Читать книгу Aus dem Leben einer Missgeburt - Christian Manhart - Страница 7
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ОглавлениеAnna wurde plötzlich krank. Sie bekam dicke Füße und wollte nirgends mehr hin. Kurze Zeit später verstarb meine geliebte Schwester. Sie war wohl der einzige und wichtigste Mensch in meinem Leben der mir etwas bedeutete.
Mit ihrem Tod wurde mir wieder einmal so richtig bewusst wie kurz und vergänglich das Leben war. Sollte ich wirklich als einziger von uns Geschwistern übrig bleiben? Als schwächlichster und jüngster Sohn von allen Gurrer –Kindern?
Ich lebte erstaunlicherweise immer noch.
Mein Spiegelbild hatte überhaupt nichts mit einem Mann, der fast sechzig Jahre alt war, zu tun. Immerhin war ich inzwischen zu einem stattlichen Mann herangewachsen. Ich sah aus wie 20, vielleicht sogar ein 25jähriger Jüngling. Und ich sah trotz meiner blauen Haut blendend aus.
Anna hatte mir schließlich beigebracht sie gut zu verbergen, wenn es nötig war. In meinem Gesicht war keine Spur dieser allgegenwärtigen fortschreitenden Veränderung, die alle anderen in meinem Alter prägte. Für mich vergingen fünf, zehn Jahre relativ schnell. Ich konnte den anderen richtig zusehen wie sie blumengleich aufblühten und wieder verwelkten. Es war schon seltsam. Ich selbst veränderte mich kaum. Manchmal hatte ich das Gefühl ein Gegenstand zu sein und kein Lebewesen.
Annas Tod versetzte mich in eine wirklich große Traurigkeit, die lange anhielt. Richtig melancholisch wurde ich. Mit ihr hatte ich jemanden verloren der immer auf mich aufgepasst hatte. Sie hatte mich vor allem Unwillen beschützt. Ich war nun völlig auf mich allein gestellt.
Ich stöberte aus Langeweile auch in den Unterlagen von Professor Wolf. Sein kleines medizinisches Labor mit den Essenzen und Gerätschaften war mir inzwischen sehr vertraut. Aber es erfüllte mich nicht mehr. So begann ich halt um den Tod meiner geliebten Schwester zu kompensieren und mich abzulenken, weiter ein wenig zu malen und zu schreiben.
Natürlich wäre mein Tun zur Erfolglosigkeit verdammt gewesen, hätte ich nicht so ein umwerfendes Aussehen besessen. Das wollte ich mir allmählich zu nutze machen. Ich setzte da vor allem auf die Weiblichkeit. Sie waren mir immer wohl gesonnen. Nur ganz wenige von ihnen konnten mich nicht leiden.
Es gab aber noch etwas das ich nun endlich genießen wollte, jetzt da Anna nicht mehr lebte. Das war die Liebe. Viele Jahre träumte ich nur davon. Bald wollte ich meine Träume und Sehnsüchte in die Tat umsetzen.