen? Wenn Angela Merkel erst einmal deutsche Kanzlerin ist, wird es in Deutschland schon deshalb wieder „aufwärts“ gehen, weil die Großunternehmen ihre besseren Verwertungsbedingungen garantiert bekommen und die Amerikaner uns wieder lieb und gut finden.
Die arbeitenden Massen allerdings dürfen sich schon heute warm anziehen: Es werden in den nächsten Jahrzehnten zunehmend amerikanische Verhältnisse über uns hereinbrechen. Wir werden noch froh sein, wenn dann jeder kleine Arbeitnehmer von Arbeitsort zu Arbeitsort hetzend jeweils zwei bis drei Miniteilzeitjobs durchziehen darf.