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20.05.2011


Der 20. Mai 2011 ist für die meisten Metaller ein ganz gewöhnlicher Freitag. In Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt, Stuttgart oder München geht man in die Kneipen oder auf Konzerte; im Ruhrgebiet fiebern nicht wenige dem Pokalfinal-Derby zwischen Schalke und Duisburg am folgenden Tag entgegen. Doch auch in das AJZ Bahndamm in Wermelskirchen zieht es einige. Dort spielt neben The Very End, Debt of Nature und Reckless Manslaughter eine Band, deren Gig für viele Besucher eine Reise in ihre eigene Jugend bedeutet.

Der Bahndamm ist seit über 20 Jahren ein Tempel der Punk- und Metal-Szene: klein, stickig, genau so, wie man sich einen zünftigen Klub vorstellt. Abseits des Konzertraums führt eine Treppe hinauf in eine Küche, wo die Bands das Essen mittels einer Durchreiche in den Cateringraum gestellt bekommen. Diverse langhaarige Gestalten haben es sich hier zwischen zweistöckigen Hochbetten, Sesseln, Sofas, Gitarrentaschen, Snare-Drums, Bass-Verstärkern und Kabelkoffern bequem gemacht.

Auf den Sesseln sitzen drei Gestalten beieinander, deren Namen Marc, Harry und Sebi sind. Keiner von ihnen hätte gedacht, dass sie je wieder an so einem Ort und in genau solch einer Situation zusammen sitzen würden. Über Jahre hinweg haben sie ein mehr oder weniger normales Leben geführt. Marc ist als Erzieher berufstätig, hat aber auch als Promoter und Aufnahmeleiter für das Fernsehen gearbeitet, Sebi kümmert sich um das Marketing für eine Online-Poker-Firma und hat eine Tochter, die in Köln als Krankenschwester arbeitet. Harry hat zwei kleine Kinder und arbeitet als Bodenleger. Was machen sie also hier in diesem kleinen Ort irgendwo zwischen Leverkusen und Wuppertal? Als Teenager haben sie zusammen Musik gemacht und hatten große Pläne wie die meisten Jugendlichen. Doch einen Unterschied gab es: Sie haben sie durchgezogen bis zum bitteren, nun, sagen wir besser stillen, Ende.

„Wie lange ist das jetzt her?“

„14 Jahre. Das war in Paris im ‚La Locomotive‘.“

„Oh Mann, war das ein Scheiß.“

„Kann ich mich gar nicht so dran erinnern.“

„Doch ich schon. Ich weiß noch, wie ich ins ‚Moulin Rouge‘ gedackelt bin, um dem Roadie in den Arsch zu treten. Der hat sich da vergnügt, während wir das Equipment selbst über die Straße geschleppt haben. Das ging ja mal gar nicht.“

„Wieso? Das war doch fast immer so.“

„Immer? Ne, also bei den Touren vorher war das noch anders!“

„Wir waren eben auch verwöhnt.“

„Hat doch mit verwöhnt nichts zu tun, wenn einer seinen Job nicht macht. Wir haben doch auch unseren Job gemacht.“

„Ja, das war genau das Problem.“

„Was meinst Du?“

„Es war ein Job. Wir haben unsere Ärsche von A nach B karren lassen, um unseren Job zu machen.“

„Jetzt übertreib mal nicht. Es war doch weiß Gott nicht immer nur ein Job!“

„Nein, früher nicht. Als wir noch in Meschede geprobt haben.“

„Auch hinterher nicht. Nur zuletzt, aber da haben wir dann auch aufgehört.“

„Das war schon einmalig. Ein paar bekloppte Teenager aus dem Sauerland, die sich in den Kopf gesetzt haben, eine Death Metal Band zu gründen, obwohl sie anfangs nicht einmal Instrumente spielen konnten. Aber wir waren eben Kumpels.“

„Wir haben es durchgezogen. Vertrag bei einem Minilabel, Wochen und Monate in Bussen auf Pritschen oder in irgendwelchen Billighotels übernachtet; irrsinnig, wenn man sich das heute vorstellt.“

„Ja, das war schon krass. Unglaublich, wie das gelaufen ist. Eigentlich sollte das mal einer aufschreiben.“

„Und jetzt, seit 14 Jahren, endlich wieder auf der Bühne. Die deutsche Death Metal Legende: MORGOTH!!!!!“

Dem letzten Gedanken gehen wir noch einmal kurz nach. Während sich die Jungs ihre Instrumente schnappen und die Bühne für ihr erstes Konzert nach anderthalb Dekaden entern, stellen wir uns einmal vor, was dabei herauskommenwürde. Wenn man alle noch einmal einzeln befragen und bitten würde, ihre Erinnerungen Revue passieren zu lassen. Wenn man sie sogar noch einmal zusammenbrächte, für einen Grillabend zum Beispiel, und wenn man all das Gesagte zusammenfügen würde zu einer Geschichte, einer Erzählung über fünf Leute aus einem kleinen Städtchen im Sauerland, die eine Band gründen, um damit mal eben Death-Metal-Geschichte zu schreiben. Ja, wenn man das tun würde …


Morgoth Uncursed

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