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III. Allgemeine Verbrauchsteuer

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Die Einordnung der Umsatzsteuer als Verkehrsteuer oder als (allgemeine) Verbrauchsteuer bereitet Schwierigkeiten.

Verbrauchsteuern sind Abgaben, die den Verbrauch oder Gebrauch bestimmter Güter oder Dienstleistungen und damit die Einkommens- und Vermögensverwendung belasten.[13] Typische Verbrauchsteuern sind (unter Angabe des maßgeblichen Gesetzes): – Branntweinsteuer (Branntweinmonopolgesetz, BranntwMonG);[14] – Tabaksteuer (TabStG); – Kaffeesteuer (KaffeeStG); – Schaumweinsteuer (Gesetz zur Besteuerung von Schaumwein und Zwischenerzeugnissen, SchaumwZwStG); – Energiesteuer (EnergieStG); – Stromsteuer (StromStG).
Verkehrsteuern knüpfen dagegen Steuerfolgen an die Übertragung von Gütern. Wichtige Beispiele für Verkehrsteuern sind: – Grunderwerbsteuer (GrEStG); – Versicherungsteuer (VersStG).

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Die Einordnung der Umsatzsteuer hängt davon ab, ob man ihre rechtstechnische Ausgestaltung oder ihr Belastungsziel in den Vordergrund stellt.[15] Für die Qualifizierung der Umsatzsteuer als Verkehrsteuer spricht, dass sie meist an einen Akt des Rechtsverkehrs anknüpft. Dies gilt etwa für den Grundtatbestand der Umsatzsteuer in § 1 Abs. 1 Nr 1 UStG – die Lieferung oder sonstige Leistung eines Unternehmers im Rahmen seines Unternehmens, im Inland und gegen Entgelt. In Sonderfällen knüpft die Umsatzsteuer allerdings nicht an Rechtsgeschäfte an, sondern an Realakte. Beispiele dafür finden sich insbesondere im Bereich der unentgeltlichen Wertabgaben (§ 3 Abs. 1b, 9a UStG) sowie beim innergemeinschaftlichen Verbringen (§ 3 Abs. 1a UStG). Schon in der rechtstechnischen Ausgestaltung ist die Umsatzsteuer daher keine reine Verkehrsteuer.

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Was ihr Belastungsziel angeht, ist die Umsatzsteuer Verbrauchsteuer, weil sie durch das System des Vorsteuerabzugs ausschließlich den nichtunternehmerischen (privaten) Verbrauch belastet.[16] Die Einordnung als Verbrauchsteuer wird auch dem Europäischen Richtlinienrecht gerecht. Nach diesem ist die Mehrwertsteuer eine „allgemeine, zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer“ (Art. 1 Abs. 2 S. 1 MwStSystRL).

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Die praktische Bedeutung der Diskussion um die zutreffende Einordnung der Umsatzsteuer ist eher gering.[17] Immerhin taugt der Verbrauchsteuergedanke im Einzelfall als Interpretationshilfe. Dafür ist etwa auf eine Entscheidung des EuGH zu verweisen, die sich auf Prämien an Landwirte für die Aufgabe der Milchproduktion bezog. Bei solchen Prämien fehle es an einem eine Leistung erwerbenden Empfänger und damit an einem Verbrauch i. S. d. gemeinschaftlichen Mehrwertsteuersystems. Die Prämie unterliege damit – anders als von der deutschen Finanzverwaltung vertreten – nicht der Mehrwertsteuer.[18]

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Ungeachtet der vor allem wissenschaftlich geführten Diskussion um die zutreffende Qualifizierung der Umsatzsteuer steht fest, dass sie jedenfalls zwei wichtigen Vorschriften der AO nicht unterfällt, die jeweils eine „Verbrauchsteuer“ voraussetzen.

So gilt § 169 Abs. 2 Nr 1 AO, der u. a. für Verbrauchsteuern eine kurze Festsetzungsfrist von nur einem Jahr anordnet, nicht für die USt. Es gilt die Frist von vier Jahren gemäß § 169 Abs. 2 Nr 2 AO.[19]
§ 172 Abs. 1 S. 1 Nr 1 AO lässt die voraussetzungslose Änderung oder Aufhebung eines Steuerbescheides zu, der Verbrauchsteuern betrifft. Auch von dieser Regelung ist die USt nicht erfasst. Eine Änderung oder Aufhebung ist nur in den Grenzen des § 172 Abs. 1 S. 1 Nr 2 AO zulässig.[20]

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Was die Einfuhrumsatzsteuer (EUSt, § 1 Abs. 1 Nr 4 UStG) betrifft, qualifiziert § 21 Abs. 1 UStG diese ausdrücklich als „eine Verbrauchsteuer im Sinne der Abgabenordnung“. Soweit die AO also Vorschriften enthält, die sich auf Verbrauchsteuern beziehen, gelten diese Regelungen (wiederum ohne Rücksicht auf die oben skizzierte Diskussion) auch für die EUSt. Die vorstehend genannten Vorschriften zur Festsetzungsfrist und zur Änderung/Aufhebung eines Steuerbescheides (§ 169 Abs. 2 Nr 1 AO sowie § 172 Abs. 1 S. 1 Nr 1 AO) werden indes durch zollrechtliche Vorschriften (Zollkodex der EU, UZK) verdrängt, die nach § 21 Abs. 2 S. 1 UStG (vorrangig) auf die EUSt anwendbar sind.[21]

§ 1 Einleitung › C. Charakteristika der Umsatzsteuer › IV. Sachsteuer

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