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Partnerübung
Оглавление(Diese Form von Partnerarbeit ist ein fester Bestandteil von Christian Meyers Arbeit.)
Einer der beiden Partner übernimmt die Rolle des spirituellen Freundes. Um jemanden bei der Partnerarbeit wirkungsvoll begleiten zu können, ist es notwendig, die drei Qualitäten der spirituellen Freundin zu verwirklichen. Um zwei musst du dich kümmern.
Einmal um die Leere des Verstandes. Das bedeutet, dass du innerlich still bist, dass du nichts weißt. Du hast keine eigene Geschichte, keine eigene Meinung, keine Vorurteile und erst recht keine Ratschläge. Du vergleichst nicht, stellst keine Relationen her, nimmst nichts persönlich und denkst dir auch sonst nichts über das Gehörte aus. Du gibst alles Wissen auf. Der Verstand ist leer und still.
Die zweite Qualität der spirituellen Freundin ist das Gewahrsein (awareness). Du bist gegenwärtig und mit allen deinen Sinnen anwesend und aufmerksam. Dann bist du bewusst.
Sind diese beiden Merkmale beim spirituellen Freund verwirklicht, so wird sich eine dritte Qualität auf natürliche Weise einstellen: Wenn du gegenwärtig bist und dein Verstand still ist, kann sich die Liebe deines Herzens ungestört zeigen und ausstrahlen. Als spirituelle Freundin bist du reines Bewusstsein, Leere und wahre Liebe. Die Liebe, die alles annimmt, was ist.
Du stellst deinem Partner immer wieder die gleiche Frage. Wenn du als Partnerin immer wieder die gleiche Frage hörst, kannst du immer neue Antworten auftauchen lassen. Am besten, du lässt dich von deinen eigenen Antworten überraschen. Nach der Antwort antwortet die spirituelle Freundin, die Begleiterin, mit „Danke“ und wiederholt die Frage. Die Frage lautet:
„Wer bist du, wenn du jetzt deine Geschichte vollständig loslässt?“
C: Was habt ihr entdeckt?
F: Eine sehr schöne Übung, sich so etwas vorzustellen. Es entsteht eine Weite, und gleichzeitig kann ich meine körperlichen Grenzen spüren.
C: Nur so lange du denkst, dass du dieser Körper bist. Der Körper hat Wunden, seelische Verletzungen, körperliche Verletzungen. Der Körper hat eine Begrenztheit, aber du bist nicht dieser Körper, du hast keine Begrenzung. Der Körper hat eine Geschichte, und diese Geschichte führt irgendwann zu einem Ende. Aber du nicht. Du bist nicht der Körper, du bist Bewusstsein. Du kannst diesen Körper wahrnehmen als einen kleinen Teil dessen, was du wahrnimmst. Alle Form hat Begrenzung, dieses Städtchen hat eine Begrenzung und eine Stadtmauer, der Wald, der See, die Erde, mit der es in ungefähr fünfhundert Millionen Jahren vorbei sein wird. Aber du hast keine Begrenzung. Wer ist dieses du? Woraus besteht es?
F: Ich kann das schon verstehen und doch meldet sich dieser Körper und es passiert etwas.
C: Ja und? Das macht doch nichts. Der Körper meldet sich und es passiert etwas – und? Das bist nicht du. Du kannst daraus, dass der Körper sich meldet, eine Geschichte machen, indem du da involviert bist und plötzlich reagierst: „Oh, ich muss etwas tun. Wo kommt das her? Das darf nicht sein, dass der Körper sich jetzt auf diese Weise meldet. Ich muss unbedingt irgendetwas tun.“ Wenn du es einfach geschehen lässt, dann geht es vorbei wie ein Windhauch. Aus allem eine Geschichte zu machen, das ist die Ursache von Leid.
F: Ich hatte plötzlich eine Art von Energiebild im Kopf, viele einzelne Negative.
C: Ja. Und was hast du dabei erfahren?
F: Dass das ganz alte Energie ist.
C: Das ist ein Gedanke.
F: Also wie ein Urbrei – und dass der ganz lange schon in mir strömt und mich immer mitgetragen hat. Zustände, wie ich sie auch schon von früher kenne, vor allem, als ich einmal in der Wüste war. Da waren dann auch gar keine Fragen mehr, es war alles ganz ruhig.
C: Ja. Und diese Ruhe zu erfahren, wie ist das?
F: So leicht, so ohne Bewertung. Es war einfach.
C: Ja. Und was erfährst du jetzt in diesem Augenblick?
F: Dass ich das viel zu häufig unterbreche.
C: Das ist nicht, was du jetzt erfährst, sondern das, was du dazu denkst.
Was erfährst du jetzt?
F: Dass ich davon mehr haben möchte.
C: Das ist ein Wunsch, und der Wunsch ist ein Gedanke. Was erfährst du jetzt?
F: Dass ich eigentlich gar nichts brauche.
C: Selbst das ist noch ein Gedanke. In diesem nichts brauchen, wie fühlt sich das an? Was für ein Gefühl ist damit verbunden?
F: Etwas Getragenes. Wie so ein kleiner Stern. Der muss sich nicht darum kümmern, ob er am Himmel bleibt oder nicht.
C: Ja, du brauchst dich um nichts zu kümmern und dann kannst du auch diesen Gedanken loslassen.
F: Mit der Geschichte meines Armbruchs habe ich sehr intensive Erfahrungen in den letzten Wochen gemacht.
C: Das sieht man. Aber sie ist nicht existent. Das Gute ist, dass du die Fähigkeit entwickelt hast, zu unterscheiden: Wo ist die Geschichte und wo bin ich? Dann entdeckst du, wo du nach der Geschichte greifst. Wenn du das merkst, dann kannst du zurücktreten. Das ist meine Einladung an euch, genau das in diesen Tagen zu tun. Seid aufmerksam dafür: Wo überlasse ich mich meiner Geschichte, diesen inneren Bildern und den Gedanken darüber, was war oder was sein könnte, und wo bleibe ich in der Erfahrung dessen, was jetzt ist. Diese Erfahrung kann zunächst sehr einfach sein. Du kannst mehr und mehr entdecken, dass du die Fähigkeit hast, das zu unterscheiden. Wenn du es zu unterscheiden lernst, dann kannst du mehr und mehr entdecken, wo du wählen kannst.
Erfahrung ist immer Gegenwart, Hier und Jetzt. Dagegen sind Vergangenheit und Zukunft nur in Gedanken da, sonst nicht. Die gegenwärtige Erfahrung ist das Leben, das pulsiert und jetzt geschieht. Wenn du Gedanken an die Vergangenheit hast, dann kann sich das sehr intensiv anfühlen, wenn du die Gefühle wieder aufkochst, die damit verbunden waren. Aber es sind trotzdem fade Gefühle. Es sind ausgedachte Gefühle von gestern, es ist abgestanden, es ist nicht das Leben. Du kannst diese Gedanken, die dich mit Vergangenem oder Zukünftigem beschäftigen, unterscheiden von der augenblicklichen Erfahrung. Lerne zuerst, es zu unterscheiden und lerne dann zu wählen. Gedanken sind fade. Es ist so, wie wenn du einen Urlaubsprospekt lesen würdest. Das ist nicht der Urlaub. Ebenso sind die Gedanken über das Gestern und das Morgen nicht das Leben. Das Leben findet nur jetzt in diesem Augenblick statt. Sonst nie.
F: In dem Moment, in dem ich Gefühle bezüglich der Vergangenheit habe, möchte ich auch in diesem Gefühl bleiben und es nicht wegschieben. Sonst habe ich das Gefühl, ich betrüge mich selbst.
C: Gefühle, die auftauchen, sollst du vollständig fühlen, jedes Gefühl.
F: Dann lebe ich vielleicht auch in der Vergangenheit?
C: Du erfährst das Gefühl, das in Verbindung mit der Vergangenheit steht. Das Gefühl ist gegenwärtig, nur die Geschichten sind Gedanken und Vergangenheit. Du brauchst von dem Gefühl aus nicht in die Geschichte zurück zu gehen.
Wenn das Gefühl bezüglich der Vergangenheit auftaucht, vielleicht Freude oder Schmerz, dann fühlst du Freude oder Schmerz. Wenn du danach greifen würdest, dann würde das so aussehen: Du würdest den Schmerz kommentieren. Du würdest dich fragen, ob er gerechtfertigt ist. Du würdest dich fragen, ob du ihn haben wolltest, ob es hätte anders sein müssen, ob es hätte anders sein sollen, ob du es verdient hast, oder nicht verdient hast und vor allem, was du jetzt noch damit tun solltest. So machst du aus dem Gefühl eine Geschichte, deine Geschichte.
Wenn das Gefühl auftaucht, wenn du innerlich offener wirst gegenüber dem, was da ist, dann werden alle möglichen Gefühle aus der Vergangenheit auftauchen. Die sind in diesem Augenblick dein inneres Leben. Du kannst dich diesem Gefühl hingeben, dieses Gefühl fühlen und dieses Gefühl verbrennen. Dieses Verbrennen ist gleichzeitig ein Aussöhnen, und du brauchst nicht danach zu greifen und eine Geschichte daraus zu machen. Es ist nicht persönlich. Dann ist es sehr heilsam, wenn die Gefühle hochkommen und du sie auf diese Weise verbrennst. Dann bist du nicht mehr drin in dieser Geschichte. Dann bist du bereit, das Gefühl zu ertragen und es kann verbrennen. Du kannst sogar gleichzeitig alle anderen Gefühle einladen und sie auch verbrennen. Dann wirst du immer wieder die Entdeckung machen, dass Stille zurückbleibt. Es ist sehr einfach.
F: Ich kam bei der Übung vorhin eher zu der Vorstellung, als zu der echten Wahrnehmung, dass ich der leere Raum bin, in dem die Wahrnehmung stattfindet. Jetzt habe ich die Frage, ob es sich lohnt, bei dieser Vorstellung zu bleiben?
C: Nein, es lohnt sich nicht. Es ist, als ob du denkst: „Wenn ich mich wirklich ganz intensiv in diesen Reiseprospekt hineinversetze, dann werde ich genau so erholt sein, als wenn ich auf Hawaii gewesen sei. Es ist, als ob du im Restaurant die Menükarte ganz intensiv liest und davon satt werden willst.
Die Gefahr liegt darin, dass du in dem Moment, in dem du dich der Vorstellung hingibst, das wegschiebst, was gerade wirklich stattfindet. Man nennt diesen Vorgang Dissoziation: Man trennt sich von der Erfahrung, und diese Trennung steht der wirklichen Leere und dem wirklichen Frieden im Wege.
F: Ich nehme meine Gefühle wahr wie unter einer Käseglocke – ich komme nicht wirklich an sie heran.
C: Frage dich: „Bin ich wirklich offen dafür, dass dieses Gefühl auftaucht?“ Bist du?
F: Ja.
C: Ohne Einschränkung?
F: Hm.
C: Es gibt eine Einschränkung – welche?
F: Die, dass ich nicht weiß, was das für eine Käseglocke ist.
C: Wenn die Käseglocke weg ist, was soll dir das geben?
F: Dann kann das Gefühl darunter verbrennen.
C: Also, du willst es weg haben. Das ist, wie wenn du eine Tante einlädst und sagst: „Komm schon am Sonntag, damit du schnell wieder weg bist.“ Wird die Tante kommen? „Komm doch schon morgens, damit ich es schnell hinter mir habe.“ Da wird die Tante sagen: „Nein.“
F: Ja, damit kann ich etwas anfangen.
C: Du musst dich dem Gefühl öffnen, ohne irgendeine Bedingung; um des Lebens willen, um der Wahrheit willen und um der Lebendigkeit willen.
F: Also, keine Angst davor haben.
C: Wenn Angst da ist, dann solltest du trotzdem still bleiben. Angst ist kein Problem. Wenn das Gefühl hochkommt und du Angst hast, dann ist die Angst kein Problem. Vor allem kannst du mit der Angst auch gar nichts machen.
F: Doch die Käseglocke.
C: Ja, die Käseglocke entsteht, wenn du der Angst ausweichen willst. Wenn da Angst vor dem Gefühl ist und du dich vor der Angst drückst. Die Angst ist kein Problem, sondern dein Versuch, dich davor zu drücken. Das Zurückweichen vor der Angst, das ist das Problem. Es gilt, das Gefühl einzuladen. Egal wie lange es bleibt, egal was es mit dir macht. Es gilt es einfach da sein zu lassen.