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III. Unmittelbare Anwendung von Richtlinienrecht

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Nach der Rechtsprechung des EuGH kann sich der Steuerpflichtige unmittelbar auf eine Richtlinienbestimmung berufen, wenn der jeweilige Mitgliedstaat die Frist für die Umsetzung einer Richtlinie versäumt hat, und wenn die Richtlinie hinreichend bestimmt gefasst und inhaltlich unbedingt ist. Für die sehr detaillierten Vorgaben der MwStSystRL ist das Erfordernis einer hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit fast immer zu bejahen.[37] Unter den genannten Voraussetzungen ergibt sich ein Anwendungsvorrang einer Richtlinienbestimmung gegenüber einer davon abweichenden nationalen Regelung.

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Ein Anwendungsvorrang kommt stets nur in Betracht, wenn die Richtlinie für den Steuerpflichtigen günstiger ist als das nationale Recht. Eine steuerverschärfende unmittelbare Anwendung von Richtlinien durch die Finanzverwaltung scheidet aus.[38]

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Ob die Finanzgerichte und der BFH unter Berufung auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts dazu berufen sind, Vorschriften des deutschen Rechts aufgrund eigener Entscheidung unangewendet zu lassen, ist umstritten. Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten (Gewaltenteilung) wird eine solche Entscheidung teilweise nur dann für zulässig gehalten, wenn zuvor der EuGH ausdrücklich zur Vorabentscheidung angerufen worden ist (Art. 267 AEUV).[39]

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Beispiel:

Art. 132 MwStSystRL sieht die Steuerbefreiung diverser dem Gemeinwohl dienender Umsätze vor. Die Mitgliedstaaten befreien danach u. a. eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundene Dienstleistungen von der Steuer (Art. 132 Abs. 1 lit. h MwStSystRL). Der deutsche Gesetzgeber hat die Befreiung in § 4 Nr. 25 UStG zunächst nur unzureichend umgesetzt. Der BFH hat daher wiederholt entschieden, dass sich Unternehmer (u. a. der Betreiber eines Kinderheimes und ein Erziehungsbeistand) direkt auf das für sie günstige Richtlinienrecht berufen können.[40] Für die seit 2008 geltende Fassung des § 4 Nr. 25 UStG hat der BFH festgestellt, dass die Regelung bei entsprechender Auslegung (die das Finanzamt im entschiedenen Fall abgelehnt hatte) der Richtlinie entspricht. Für die unmittelbare Berufung auf Unionsrecht ist insoweit kein Raum mehr.[41]

§ 1 Einleitung › E. Zuständigkeiten und Rechtsquellen

Umsatzsteuerrecht

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