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Sonntag, 1. Juni 2003

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Von den Massenmedien wurde der Kindertag aufgrund der Fülle und Bedeutung der internationalen Ereignisse beinahe vergessen. Und das ist nicht gut so! Denn überhaupt scheint es, dass die überwiegende Menschheit vergessen hat, dass es in erster Linie um die Erhaltung unserer Art und ihrer humanistischen Weiterentwicklung geht. Zur Zeit ist uns hier unten keine Realpolitik bekannt, die diese fundamentale Wahrheit wirklich berücksichtigt, oder kann da einer helfen?

Nun ja, es fand an diesem 1. Juni des Jahres 2003 vor allem der Gipfel der sogenannten G8-Staaten, also der acht stärksten Wirtschaftsmächte der Welt statt. Gastgeber war der französische Präsident Girac im schönen Evian am Genfer See - bei auch noch wunderschönem Wetter. Das ganze Treffen war für die Teilnehmer herrlich arrangiert und soll einige zehn Millionen Dollar gekostet haben. Begleitet war es wie immer von Massenprotesten der „Globalisierungsgegner“.

Immerhin sprach man auf diesem Gipfel zum ersten Mal von einer Weltwirtschaftskrise. Leider war der amerikanische Präsident G. W. Bush nur mal kurz auf Stippvisite da, um seine Huld zu verteilen, denn er musste dringend in den Nahen Osten reisen, um dort die Neuordnung der politischen Verhältnisse voran zu bringen. Einfliegend von der 300-Jahrfeier der Stadt St. Petersburg, wo er shakehand mit dem anderen mächtigen, und vor allem Atomraketen besitzenden, Präsidenten machte, sagte er zum Abbau der Dollarschwäche und des Leistungsbilanzdefizits gegenüber seinen Bruderländern: nichts.

Irgendwie kann man das als Chronist selbst mit Sicht von ganz unten verstehen, denn die Sorgen, die G.W.B. im Nahen und Mittleren Osten hat, nehmen zu, statt ab. Das erfährt man natürlich nicht aus den gleichgeschalteten Medien hierzulande, da muss man schon tiefer graben. Zum Beispiel bei dem offensichtlich noch einigermaßen unabhängigen Fernsehkanal ARTE, der uns hin und wieder einen Blick in das Chaos in Palästina oder im Irak gewährt.

In Palästina machen die Israelis seit Jahrzehnten sowieso, was sie wollen. Der bekannt leistungsfähige Israelische Geheimdienst hat Todeslisten erarbeitet, nach denen arabische Terroristen planmäßig unter Verwendung schwerer Waffen liquidiert werden. Da der Terror von unten ja wirklich schrecklich ist und ganz überwiegend Unschuldige trifft – im Gegensatz zum Terror von oben, der hauptsächlich aus Kampfjets, Bombern und Helikoptern heraus ganz überwiegend Unschuldige trifft - wagt sich niemand mehr die Frage zu stellen, ob es legal oder wenigstens legitim ist, wenn ein sogenannter demokratischer Staat in dieser Weise agiert.

Es fällt einfach angesichts der permanenten Verletzung von Menschenrechten auf allen Seiten niemanden mehr auf, welche Verbrechen davon im Namen der Demokratie verübt werden.

Im Irak können die Alliierten nach ihrem Sieg bereits nicht mehr machen, was sie gerne wollen. Es herrscht in dem offiziell beendeten Krieg nach der Liquidation des Saddamschen Unrechtsregimes ein solches Chaos, dass es nicht einmal gelingt, die Ölproduktion in den Griff zu bekommen. Natürlich redet niemand mehr darüber, dass die Legitimation für diesen Krieg immer noch nicht nachgeliefert wurde . Nun war selbst dem blauäugigen Chronisten klar, dass es den Amerikanern um mehr ging, als nur das Saddam-Regime im Irak zu beseitigen. Auch hierbei ging es in Wahrheit um Weltstrategie.

Man stelle sich einmal vor, Saddam hätte mit den Iranern und den Saudis eine Allianz geschmiedet, um gegen die USA einen Präventivkrieg mit dem Ziel zu führen, die texanischen Energiereserven zu „sichern“ und den dekadenten Amerikanern eine heilige Gottesordnung islamischer Prägung zu bringen - soweit ist es gottseidank noch nicht gekommen. Der westliche Fundamentalismus ist seit zweihundert Jahren erfolgreicher, als andere kulturelle Strömungen dieser Welt und das ist gut so und sollte auch so bleiben. Freilich wird es nun Zeit für die westliche demokratische Allianz, dass auch der Grund für diesen Krieg endlich gefunden wird.

Eine nachhaltige geistlich-ideologische Argumentation für den überlegenen Westen bot dem interessierten Beobachter der ebenfalls am Internationalen Tag des Kindes zu Ende gehende 1. Deutsche Ökumenische Kirchentag in Berlin. Allerdings wagten die Christen beider Konfessionen noch nicht, gegen die päpstliche Bulle gemeinsam das heilige Abendmahl zu feiern. Dafür haben sie aber klargestellt, dass wir den christlichen Glauben als die wirklich allein selig machende Religion ansehen müssen - obwohl man den Dalei Lama eingeladen hatte!

Glossen 2003

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